"het. Ich glaube Helden gehören in Nor- "den zu Hause, wo man härter ist und fast "täglich wider das Clima kämpfen muß; "die Letten könnten also hiezu Anlage haben, "wo ist aber ein Zug davon? -- Würden "sie wol seyn und bleiben was sie sind, wenn "nur wenigstens Boden zur Freiheit und "zum Ruhm in ihnen wäre. In Curland "ist Freiheit und Sclaverei zu Hause." --
Mein Vater war eben kein großer letti- scher Sprachkünstler; wer aber eine Sprache in ihrer ganzen Länge und Breite verstehet kann über alle Recht sprechen. Er versicher- te nie Fußstapfen von Heldenliedern aufge- funden zu haben, wol aber Beweise, daß schon ihre weitesten Vorfahren gesungen hät- ten: und wo ist ein Volk fragt' er das nicht gesungen hat? Er hatte (wie ers nanndte) eine Garbe zärtlicher Liedlein gesammlet, wovon ich seine Uebersezung besitze, die ich vielleicht mittheilen kann: und wodurch dem undeutschen Gpitz des Herrn Pastors Jo- hann Wischmann kein Abbruch geschehen soll. Wenn ich nicht diese Garbe in Händen hät- te; würd ich doch vom Urteil meines Va- ters, der kein Curländer war, die Apellation einzulegen, anrathen. In diesen Liederchen
herrscht
„het. Ich glaube Helden gehoͤren in Nor- „den zu Hauſe, wo man haͤrter iſt und faſt „taͤglich wider das Clima kaͤmpfen muß; „die Letten koͤnnten alſo hiezu Anlage haben, „wo iſt aber ein Zug davon? — Wuͤrden „ſie wol ſeyn und bleiben was ſie ſind, wenn „nur wenigſtens Boden zur Freiheit und „zum Ruhm in ihnen waͤre. In Curland „iſt Freiheit und Sclaverei zu Hauſe.„ —
Mein Vater war eben kein großer letti- ſcher Sprachkuͤnſtler; wer aber eine Sprache in ihrer ganzen Laͤnge und Breite verſtehet kann uͤber alle Recht ſprechen. Er verſicher- te nie Fußſtapfen von Heldenliedern aufge- funden zu haben, wol aber Beweiſe, daß ſchon ihre weiteſten Vorfahren geſungen haͤt- ten: und wo iſt ein Volk fragt’ er das nicht geſungen hat? Er hatte (wie ers nanndte) eine Garbe zaͤrtlicher Liedlein geſammlet, wovon ich ſeine Ueberſezung beſitze, die ich vielleicht mittheilen kann: und wodurch dem undeutſchen Gpitz des Herrn Paſtors Jo- hann Wiſchmann kein Abbruch geſchehen ſoll. Wenn ich nicht dieſe Garbe in Haͤnden haͤt- te; wuͤrd ich doch vom Urteil meines Va- ters, der kein Curlaͤnder war, die Apellation einzulegen, anrathen. In dieſen Liederchen
herrſcht
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0082"n="74"/>„het. Ich glaube Helden gehoͤren in Nor-<lb/>„den zu Hauſe, wo man haͤrter iſt und faſt<lb/>„taͤglich wider das Clima kaͤmpfen muß;<lb/>„die Letten koͤnnten alſo hiezu Anlage haben,<lb/>„wo iſt aber ein Zug davon? — Wuͤrden<lb/>„ſie wol ſeyn und bleiben was ſie ſind, wenn<lb/>„nur wenigſtens Boden zur Freiheit und<lb/>„zum Ruhm in ihnen waͤre. In Curland<lb/>„iſt Freiheit und Sclaverei zu Hauſe.„—</p><lb/><p>Mein Vater war eben kein großer letti-<lb/>ſcher Sprachkuͤnſtler; wer aber eine Sprache<lb/>
in ihrer ganzen Laͤnge und Breite verſtehet<lb/>
kann uͤber alle Recht ſprechen. Er verſicher-<lb/>
te nie Fußſtapfen von Heldenliedern aufge-<lb/>
funden zu haben, wol aber Beweiſe, daß<lb/>ſchon ihre weiteſten Vorfahren geſungen haͤt-<lb/>
ten: und wo iſt ein Volk fragt’ er das nicht<lb/>
geſungen hat? Er hatte (wie ers nanndte)<lb/>
eine <hirendition="#fr">Garbe</hi> zaͤrtlicher Liedlein geſammlet,<lb/>
wovon ich ſeine Ueberſezung beſitze, die ich<lb/>
vielleicht mittheilen kann: und wodurch dem<lb/><hirendition="#fr">undeutſchen Gpitz</hi> des Herrn Paſtors <hirendition="#fr">Jo-<lb/>
hann Wiſchmann</hi> kein Abbruch geſchehen ſoll.<lb/>
Wenn ich nicht dieſe <hirendition="#fr">Garbe</hi> in Haͤnden haͤt-<lb/>
te; wuͤrd ich doch vom Urteil meines Va-<lb/>
ters, der kein Curlaͤnder war, die Apellation<lb/>
einzulegen, anrathen. In dieſen Liederchen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">herrſcht</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[74/0082]
„het. Ich glaube Helden gehoͤren in Nor-
„den zu Hauſe, wo man haͤrter iſt und faſt
„taͤglich wider das Clima kaͤmpfen muß;
„die Letten koͤnnten alſo hiezu Anlage haben,
„wo iſt aber ein Zug davon? — Wuͤrden
„ſie wol ſeyn und bleiben was ſie ſind, wenn
„nur wenigſtens Boden zur Freiheit und
„zum Ruhm in ihnen waͤre. In Curland
„iſt Freiheit und Sclaverei zu Hauſe.„ —
Mein Vater war eben kein großer letti-
ſcher Sprachkuͤnſtler; wer aber eine Sprache
in ihrer ganzen Laͤnge und Breite verſtehet
kann uͤber alle Recht ſprechen. Er verſicher-
te nie Fußſtapfen von Heldenliedern aufge-
funden zu haben, wol aber Beweiſe, daß
ſchon ihre weiteſten Vorfahren geſungen haͤt-
ten: und wo iſt ein Volk fragt’ er das nicht
geſungen hat? Er hatte (wie ers nanndte)
eine Garbe zaͤrtlicher Liedlein geſammlet,
wovon ich ſeine Ueberſezung beſitze, die ich
vielleicht mittheilen kann: und wodurch dem
undeutſchen Gpitz des Herrn Paſtors Jo-
hann Wiſchmann kein Abbruch geſchehen ſoll.
Wenn ich nicht dieſe Garbe in Haͤnden haͤt-
te; wuͤrd ich doch vom Urteil meines Va-
ters, der kein Curlaͤnder war, die Apellation
einzulegen, anrathen. In dieſen Liederchen
herrſcht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/82>, abgerufen am 18.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.