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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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dann, als ob dies viel zu wenig wär', und
dann wieder an mein Herz, das ihm entge-
gen schlug. -- Benjamin hatte des Vaters
Posten eingenommen, und war auf die Wa-
che gezogen, wie er mir nachher erzählte;
denn gesehen hatt' ichs nicht, ich wolt', ich
mußte schreiben. -- O wie war mir! --
als schrieb ich ein Todesurtel, als schrieb ich
mit Blut -- so angst und bang! und dann
wieder so vergnügt ums Herz, daß Blut über
und über stürzte, und denn wieder so sanft,
als im Junius, wenn es geregnet, und jede
Blume Wonnetrunken ist, und sich noch
auf ihrem Rücken für den schwuhlen Mittag
des künftigen Tages einen großen, großen Tro-
pfen aufgespart hat. -- Alle Jahreszeiten
in einer Viertelstunde -- ich weiß nicht, was
eigentlich mit mir vorgieng. Nur das weiß
ich, daß Benjamin einigemal zu mir kam
eilfertig, um seinen Posten nicht kalt werden
zu laßen, und mich in seine Arme nahm,
und mir die Arme küßte; meine Thränen
waren ihm zu heilig, um ihren Lauf zu
hemmen und sie mit den Seinigen zu mischen.
Kein Waßer, sagt' er, zu diesem Wein --
der gute Benjamin!

Und
H 2

dann, als ob dies viel zu wenig waͤr’, und
dann wieder an mein Herz, das ihm entge-
gen ſchlug. — Benjamin hatte des Vaters
Poſten eingenommen, und war auf die Wa-
che gezogen, wie er mir nachher erzaͤhlte;
denn geſehen hatt’ ichs nicht, ich wolt’, ich
mußte ſchreiben. — O wie war mir! —
als ſchrieb ich ein Todesurtel, als ſchrieb ich
mit Blut — ſo angſt und bang! und dann
wieder ſo vergnuͤgt ums Herz, daß Blut uͤber
und uͤber ſtuͤrzte, und denn wieder ſo ſanft,
als im Junius, wenn es geregnet, und jede
Blume Wonnetrunken iſt, und ſich noch
auf ihrem Ruͤcken fuͤr den ſchwuhlen Mittag
des kuͤnftigen Tages einen großen, großen Tro-
pfen aufgeſpart hat. — Alle Jahreszeiten
in einer Viertelſtunde — ich weiß nicht, was
eigentlich mit mir vorgieng. Nur das weiß
ich, daß Benjamin einigemal zu mir kam
eilfertig, um ſeinen Poſten nicht kalt werden
zu laßen, und mich in ſeine Arme nahm,
und mir die Arme kuͤßte; meine Thraͤnen
waren ihm zu heilig, um ihren Lauf zu
hemmen und ſie mit den Seinigen zu miſchen.
Kein Waßer, ſagt’ er, zu dieſem Wein —
der gute Benjamin!

Und
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[115/0121] dann, als ob dies viel zu wenig waͤr’, und dann wieder an mein Herz, das ihm entge- gen ſchlug. — Benjamin hatte des Vaters Poſten eingenommen, und war auf die Wa- che gezogen, wie er mir nachher erzaͤhlte; denn geſehen hatt’ ichs nicht, ich wolt’, ich mußte ſchreiben. — O wie war mir! — als ſchrieb ich ein Todesurtel, als ſchrieb ich mit Blut — ſo angſt und bang! und dann wieder ſo vergnuͤgt ums Herz, daß Blut uͤber und uͤber ſtuͤrzte, und denn wieder ſo ſanft, als im Junius, wenn es geregnet, und jede Blume Wonnetrunken iſt, und ſich noch auf ihrem Ruͤcken fuͤr den ſchwuhlen Mittag des kuͤnftigen Tages einen großen, großen Tro- pfen aufgeſpart hat. — Alle Jahreszeiten in einer Viertelſtunde — ich weiß nicht, was eigentlich mit mir vorgieng. Nur das weiß ich, daß Benjamin einigemal zu mir kam eilfertig, um ſeinen Poſten nicht kalt werden zu laßen, und mich in ſeine Arme nahm, und mir die Arme kuͤßte; meine Thraͤnen waren ihm zu heilig, um ihren Lauf zu hemmen und ſie mit den Seinigen zu miſchen. Kein Waßer, ſagt’ er, zu dieſem Wein — der gute Benjamin! Und H 2

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/121>, abgerufen am 25.11.2024.