Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
Dem Mann ein Ey
dem frommen Schweppermann zwey

weil Schweppermann nicht Superintendent
in Curland sondern

ein Ritter keck und fest
der zu Gnadersdorf im Streit that das Best

gewesen; so bekam der Vorschlag meiner
Mutter eine andere Wendung. Der be-
stimmte heilige Tag fiel aus, allein nicht zu
meinem Nachtheil denn wenn ich nach der
Zeit ein Stück Geräuchertes zu erndten Lust
hatte; wallfahrte ich Hand in Hand mit
meiner Mutter zum Mausoleum (oder nach
einer ehrlichen deutschen Uebersetzung) in die
Speisekammer. Es hing der Tag unsers
Eyerheiligen von der Angabe meines Magens
ab, und war so oft mir außer der Mahlzeit
hungerte. Je nachdem ich Appetit hatte;
ward auch die Feyerlichkeit zur Ehre eines
Mannes zugeschnitten, der nach der Bemer-
kung meiner Mutter, die sie mehr als ein-
mal anbrachte, "so wie die Speckseiten und
"Würste seine Nachbaren, gekommen wäre
"aus der Rauchkammer dieses Lebens" --

Zur Steuer der Wahrheit steh es hier
wie eine Ehrensäule, daß meine Mutter wi-
der die Gewohnheit aller Weiber nicht geitzig

war
Dem Mann ein Ey
dem frommen Schweppermann zwey

weil Schweppermann nicht Superintendent
in Curland ſondern

ein Ritter keck und feſt
der zu Gnadersdorf im Streit that das Beſt

geweſen; ſo bekam der Vorſchlag meiner
Mutter eine andere Wendung. Der be-
ſtimmte heilige Tag fiel aus, allein nicht zu
meinem Nachtheil denn wenn ich nach der
Zeit ein Stuͤck Geraͤuchertes zu erndten Luſt
hatte; wallfahrte ich Hand in Hand mit
meiner Mutter zum Mauſoleum (oder nach
einer ehrlichen deutſchen Ueberſetzung) in die
Speiſekammer. Es hing der Tag unſers
Eyerheiligen von der Angabe meines Magens
ab, und war ſo oft mir außer der Mahlzeit
hungerte. Je nachdem ich Appetit hatte;
ward auch die Feyerlichkeit zur Ehre eines
Mannes zugeſchnitten, der nach der Bemer-
kung meiner Mutter, die ſie mehr als ein-
mal anbrachte, „ſo wie die Speckſeiten und
„Wuͤrſte ſeine Nachbaren, gekommen waͤre
„aus der Rauchkammer dieſes Lebens„ —

Zur Steuer der Wahrheit ſteh es hier
wie eine Ehrenſaͤule, daß meine Mutter wi-
der die Gewohnheit aller Weiber nicht geitzig

war
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0062" n="54"/>
        <lg type="poem">
          <l>Dem Mann ein Ey</l><lb/>
          <l>dem frommen Schweppermann zwey</l>
        </lg><lb/>
        <p>weil Schweppermann nicht Superintendent<lb/>
in Curland &#x017F;ondern</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>ein Ritter keck und fe&#x017F;t</l><lb/>
          <l>der zu Gnadersdorf im Streit that das Be&#x017F;t</l>
        </lg><lb/>
        <p>gewe&#x017F;en; &#x017F;o bekam der Vor&#x017F;chlag meiner<lb/>
Mutter eine andere Wendung. Der be-<lb/>
&#x017F;timmte heilige Tag fiel aus, allein nicht zu<lb/>
meinem Nachtheil denn wenn ich nach der<lb/>
Zeit ein Stu&#x0364;ck Gera&#x0364;uchertes zu <hi rendition="#fr">erndten</hi> Lu&#x017F;t<lb/>
hatte; wallfahrte ich Hand in Hand mit<lb/>
meiner Mutter zum Mau&#x017F;oleum (oder nach<lb/>
einer ehrlichen deut&#x017F;chen Ueber&#x017F;etzung) in die<lb/>
Spei&#x017F;ekammer. Es hing der Tag un&#x017F;ers<lb/>
Eyerheiligen von der Angabe meines Magens<lb/>
ab, und war &#x017F;o oft mir außer der Mahlzeit<lb/>
hungerte. Je nachdem ich Appetit hatte;<lb/>
ward auch die Feyerlichkeit zur Ehre eines<lb/>
Mannes zuge&#x017F;chnitten, der nach der Bemer-<lb/>
kung meiner Mutter, die &#x017F;ie mehr als ein-<lb/>
mal anbrachte, &#x201E;&#x017F;o wie die Speck&#x017F;eiten und<lb/>
&#x201E;Wu&#x0364;r&#x017F;te &#x017F;eine Nachbaren, gekommen wa&#x0364;re<lb/>
&#x201E;aus der Rauchkammer die&#x017F;es Lebens&#x201E; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Zur Steuer der Wahrheit &#x017F;teh es hier<lb/>
wie eine Ehren&#x017F;a&#x0364;ule, daß meine Mutter wi-<lb/>
der die Gewohnheit aller Weiber nicht geitzig<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">war</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0062] Dem Mann ein Ey dem frommen Schweppermann zwey weil Schweppermann nicht Superintendent in Curland ſondern ein Ritter keck und feſt der zu Gnadersdorf im Streit that das Beſt geweſen; ſo bekam der Vorſchlag meiner Mutter eine andere Wendung. Der be- ſtimmte heilige Tag fiel aus, allein nicht zu meinem Nachtheil denn wenn ich nach der Zeit ein Stuͤck Geraͤuchertes zu erndten Luſt hatte; wallfahrte ich Hand in Hand mit meiner Mutter zum Mauſoleum (oder nach einer ehrlichen deutſchen Ueberſetzung) in die Speiſekammer. Es hing der Tag unſers Eyerheiligen von der Angabe meines Magens ab, und war ſo oft mir außer der Mahlzeit hungerte. Je nachdem ich Appetit hatte; ward auch die Feyerlichkeit zur Ehre eines Mannes zugeſchnitten, der nach der Bemer- kung meiner Mutter, die ſie mehr als ein- mal anbrachte, „ſo wie die Speckſeiten und „Wuͤrſte ſeine Nachbaren, gekommen waͤre „aus der Rauchkammer dieſes Lebens„ — Zur Steuer der Wahrheit ſteh es hier wie eine Ehrenſaͤule, daß meine Mutter wi- der die Gewohnheit aller Weiber nicht geitzig war

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/62
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/62>, abgerufen am 12.10.2024.