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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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bald wir ruhig sind, so bald wir Zeit haben
sie anzuhören, so bald wir uns aufs Gras,
ihren Lehnstuhl, setzen. Alles verstummet
und empfindet. Gott! warum fallen wir
der Natur so offt unzeitig ins Wort! --
Für uns, den jungen Herrn v. G -- und mich,
war kein Raum in diesem Naturaudienzzim-
mer. Herr v. G -- der jüngere gieng zur
gnädigen Mutter, ich einen grünen finstern
Gang -- was ich hörte (ich konnte nicht be-
merkt werden) will ich aufschreiben.
Frau v. Und das Geld?
Kleine. Verschenckt, gnädige Mutter.
Frau v. Wem?
Kleine. Einem bösen bösen Jungen.
Frau v. Damit er gut würde?
Kleine. Ja, gnädige Mutter! damit er
gut würde, er hatte dem lieben Gott einen
Vogel weggestohlen, den bot er mir zum
Kauf an. Der Vogel schrie zum lieben
Gott (singen konnt' er nicht mehr) sehr ängst-
lich, und der Jung hielt ihn in der Hand,
und wollt ihn nicht gen Himmel schreyen
laßen. Der Jung muß sich wol gefürchtet
haben, daß der liebe Gott schelten würde.
Es bezog sich, wo er stand, als wären es
Gewitterwolcken.

Frau v.
F f 3
bald wir ruhig ſind, ſo bald wir Zeit haben
ſie anzuhoͤren, ſo bald wir uns aufs Gras,
ihren Lehnſtuhl, ſetzen. Alles verſtummet
und empfindet. Gott! warum fallen wir
der Natur ſo offt unzeitig ins Wort! —
Fuͤr uns, den jungen Herrn v. G — und mich,
war kein Raum in dieſem Naturaudienzzim-
mer. Herr v. G — der juͤngere gieng zur
gnaͤdigen Mutter, ich einen gruͤnen finſtern
Gang — was ich hoͤrte (ich konnte nicht be-
merkt werden) will ich aufſchreiben.
Frau v. Und das Geld?
Kleine. Verſchenckt, gnaͤdige Mutter.
Frau v. Wem?
Kleine. Einem boͤſen boͤſen Jungen.
Frau v. Damit er gut wuͤrde?
Kleine. Ja, gnaͤdige Mutter! damit er
gut wuͤrde, er hatte dem lieben Gott einen
Vogel weggeſtohlen, den bot er mir zum
Kauf an. Der Vogel ſchrie zum lieben
Gott (ſingen konnt’ er nicht mehr) ſehr aͤngſt-
lich, und der Jung hielt ihn in der Hand,
und wollt ihn nicht gen Himmel ſchreyen
laßen. Der Jung muß ſich wol gefuͤrchtet
haben, daß der liebe Gott ſchelten wuͤrde.
Es bezog ſich, wo er ſtand, als waͤren es
Gewitterwolcken.

Frau v.
F f 3
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[451/0463] bald wir ruhig ſind, ſo bald wir Zeit haben ſie anzuhoͤren, ſo bald wir uns aufs Gras, ihren Lehnſtuhl, ſetzen. Alles verſtummet und empfindet. Gott! warum fallen wir der Natur ſo offt unzeitig ins Wort! — Fuͤr uns, den jungen Herrn v. G — und mich, war kein Raum in dieſem Naturaudienzzim- mer. Herr v. G — der juͤngere gieng zur gnaͤdigen Mutter, ich einen gruͤnen finſtern Gang — was ich hoͤrte (ich konnte nicht be- merkt werden) will ich aufſchreiben. Frau v. Und das Geld? Kleine. Verſchenckt, gnaͤdige Mutter. Frau v. Wem? Kleine. Einem boͤſen boͤſen Jungen. Frau v. Damit er gut wuͤrde? Kleine. Ja, gnaͤdige Mutter! damit er gut wuͤrde, er hatte dem lieben Gott einen Vogel weggeſtohlen, den bot er mir zum Kauf an. Der Vogel ſchrie zum lieben Gott (ſingen konnt’ er nicht mehr) ſehr aͤngſt- lich, und der Jung hielt ihn in der Hand, und wollt ihn nicht gen Himmel ſchreyen laßen. Der Jung muß ſich wol gefuͤrchtet haben, daß der liebe Gott ſchelten wuͤrde. Es bezog ſich, wo er ſtand, als waͤren es Gewitterwolcken. Frau v. F f 3

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/463>, abgerufen am 22.11.2024.