Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
Herr v. G. Ich verstehe so halb und halb,
um es ganz und gar, durch und durch, oder
das Netto provenu zu verstehen, würd ich
ohne Kopfschmerz nicht abkommen. In der
besten Welt, der besten Welt wegen Kopf-
weh, das würd ich der besten Welt, und
die beste Welt es mir übel nehmen, ich
könnte schon was drüber reden: schreiben
aber nicht -- das ist in meiner Sprache,
zwar losschießen, nicht aber gut treffen.
Nach meiner Art denck ich, und mich dünckt,
ich faße die Sache wie den Stock, das ist,
beym Knopf. Gott ist das gütigste, das
weiseste Wesen, und kann also nicht werden
heißen, was diesen Eigenschaften nicht ähn-
lich ist. Ueber die Möglichkeit und Unmög-
lichkeit, denck ich, ist keine Frage, denn die
Welt ist da -- ich sehe Sonne, Mond und
Sterne, Fisch im Meer, Vögel in der Luft,
und den Menschen. --
Vater. Recht! gantz recht! Sie faßen
die Sache beym rechten Ende, und ich --
ich weiß selbst nicht wo. Sie reden von der
Leber, und ich plaudre aus der Schule. Wi-
der Sie ist kein Zweifel, wider mich aber
noch ein Berg. -- Ein Philosoph des Alter-
thums meinte, ehe die Leiber waren, existir-
ten
Herr v. G. Ich verſtehe ſo halb und halb,
um es ganz und gar, durch und durch, oder
das Netto provenu zu verſtehen, wuͤrd ich
ohne Kopfſchmerz nicht abkommen. In der
beſten Welt, der beſten Welt wegen Kopf-
weh, das wuͤrd ich der beſten Welt, und
die beſte Welt es mir uͤbel nehmen, ich
koͤnnte ſchon was druͤber reden: ſchreiben
aber nicht — das iſt in meiner Sprache,
zwar losſchießen, nicht aber gut treffen.
Nach meiner Art denck ich, und mich duͤnckt,
ich faße die Sache wie den Stock, das iſt,
beym Knopf. Gott iſt das guͤtigſte, das
weiſeſte Weſen, und kann alſo nicht werden
heißen, was dieſen Eigenſchaften nicht aͤhn-
lich iſt. Ueber die Moͤglichkeit und Unmoͤg-
lichkeit, denck ich, iſt keine Frage, denn die
Welt iſt da — ich ſehe Sonne, Mond und
Sterne, Fiſch im Meer, Voͤgel in der Luft,
und den Menſchen. —
Vater. Recht! gantz recht! Sie faßen
die Sache beym rechten Ende, und ich —
ich weiß ſelbſt nicht wo. Sie reden von der
Leber, und ich plaudre aus der Schule. Wi-
der Sie iſt kein Zweifel, wider mich aber
noch ein Berg. — Ein Philoſoph des Alter-
thums meinte, ehe die Leiber waren, exiſtir-
ten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0406" n="394"/>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#fr">Herr v. G.</hi> </speaker>
            <p>Ich ver&#x017F;tehe &#x017F;o halb und halb,<lb/>
um es ganz und gar, durch und durch, oder<lb/>
das <hi rendition="#fr">Netto provenu</hi> zu ver&#x017F;tehen, wu&#x0364;rd ich<lb/>
ohne Kopf&#x017F;chmerz nicht abkommen. In der<lb/>
be&#x017F;ten Welt, der be&#x017F;ten Welt wegen Kopf-<lb/>
weh, das wu&#x0364;rd ich der be&#x017F;ten Welt, und<lb/>
die be&#x017F;te Welt es mir u&#x0364;bel nehmen, ich<lb/>
ko&#x0364;nnte &#x017F;chon was dru&#x0364;ber reden: &#x017F;chreiben<lb/>
aber nicht &#x2014; das i&#x017F;t in meiner Sprache,<lb/>
zwar los&#x017F;chießen, nicht aber gut treffen.<lb/>
Nach meiner Art denck ich, und mich du&#x0364;nckt,<lb/>
ich faße die Sache wie den Stock, das i&#x017F;t,<lb/>
beym Knopf. Gott i&#x017F;t das gu&#x0364;tig&#x017F;te, das<lb/>
wei&#x017F;e&#x017F;te We&#x017F;en, und kann al&#x017F;o nicht werden<lb/>
heißen, was die&#x017F;en Eigen&#x017F;chaften nicht a&#x0364;hn-<lb/>
lich i&#x017F;t. Ueber die Mo&#x0364;glichkeit und Unmo&#x0364;g-<lb/>
lichkeit, denck ich, i&#x017F;t keine Frage, denn die<lb/>
Welt i&#x017F;t da &#x2014; ich &#x017F;ehe Sonne, Mond und<lb/>
Sterne, Fi&#x017F;ch im Meer, Vo&#x0364;gel in der Luft,<lb/>
und den Men&#x017F;chen. &#x2014;</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#fr">Vater.</hi> </speaker>
            <p>Recht! gantz recht! Sie faßen<lb/>
die Sache beym rechten Ende, und ich &#x2014;<lb/>
ich weiß &#x017F;elb&#x017F;t nicht wo. Sie reden von der<lb/>
Leber, und ich plaudre aus der Schule. Wi-<lb/>
der Sie i&#x017F;t kein Zweifel, wider mich aber<lb/>
noch ein Berg. &#x2014; Ein Philo&#x017F;oph des Alter-<lb/>
thums meinte, ehe die Leiber waren, exi&#x017F;tir-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ten</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[394/0406] Herr v. G. Ich verſtehe ſo halb und halb, um es ganz und gar, durch und durch, oder das Netto provenu zu verſtehen, wuͤrd ich ohne Kopfſchmerz nicht abkommen. In der beſten Welt, der beſten Welt wegen Kopf- weh, das wuͤrd ich der beſten Welt, und die beſte Welt es mir uͤbel nehmen, ich koͤnnte ſchon was druͤber reden: ſchreiben aber nicht — das iſt in meiner Sprache, zwar losſchießen, nicht aber gut treffen. Nach meiner Art denck ich, und mich duͤnckt, ich faße die Sache wie den Stock, das iſt, beym Knopf. Gott iſt das guͤtigſte, das weiſeſte Weſen, und kann alſo nicht werden heißen, was dieſen Eigenſchaften nicht aͤhn- lich iſt. Ueber die Moͤglichkeit und Unmoͤg- lichkeit, denck ich, iſt keine Frage, denn die Welt iſt da — ich ſehe Sonne, Mond und Sterne, Fiſch im Meer, Voͤgel in der Luft, und den Menſchen. — Vater. Recht! gantz recht! Sie faßen die Sache beym rechten Ende, und ich — ich weiß ſelbſt nicht wo. Sie reden von der Leber, und ich plaudre aus der Schule. Wi- der Sie iſt kein Zweifel, wider mich aber noch ein Berg. — Ein Philoſoph des Alter- thums meinte, ehe die Leiber waren, exiſtir- ten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/406
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/406>, abgerufen am 02.06.2024.