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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Ich. Ich wünscht', ich hätt das erste
Feu'r auf Erden gesehen.
Vater. Auch ich, ich denck das erste
Feuerlerm ist die Ursach, warum wir noch
immer ins Feuer sehen, wo wirs finden.
Wir feuren das Fest des ersten Feu'rs. Ca-
minfeuer verdirbt das Auge, sagt man, und
was thut denn der Rauch der Oefen? das
unwürdigste, was je die Menschen erdacht
haben, höchstens für schwangere Weiber gut.
Der Kreißstuhl steht am Ofen. Ich bin kein
Republikaner, allein ich bin ein Mensch.
Kein Mensch, der sich frey fühlt, solte ein-
heitzen, und sich die Haare stecken, oder sie
kleben. Wer nicht mit der Hand in die
Haare kann, und mit unverwandten Augen
ins Feu'r sieht, und sich Feu'r zu machen ver-
steht; ist wenigstens kein Engländer. Ich
bin für den monarchischen Staat, das weißt
du; allein auch da giebts Freiheit. Du
weißt die Fabel vom Prometheus? --
Ich. Dem Feu'rdieb, Ja!
Vater. Man läßt es nicht, ins Feuer zu
sehen, und wenn man mit seinen Augen
drüber einen Bund macht; so sieht man nicht,
man schielt, man stiehlt -- die Thiere selbst
machen große Augen und staunen das Feuer
an
Ich. Ich wuͤnſcht’, ich haͤtt das erſte
Feu’r auf Erden geſehen.
Vater. Auch ich, ich denck das erſte
Feuerlerm iſt die Urſach, warum wir noch
immer ins Feuer ſehen, wo wirs finden.
Wir feuren das Feſt des erſten Feu’rs. Ca-
minfeuer verdirbt das Auge, ſagt man, und
was thut denn der Rauch der Oefen? das
unwuͤrdigſte, was je die Menſchen erdacht
haben, hoͤchſtens fuͤr ſchwangere Weiber gut.
Der Kreißſtuhl ſteht am Ofen. Ich bin kein
Republikaner, allein ich bin ein Menſch.
Kein Menſch, der ſich frey fuͤhlt, ſolte ein-
heitzen, und ſich die Haare ſtecken, oder ſie
kleben. Wer nicht mit der Hand in die
Haare kann, und mit unverwandten Augen
ins Feu’r ſieht, und ſich Feu’r zu machen ver-
ſteht; iſt wenigſtens kein Englaͤnder. Ich
bin fuͤr den monarchiſchen Staat, das weißt
du; allein auch da giebts Freiheit. Du
weißt die Fabel vom Prometheus? —
Ich. Dem Feu’rdieb, Ja!
Vater. Man laͤßt es nicht, ins Feuer zu
ſehen, und wenn man mit ſeinen Augen
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machen große Augen und ſtaunen das Feuer
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[361/0373] Ich. Ich wuͤnſcht’, ich haͤtt das erſte Feu’r auf Erden geſehen. Vater. Auch ich, ich denck das erſte Feuerlerm iſt die Urſach, warum wir noch immer ins Feuer ſehen, wo wirs finden. Wir feuren das Feſt des erſten Feu’rs. Ca- minfeuer verdirbt das Auge, ſagt man, und was thut denn der Rauch der Oefen? das unwuͤrdigſte, was je die Menſchen erdacht haben, hoͤchſtens fuͤr ſchwangere Weiber gut. Der Kreißſtuhl ſteht am Ofen. Ich bin kein Republikaner, allein ich bin ein Menſch. Kein Menſch, der ſich frey fuͤhlt, ſolte ein- heitzen, und ſich die Haare ſtecken, oder ſie kleben. Wer nicht mit der Hand in die Haare kann, und mit unverwandten Augen ins Feu’r ſieht, und ſich Feu’r zu machen ver- ſteht; iſt wenigſtens kein Englaͤnder. Ich bin fuͤr den monarchiſchen Staat, das weißt du; allein auch da giebts Freiheit. Du weißt die Fabel vom Prometheus? — Ich. Dem Feu’rdieb, Ja! Vater. Man laͤßt es nicht, ins Feuer zu ſehen, und wenn man mit ſeinen Augen druͤber einen Bund macht; ſo ſieht man nicht, man ſchielt, man ſtiehlt — die Thiere ſelbſt machen große Augen und ſtaunen das Feuer an

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/373>, abgerufen am 27.11.2024.