Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.
Leibnitz hat keiner Dame den Finger ver- brant, sagten Sie, und ich sage, er selbst hat sich auch nicht die Finger verbrannt. -- Ich wünschte von Herzensgrund, die Welt wäre die beste! Zu sehen ists nicht, Vater. Mit dem sterblichen Auge nicht, wohl aber mit dem unsterblichen. Leibnitz hat mit diesem Gedanken kein Licht anzünden wollen; er hat nur ein schon brennendes ge- schneutzt, oder höchstens ihm den Räuber genommen. Es brannte dieses Licht im Au- ditorio, wo vom Ursprunge des Bösen dis- putirt wurde, und dies Zimmer wollte er helle machen. Mit diesem Schuß mußt er das Ziel erreichen. Die Sache also war da, er wandte sie nur an. Das Kleid war fer- tig, er setzte nur Knöpfe drauf, und zwar Knöpfe mit Gold besponnen. -- Herr v. G. Aber konnte Gott nicht ma- chen, was er wollte? Vater. Warum sollt er aber wollen, das Schlechtere dem Beßern vorziehen? So will kein lieber Gott. Es ist gewiß, daß der liebe Gott in seinem Verstande sich Riße von allen möglichen Welten machen könne: denn sonst würd man seine Erkänntniß verschrän- cken. -- Herr v. G.
Leibnitz hat keiner Dame den Finger ver- brant, ſagten Sie, und ich ſage, er ſelbſt hat ſich auch nicht die Finger verbrannt. — Ich wuͤnſchte von Herzensgrund, die Welt waͤre die beſte! Zu ſehen iſts nicht, Vater. Mit dem ſterblichen Auge nicht, wohl aber mit dem unſterblichen. Leibnitz hat mit dieſem Gedanken kein Licht anzuͤnden wollen; er hat nur ein ſchon brennendes ge- ſchneutzt, oder hoͤchſtens ihm den Raͤuber genommen. Es brannte dieſes Licht im Au- ditorio, wo vom Urſprunge des Boͤſen diſ- putirt wurde, und dies Zimmer wollte er helle machen. Mit dieſem Schuß mußt er das Ziel erreichen. Die Sache alſo war da, er wandte ſie nur an. Das Kleid war fer- tig, er ſetzte nur Knoͤpfe drauf, und zwar Knoͤpfe mit Gold beſponnen. — Herr v. G. Aber konnte Gott nicht ma- chen, was er wollte? Vater. Warum ſollt er aber wollen, das Schlechtere dem Beßern vorziehen? So will kein lieber Gott. Es iſt gewiß, daß der liebe Gott in ſeinem Verſtande ſich Riße von allen moͤglichen Welten machen koͤnne: denn ſonſt wuͤrd man ſeine Erkaͤnntniß verſchraͤn- cken. — Herr v. G.
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Leibnitz hat keiner Dame den Finger ver-
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hat ſich auch nicht die Finger verbrannt. —
Ich wuͤnſchte von Herzensgrund, die Welt
waͤre die beſte! Zu ſehen iſts nicht,
Vater. Mit dem ſterblichen Auge nicht,
wohl aber mit dem unſterblichen. Leibnitz
hat mit dieſem Gedanken kein Licht anzuͤnden
wollen; er hat nur ein ſchon brennendes ge-
ſchneutzt, oder hoͤchſtens ihm den Raͤuber
genommen. Es brannte dieſes Licht im Au-
ditorio, wo vom Urſprunge des Boͤſen diſ-
putirt wurde, und dies Zimmer wollte er
helle machen. Mit dieſem Schuß mußt er
das Ziel erreichen. Die Sache alſo war da,
er wandte ſie nur an. Das Kleid war fer-
tig, er ſetzte nur Knoͤpfe drauf, und zwar
Knoͤpfe mit Gold beſponnen. —
Herr v. G. Aber konnte Gott nicht ma-
chen, was er wollte?
Vater. Warum ſollt er aber wollen, das
Schlechtere dem Beßern vorziehen? So will
kein lieber Gott. Es iſt gewiß, daß der
liebe Gott in ſeinem Verſtande ſich Riße von
allen moͤglichen Welten machen koͤnne: denn
ſonſt wuͤrd man ſeine Erkaͤnntniß verſchraͤn-
cken. —
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Zitationshilfe: | Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/402>, abgerufen am 26.06.2024. |