Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
Vater. Jammer und Schade, daß wir
gleicher Meinung sind, denn sonst würd es
doch noch was zu lachen geben. Ueber
Wahrheiten muß man mit frölichem Munde,
mit dem Munde der Wahrheit, streiten. Alle
Menschen, wenn sie sich mahlen laßen, sehen
freundlich aus, zum Beweise, daß dies die
beste Miene sey. Einem von Leidenschaften
gefeßelten Menschen vorpredigen, heißt:
einen Galeerensclaven Glück greifen laßen.
Ich haße einen tapfern offenen Feind, ich
verachte was an sich keinen Werth hat. Die
Art, Laster verachtungswerth vorzustellen,
ist die beste. Wer es haßenswerth macht,
thut oft der Menschheit Schaden, und zieht
Menschenfeinde. Der Mensch ist durch Hang
zum Scherz gebohren. Er hat viele, viele
Thorheiten; allein die größte ist, wenn er
sie zu wichtigen Dingen macht.
Herr v. G. Es stehet nicht geschrieben,
daß Christus gelacht habe; allein er nannte
den Herodes einen Fuchs, und das setzt ein
Lächeln zum voraus. Die Schrifft spricht:
der Herr lacht ihrer, ich glaube gar, Pa-
stor! es wäre nicht übel, auf der Kanzel
selbstso ein Fuchswörtchen zu verlieren. --

Vater.
Vater. Jammer und Schade, daß wir
gleicher Meinung ſind, denn ſonſt wuͤrd es
doch noch was zu lachen geben. Ueber
Wahrheiten muß man mit froͤlichem Munde,
mit dem Munde der Wahrheit, ſtreiten. Alle
Menſchen, wenn ſie ſich mahlen laßen, ſehen
freundlich aus, zum Beweiſe, daß dies die
beſte Miene ſey. Einem von Leidenſchaften
gefeßelten Menſchen vorpredigen, heißt:
einen Galeerenſclaven Gluͤck greifen laßen.
Ich haße einen tapfern offenen Feind, ich
verachte was an ſich keinen Werth hat. Die
Art, Laſter verachtungswerth vorzuſtellen,
iſt die beſte. Wer es haßenswerth macht,
thut oft der Menſchheit Schaden, und zieht
Menſchenfeinde. Der Menſch iſt durch Hang
zum Scherz gebohren. Er hat viele, viele
Thorheiten; allein die groͤßte iſt, wenn er
ſie zu wichtigen Dingen macht.
Herr v. G. Es ſtehet nicht geſchrieben,
daß Chriſtus gelacht habe; allein er nannte
den Herodes einen Fuchs, und das ſetzt ein
Laͤcheln zum voraus. Die Schrifft ſpricht:
der Herr lacht ihrer, ich glaube gar, Pa-
ſtor! es waͤre nicht uͤbel, auf der Kanzel
ſelbſtſo ein Fuchswoͤrtchen zu verlieren. —

Vater.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0416" n="404"/>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#fr">Vater.</hi> </speaker>
            <p>Jammer und Schade, daß wir<lb/>
gleicher Meinung &#x017F;ind, denn &#x017F;on&#x017F;t wu&#x0364;rd es<lb/>
doch noch was zu lachen geben. Ueber<lb/>
Wahrheiten muß man mit fro&#x0364;lichem Munde,<lb/>
mit dem Munde der Wahrheit, &#x017F;treiten. Alle<lb/>
Men&#x017F;chen, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich mahlen laßen, &#x017F;ehen<lb/>
freundlich aus, zum Bewei&#x017F;e, daß dies die<lb/>
be&#x017F;te Miene &#x017F;ey. Einem von Leiden&#x017F;chaften<lb/>
gefeßelten Men&#x017F;chen vorpredigen, heißt:<lb/>
einen Galeeren&#x017F;claven Glu&#x0364;ck greifen laßen.<lb/>
Ich haße einen tapfern offenen Feind, ich<lb/>
verachte was an &#x017F;ich keinen Werth hat. Die<lb/>
Art, La&#x017F;ter verachtungswerth vorzu&#x017F;tellen,<lb/>
i&#x017F;t die be&#x017F;te. Wer es haßenswerth macht,<lb/>
thut oft der Men&#x017F;chheit Schaden, und zieht<lb/>
Men&#x017F;chenfeinde. Der Men&#x017F;ch i&#x017F;t durch Hang<lb/>
zum Scherz gebohren. Er hat viele, viele<lb/>
Thorheiten; allein die gro&#x0364;ßte i&#x017F;t, wenn er<lb/>
&#x017F;ie zu wichtigen Dingen macht.</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#fr">Herr v. G.</hi> </speaker>
            <p>Es &#x017F;tehet nicht ge&#x017F;chrieben,<lb/>
daß Chri&#x017F;tus gelacht habe; allein er nannte<lb/>
den Herodes einen Fuchs, und das &#x017F;etzt ein<lb/>
La&#x0364;cheln zum voraus. Die Schrifft &#x017F;pricht:<lb/>
der Herr lacht ihrer, ich glaube gar, Pa-<lb/>
&#x017F;tor! es wa&#x0364;re nicht u&#x0364;bel, auf der Kanzel<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;o ein <hi rendition="#fr">Fuchswo&#x0364;rtchen</hi> zu verlieren. &#x2014;</p>
          </sp><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Vater.</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[404/0416] Vater. Jammer und Schade, daß wir gleicher Meinung ſind, denn ſonſt wuͤrd es doch noch was zu lachen geben. Ueber Wahrheiten muß man mit froͤlichem Munde, mit dem Munde der Wahrheit, ſtreiten. Alle Menſchen, wenn ſie ſich mahlen laßen, ſehen freundlich aus, zum Beweiſe, daß dies die beſte Miene ſey. Einem von Leidenſchaften gefeßelten Menſchen vorpredigen, heißt: einen Galeerenſclaven Gluͤck greifen laßen. Ich haße einen tapfern offenen Feind, ich verachte was an ſich keinen Werth hat. Die Art, Laſter verachtungswerth vorzuſtellen, iſt die beſte. Wer es haßenswerth macht, thut oft der Menſchheit Schaden, und zieht Menſchenfeinde. Der Menſch iſt durch Hang zum Scherz gebohren. Er hat viele, viele Thorheiten; allein die groͤßte iſt, wenn er ſie zu wichtigen Dingen macht. Herr v. G. Es ſtehet nicht geſchrieben, daß Chriſtus gelacht habe; allein er nannte den Herodes einen Fuchs, und das ſetzt ein Laͤcheln zum voraus. Die Schrifft ſpricht: der Herr lacht ihrer, ich glaube gar, Pa- ſtor! es waͤre nicht uͤbel, auf der Kanzel ſelbſtſo ein Fuchswoͤrtchen zu verlieren. — Vater.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/416
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/416>, abgerufen am 01.09.2024.