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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Herr v. G. Bey gelehrten Familien laß
ich den Nachruhm gelten.
Vater. Allein, in Wahrheit, er ist nicht
andenckenswerth. Die Historie wird mit der
Zeit ein Familienstück werden, und es wird
heißen: dort linker Hand wohnt die Historie
in sechs Häusern -- die gelehrte Familien
aber auf den Fuß, wie wir sie bis jetzt kennen --
vielleicht viel Vorruhm; allein desto weniger
Nachruhm. Die meisten Menschen halten
den Nachruhm für Nachhall; allein gefehlt!
sehr gefehlt! Aufrichtig, ich kenn bis jetzo
keinen stiftsfähigen Familiengelehrten. Der
Sohn lernt beym Vater das Handwerck aus,
und hat Vorzüge beym Meisterwerden. Der
Sohn behält des Vaters Leisten, und alles
ist nach väterlicher Weise -- Man nennt
dies Wißen: Familiengelehrsamkeit.
Herr v. G. Gelt! die ist nicht viel über
eine Elle beßer, als Familienwitz.
Vater. In die Länge oder Breite.
Herr v. G. Wie ist das?
Vater. Gelehrsamkeit halt ich breit, Witz
lang --
Herr v. G. Danck für gute Nachricht --
Vater. Witz erfindet, Urtheilskraft be-
handelt. Wer Witz hat, kauft den Acker.
Wer
Herr v. G. Bey gelehrten Familien laß
ich den Nachruhm gelten.
Vater. Allein, in Wahrheit, er iſt nicht
andenckenswerth. Die Hiſtorie wird mit der
Zeit ein Familienſtuͤck werden, und es wird
heißen: dort linker Hand wohnt die Hiſtorie
in ſechs Haͤuſern — die gelehrte Familien
aber auf den Fuß, wie wir ſie bis jetzt kennen —
vielleicht viel Vorruhm; allein deſto weniger
Nachruhm. Die meiſten Menſchen halten
den Nachruhm fuͤr Nachhall; allein gefehlt!
ſehr gefehlt! Aufrichtig, ich kenn bis jetzo
keinen ſtiftsfaͤhigen Familiengelehrten. Der
Sohn lernt beym Vater das Handwerck aus,
und hat Vorzuͤge beym Meiſterwerden. Der
Sohn behaͤlt des Vaters Leiſten, und alles
iſt nach vaͤterlicher Weiſe — Man nennt
dies Wißen: Familiengelehrſamkeit.
Herr v. G. Gelt! die iſt nicht viel uͤber
eine Elle beßer, als Familienwitz.
Vater. In die Laͤnge oder Breite.
Herr v. G. Wie iſt das?
Vater. Gelehrſamkeit halt ich breit, Witz
lang —
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[382/0394] Herr v. G. Bey gelehrten Familien laß ich den Nachruhm gelten. Vater. Allein, in Wahrheit, er iſt nicht andenckenswerth. Die Hiſtorie wird mit der Zeit ein Familienſtuͤck werden, und es wird heißen: dort linker Hand wohnt die Hiſtorie in ſechs Haͤuſern — die gelehrte Familien aber auf den Fuß, wie wir ſie bis jetzt kennen — vielleicht viel Vorruhm; allein deſto weniger Nachruhm. Die meiſten Menſchen halten den Nachruhm fuͤr Nachhall; allein gefehlt! ſehr gefehlt! Aufrichtig, ich kenn bis jetzo keinen ſtiftsfaͤhigen Familiengelehrten. Der Sohn lernt beym Vater das Handwerck aus, und hat Vorzuͤge beym Meiſterwerden. Der Sohn behaͤlt des Vaters Leiſten, und alles iſt nach vaͤterlicher Weiſe — Man nennt dies Wißen: Familiengelehrſamkeit. Herr v. G. Gelt! die iſt nicht viel uͤber eine Elle beßer, als Familienwitz. Vater. In die Laͤnge oder Breite. Herr v. G. Wie iſt das? Vater. Gelehrſamkeit halt ich breit, Witz lang — Herr v. G. Danck fuͤr gute Nachricht — Vater. Witz erfindet, Urtheilskraft be- handelt. Wer Witz hat, kauft den Acker. Wer

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/394>, abgerufen am 26.06.2024.