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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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Herr v. G. Wenn Sie mir so kommen,
Freund, so komm ich Ihnen so. Zugege-
ben, Gott ist überall; allein wir sollen
an Gott glauben; durchs Gebet thun wir
mehr, wir reden ihn an. -- Thun Sie
das gegen irgend jemand, von dem sie
nur glauben, daß er da ist?
Pastor. Gott ist nicht irgend jemand. --
Herr v. G. Wenn Sie reden, müßen sie se-
hen -- nicht?
Pastor. Der Blinde spricht, ohne zu sehen,
und sind wir mehr in diesem Verhältniß?
Herr v. G. Der Blinde greift mit der Hand,
eh' er spricht, und das ist ihm anstatt des
Sehens.
Pastor. Und ist Gott nicht handgreiflich, --
ist er fern von uns, leben, weben und
sind wir nicht in ihm? --
Herr v. G. Gott ist ein Geist, und nicht
so handgreiflich, als dem Blinden der
Jemand, den er zur Rede stellt. Das
Sehen ist von der Anrede unzertrennlich.
Wer uns nicht ansieht, wenn er mit uns
spricht, was sagen wir von dem? Um
Ihnen mein Glaubensbekenntniß auf ein-
mal
J 4
Herr v. G. Wenn Sie mir ſo kommen,
Freund, ſo komm ich Ihnen ſo. Zugege-
ben, Gott iſt uͤberall; allein wir ſollen
an Gott glauben; durchs Gebet thun wir
mehr, wir reden ihn an. — Thun Sie
das gegen irgend jemand, von dem ſie
nur glauben, daß er da iſt?
Paſtor. Gott iſt nicht irgend jemand. —
Herr v. G. Wenn Sie reden, muͤßen ſie ſe-
hen — nicht?
Paſtor. Der Blinde ſpricht, ohne zu ſehen,
und ſind wir mehr in dieſem Verhaͤltniß?
Herr v. G. Der Blinde greift mit der Hand,
eh’ er ſpricht, und das iſt ihm anſtatt des
Sehens.
Paſtor. Und iſt Gott nicht handgreiflich, —
iſt er fern von uns, leben, weben und
ſind wir nicht in ihm? —
Herr v. G. Gott iſt ein Geiſt, und nicht
ſo handgreiflich, als dem Blinden der
Jemand, den er zur Rede ſtellt. Das
Sehen iſt von der Anrede unzertrennlich.
Wer uns nicht anſieht, wenn er mit uns
ſpricht, was ſagen wir von dem? Um
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[135/0141] Herr v. G. Wenn Sie mir ſo kommen, Freund, ſo komm ich Ihnen ſo. Zugege- ben, Gott iſt uͤberall; allein wir ſollen an Gott glauben; durchs Gebet thun wir mehr, wir reden ihn an. — Thun Sie das gegen irgend jemand, von dem ſie nur glauben, daß er da iſt? Paſtor. Gott iſt nicht irgend jemand. — Herr v. G. Wenn Sie reden, muͤßen ſie ſe- hen — nicht? Paſtor. Der Blinde ſpricht, ohne zu ſehen, und ſind wir mehr in dieſem Verhaͤltniß? Herr v. G. Der Blinde greift mit der Hand, eh’ er ſpricht, und das iſt ihm anſtatt des Sehens. Paſtor. Und iſt Gott nicht handgreiflich, — iſt er fern von uns, leben, weben und ſind wir nicht in ihm? — Herr v. G. Gott iſt ein Geiſt, und nicht ſo handgreiflich, als dem Blinden der Jemand, den er zur Rede ſtellt. Das Sehen iſt von der Anrede unzertrennlich. Wer uns nicht anſieht, wenn er mit uns ſpricht, was ſagen wir von dem? Um Ihnen mein Glaubensbekenntniß auf ein- mal J 4

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/141>, abgerufen am 27.11.2024.