verstummten von Stund des jüdisch deutschen Briefes an, die Orackel. Mein Vater hatte andere Ursachen seinen Herren Amtsbrüdern kein Rappier anzubieten oder sie kämpflich zu grüßen, und wußte sich so vorkreflich ohne die geringste Unrichtigkeit sich zu Schul- den kommen zu lassen, bey Ehren zu erhal- ten, daß, so oft er jrgend einen Confrater zum Zuhörer hatte, er den Grundtext tapfer citirte und oft zwei bis drei Verse aushob. Wenn es gleich auf Treue und Glauben eines andern, wo nicht dritten geschahe; und sein Grundzeignis beständig von Hörensagen war; so hatte er doch seine Leute viel zu gut kennen gelernt, und war bei dieser Procla- mation kein Einspruch zu fürchten, so daß er sich zulezt ganz dreist ein Beholzungsrecht, oder die Befugnis in des andern Wald Holz zu fällen zueignete. Die griechische Sprache, wovon die Herrn Amtsbrüder nicht vielmehr als die beiden griechischen Freunde wußten, war nicht hinreichend meinem Vater Ruhe zu schaffen. Sie hielten es mit dem alten Te- stament, bis zur Ankunft des Conversus und nun war jeder furchtsam in meines Vaters Gegenwart an die heilge Schrift zu denken, und jeder wunderte sich warum er mit seiner
hebräi-
F
verſtummten von Stund des juͤdiſch deutſchen Briefes an, die Orackel. Mein Vater hatte andere Urſachen ſeinen Herren Amtsbruͤdern kein Rappier anzubieten oder ſie kaͤmpflich zu gruͤßen, und wußte ſich ſo vorkreflich ohne die geringſte Unrichtigkeit ſich zu Schul- den kommen zu laſſen, bey Ehren zu erhal- ten, daß, ſo oft er jrgend einen Confrater zum Zuhoͤrer hatte, er den Grundtext tapfer citirte und oft zwei bis drei Verſe aushob. Wenn es gleich auf Treue und Glauben eines andern, wo nicht dritten geſchahe; und ſein Grundzeignis beſtaͤndig von Hoͤrenſagen war; ſo hatte er doch ſeine Leute viel zu gut kennen gelernt, und war bei dieſer Procla- mation kein Einſpruch zu fuͤrchten, ſo daß er ſich zulezt ganz dreiſt ein Beholzungsrecht, oder die Befugnis in des andern Wald Holz zu faͤllen zueignete. Die griechiſche Sprache, wovon die Herrn Amtsbruͤder nicht vielmehr als die beiden griechiſchen Freunde wußten, war nicht hinreichend meinem Vater Ruhe zu ſchaffen. Sie hielten es mit dem alten Te- ſtament, bis zur Ankunft des Converſus und nun war jeder furchtſam in meines Vaters Gegenwart an die heilge Schrift zu denken, und jeder wunderte ſich warum er mit ſeiner
hebraͤi-
F
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0087"n="79"/>
verſtummten von Stund des juͤdiſch deutſchen<lb/>
Briefes an, die Orackel. Mein Vater hatte<lb/>
andere Urſachen ſeinen Herren Amtsbruͤdern<lb/>
kein Rappier anzubieten oder ſie <hirendition="#fr">kaͤmpflich</hi><lb/>
zu <hirendition="#fr">gruͤßen,</hi> und wußte ſich ſo vorkreflich<lb/>
ohne die geringſte Unrichtigkeit ſich zu Schul-<lb/>
den kommen zu laſſen, bey Ehren zu erhal-<lb/>
ten, daß, ſo oft er jrgend einen Confrater<lb/>
zum Zuhoͤrer hatte, er den Grundtext tapfer<lb/>
citirte und oft zwei bis drei Verſe aushob.<lb/>
Wenn es gleich auf Treue und Glauben<lb/>
eines andern, wo nicht dritten geſchahe; und<lb/>ſein <hirendition="#fr">Grundzeignis</hi> beſtaͤndig von Hoͤrenſagen<lb/>
war; ſo hatte er doch ſeine Leute viel zu gut<lb/>
kennen gelernt, und war bei dieſer Procla-<lb/>
mation kein Einſpruch zu fuͤrchten, ſo daß<lb/>
er ſich zulezt ganz dreiſt ein <hirendition="#fr">Beholzungsrecht,</hi><lb/>
oder die Befugnis in des andern Wald Holz<lb/>
zu faͤllen zueignete. Die griechiſche Sprache,<lb/>
wovon die Herrn Amtsbruͤder nicht vielmehr<lb/>
als die beiden griechiſchen Freunde wußten,<lb/>
war nicht hinreichend meinem Vater Ruhe zu<lb/>ſchaffen. Sie hielten es mit dem alten Te-<lb/>ſtament, bis zur Ankunft des Converſus und<lb/>
nun war jeder furchtſam in meines Vaters<lb/>
Gegenwart an die heilge Schrift zu denken,<lb/>
und jeder wunderte ſich warum er mit ſeiner<lb/><fwplace="bottom"type="sig">F</fw><fwplace="bottom"type="catch">hebraͤi-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[79/0087]
verſtummten von Stund des juͤdiſch deutſchen
Briefes an, die Orackel. Mein Vater hatte
andere Urſachen ſeinen Herren Amtsbruͤdern
kein Rappier anzubieten oder ſie kaͤmpflich
zu gruͤßen, und wußte ſich ſo vorkreflich
ohne die geringſte Unrichtigkeit ſich zu Schul-
den kommen zu laſſen, bey Ehren zu erhal-
ten, daß, ſo oft er jrgend einen Confrater
zum Zuhoͤrer hatte, er den Grundtext tapfer
citirte und oft zwei bis drei Verſe aushob.
Wenn es gleich auf Treue und Glauben
eines andern, wo nicht dritten geſchahe; und
ſein Grundzeignis beſtaͤndig von Hoͤrenſagen
war; ſo hatte er doch ſeine Leute viel zu gut
kennen gelernt, und war bei dieſer Procla-
mation kein Einſpruch zu fuͤrchten, ſo daß
er ſich zulezt ganz dreiſt ein Beholzungsrecht,
oder die Befugnis in des andern Wald Holz
zu faͤllen zueignete. Die griechiſche Sprache,
wovon die Herrn Amtsbruͤder nicht vielmehr
als die beiden griechiſchen Freunde wußten,
war nicht hinreichend meinem Vater Ruhe zu
ſchaffen. Sie hielten es mit dem alten Te-
ſtament, bis zur Ankunft des Converſus und
nun war jeder furchtſam in meines Vaters
Gegenwart an die heilge Schrift zu denken,
und jeder wunderte ſich warum er mit ſeiner
hebraͤi-
F
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/87>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.