Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778. Herr v. G. Das läßt sich hören. Sonst war der rechte Herrmann ein frommer stiller Mann, aber der alte Herr ist ein gebohr- ner Hofschranze von Kindesbeinen an ge- wesen. Herrmann. Ich bitte unterthänigst um Vergebung, ich habe oft zu sehr die Wahr- heit geliebt, ich habe sogar die Ehre gehabt, Märtyrer der Wahrheit zu werden. Herr v. G. Hier! Herr Herrmann, hier ist Pulver auf die Pfanne -- ich weiß, Sie mußten zum Beyspiele drey Tage und drey Nächte wachen. Herrmann. Der reinen Wahrheit wegen. Ew. Hochwohlgebohrnen haben die Gnade, mich recht zu gelegener Zeit daran zu erin- nern, oder wie Sie es zu nennen geruhen, mir Pulver auf die Pfanne zu reichen. Ich setzte dem Herrn v. -- eine Grabschrift: Hier schläft ein Mann, der nie gewacht hat; höchstens that er, als wacht er. Ge- nau genommen, sprach er im Traum. Wanderer, bete für ihn, sonst verschläft er den jüngsten Tag. Herr v. G. Wahr, allein warum wahr? weil der Todtfeind des Herrn v. -- dem Grabschriftsteller wohlthat. Wie oft, lieber alter
Herr v. G. Das laͤßt ſich hoͤren. Sonſt war der rechte Herrmann ein frommer ſtiller Mann, aber der alte Herr iſt ein gebohr- ner Hofſchranze von Kindesbeinen an ge- weſen. Herrmann. Ich bitte unterthaͤnigſt um Vergebung, ich habe oft zu ſehr die Wahr- heit geliebt, ich habe ſogar die Ehre gehabt, Maͤrtyrer der Wahrheit zu werden. Herr v. G. Hier! Herr Herrmann, hier iſt Pulver auf die Pfanne — ich weiß, Sie mußten zum Beyſpiele drey Tage und drey Naͤchte wachen. Herrmann. Der reinen Wahrheit wegen. Ew. Hochwohlgebohrnen haben die Gnade, mich recht zu gelegener Zeit daran zu erin- nern, oder wie Sie es zu nennen geruhen, mir Pulver auf die Pfanne zu reichen. Ich ſetzte dem Herrn v. — eine Grabſchrift: Hier ſchlaͤft ein Mann, der nie gewacht hat; hoͤchſtens that er, als wacht er. Ge- nau genommen, ſprach er im Traum. Wanderer, bete fuͤr ihn, ſonſt verſchlaͤft er den juͤngſten Tag. Herr v. G. Wahr, allein warum wahr? weil der Todtfeind des Herrn v. — dem Grabſchriftſteller wohlthat. Wie oft, lieber alter
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war der rechte Herrmann ein frommer ſtiller
Mann, aber der alte Herr iſt ein gebohr-
ner Hofſchranze von Kindesbeinen an ge-
weſen.
Herrmann. Ich bitte unterthaͤnigſt um
Vergebung, ich habe oft zu ſehr die Wahr-
heit geliebt, ich habe ſogar die Ehre gehabt,
Maͤrtyrer der Wahrheit zu werden.
Herr v. G. Hier! Herr Herrmann, hier
iſt Pulver auf die Pfanne — ich weiß, Sie
mußten zum Beyſpiele drey Tage und drey
Naͤchte wachen.
Herrmann. Der reinen Wahrheit wegen.
Ew. Hochwohlgebohrnen haben die Gnade,
mich recht zu gelegener Zeit daran zu erin-
nern, oder wie Sie es zu nennen geruhen,
mir Pulver auf die Pfanne zu reichen. Ich
ſetzte dem Herrn v. — eine Grabſchrift:
Hier ſchlaͤft ein Mann, der nie gewacht
hat; hoͤchſtens that er, als wacht er. Ge-
nau genommen, ſprach er im Traum.
Wanderer, bete fuͤr ihn, ſonſt verſchlaͤft
er den juͤngſten Tag.
Herr v. G. Wahr, allein warum wahr?
weil der Todtfeind des Herrn v. — dem
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alter
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