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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Ich. Schreck, sagt er, ist die Vorbereitung.
das Präludium zu allen heftigen Affecten, und
das ist wahr. Hast du dich je recht sehr über
eine Sache erfreut, ohne daß du vorher erschüt-
tert warst? Alle heftige Leidenschaften sind
wie ein kaltes Fieber, Frost, Kälte, dann Hitze.
Der jüngere Herr v. G. Du hast es beßer
behalten, wie ich.
Ich. Er führte Beyspiele an, daß Leute
vor Freuden gestorben wären, und daß kein
großes Loos in der Lotterie, ohne den Ge-
winner auf eine kleine Zeit zurückzusetzen,
von je her gewonnen sey. Der Mensch,
sagt er, traut sich nicht recht die Freude in
dieser Welt zu. Er besinnt sich erst, ob er
ihr sein Herz öfnen, ob er sich freuen könne.
Er läßt sie von hinten und verstohlen ein.
Seine Freude scheint eine Entfernung des
Schmerzes, und wer läßt einen alten gu-
ten Freund ohne Bewegung von sich? --
Der jüngere Herr v. G. Du hast ein kö-
nigliches
Gedächtnis. --
Ich. Ein gemeines, aber vortrefliches
Beywort. --
Der jüngere Herr v. G. Es ist von meinem
Vater -- aber was dein Vater vom Ver-
gnügen und Schmerz anmerckte --

Ich.
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Ich. Schreck, ſagt er, iſt die Vorbereitung.
das Praͤludium zu allen heftigen Affecten, und
das iſt wahr. Haſt du dich je recht ſehr uͤber
eine Sache erfreut, ohne daß du vorher erſchuͤt-
tert warſt? Alle heftige Leidenſchaften ſind
wie ein kaltes Fieber, Froſt, Kaͤlte, dann Hitze.
Der juͤngere Herr v. G. Du haſt es beßer
behalten, wie ich.
Ich. Er fuͤhrte Beyſpiele an, daß Leute
vor Freuden geſtorben waͤren, und daß kein
großes Loos in der Lotterie, ohne den Ge-
winner auf eine kleine Zeit zuruͤckzuſetzen,
von je her gewonnen ſey. Der Menſch,
ſagt er, traut ſich nicht recht die Freude in
dieſer Welt zu. Er beſinnt ſich erſt, ob er
ihr ſein Herz oͤfnen, ob er ſich freuen koͤnne.
Er laͤßt ſie von hinten und verſtohlen ein.
Seine Freude ſcheint eine Entfernung des
Schmerzes, und wer laͤßt einen alten gu-
ten Freund ohne Bewegung von ſich? —
Der juͤngere Herr v. G. Du haſt ein koͤ-
nigliches
Gedaͤchtnis. —
Ich. Ein gemeines, aber vortrefliches
Beywort. —
Der juͤngere Herr v. G. Es iſt von meinem
Vater — aber was dein Vater vom Ver-
gnuͤgen und Schmerz anmerckte —

Ich.
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[449/0461] Ich. Schreck, ſagt er, iſt die Vorbereitung. das Praͤludium zu allen heftigen Affecten, und das iſt wahr. Haſt du dich je recht ſehr uͤber eine Sache erfreut, ohne daß du vorher erſchuͤt- tert warſt? Alle heftige Leidenſchaften ſind wie ein kaltes Fieber, Froſt, Kaͤlte, dann Hitze. Der juͤngere Herr v. G. Du haſt es beßer behalten, wie ich. Ich. Er fuͤhrte Beyſpiele an, daß Leute vor Freuden geſtorben waͤren, und daß kein großes Loos in der Lotterie, ohne den Ge- winner auf eine kleine Zeit zuruͤckzuſetzen, von je her gewonnen ſey. Der Menſch, ſagt er, traut ſich nicht recht die Freude in dieſer Welt zu. Er beſinnt ſich erſt, ob er ihr ſein Herz oͤfnen, ob er ſich freuen koͤnne. Er laͤßt ſie von hinten und verſtohlen ein. Seine Freude ſcheint eine Entfernung des Schmerzes, und wer laͤßt einen alten gu- ten Freund ohne Bewegung von ſich? — Der juͤngere Herr v. G. Du haſt ein koͤ- nigliches Gedaͤchtnis. — Ich. Ein gemeines, aber vortrefliches Beywort. — Der juͤngere Herr v. G. Es iſt von meinem Vater — aber was dein Vater vom Ver- gnuͤgen und Schmerz anmerckte — Ich. F f 2

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/461>, abgerufen am 28.09.2024.