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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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Anfang bis zur jetzigen Zeit erwecket, und
da sind viele Höfe, Städt' und Flecken, wo
diese Krankheit gewütet, und nicht der Kin-
der in der Wiege verschonet. Auf dieser Reise
kommt er glücklich und wohlbehalten nach
Königsberg, und ruft ach! und wehe! --

Was würd' er aber jetzt rufen, sagte
Herr v. G.?

Der Herzens Candidat hatte versichert,
der jetzige König von Preußen hätte das ganze
alte Testament durch den Codicem Fridericia-
num abgeschaft
, und das neue Testament
durch eine Instruktion verkürzet. --

Als ob, sagte mein Vater.

Ja wohl, sagte Herr v. G.

und das war das letzte mal, daß ich als ob,
und ja wohl, von ihnen hörte.

Die Gewohnheit der Pietisten, wo sie
stehen, oder liegen, oder sitzen, die Hände
zu kreuzen und laut zu beten, brachten den
Herrn v. G. und meinen Vater aufs Gebet.

Man kann wohl, sagt' er, wie Dioge-
nes überall eßen; allein nicht überall beten.

Warum, erwiederte mein Vater, --
Ist Gott nicht überall?

Herr

Anfang bis zur jetzigen Zeit erwecket, und
da ſind viele Hoͤfe, Staͤdt’ und Flecken, wo
dieſe Krankheit gewuͤtet, und nicht der Kin-
der in der Wiege verſchonet. Auf dieſer Reiſe
kommt er gluͤcklich und wohlbehalten nach
Koͤnigsberg, und ruft ach! und wehe! —

Was wuͤrd’ er aber jetzt rufen, ſagte
Herr v. G.?

Der Herzens Candidat hatte verſichert,
der jetzige Koͤnig von Preußen haͤtte das ganze
alte Teſtament durch den Codicem Fridericia-
num abgeſchaft
, und das neue Teſtament
durch eine Inſtruktion verkuͤrzet. —

Als ob, ſagte mein Vater.

Ja wohl, ſagte Herr v. G.

und das war das letzte mal, daß ich als ob,
und ja wohl, von ihnen hoͤrte.

Die Gewohnheit der Pietiſten, wo ſie
ſtehen, oder liegen, oder ſitzen, die Haͤnde
zu kreuzen und laut zu beten, brachten den
Herrn v. G. und meinen Vater aufs Gebet.

Man kann wohl, ſagt’ er, wie Dioge-
nes uͤberall eßen; allein nicht uͤberall beten.

Warum, erwiederte mein Vater, —
Iſt Gott nicht uͤberall?

Herr
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[134/0140] Anfang bis zur jetzigen Zeit erwecket, und da ſind viele Hoͤfe, Staͤdt’ und Flecken, wo dieſe Krankheit gewuͤtet, und nicht der Kin- der in der Wiege verſchonet. Auf dieſer Reiſe kommt er gluͤcklich und wohlbehalten nach Koͤnigsberg, und ruft ach! und wehe! — Was wuͤrd’ er aber jetzt rufen, ſagte Herr v. G.? Der Herzens Candidat hatte verſichert, der jetzige Koͤnig von Preußen haͤtte das ganze alte Teſtament durch den Codicem Fridericia- num abgeſchaft, und das neue Teſtament durch eine Inſtruktion verkuͤrzet. — Als ob, ſagte mein Vater. Ja wohl, ſagte Herr v. G. und das war das letzte mal, daß ich als ob, und ja wohl, von ihnen hoͤrte. Die Gewohnheit der Pietiſten, wo ſie ſtehen, oder liegen, oder ſitzen, die Haͤnde zu kreuzen und laut zu beten, brachten den Herrn v. G. und meinen Vater aufs Gebet. Man kann wohl, ſagt’ er, wie Dioge- nes uͤberall eßen; allein nicht uͤberall beten. Warum, erwiederte mein Vater, — Iſt Gott nicht uͤberall? Herr

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/140>, abgerufen am 27.11.2024.