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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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cken vergehen wie ein Licht, das hin und her
thut wancken, bis ihm die Flamm gebricht,
soll der Tod mir ein sanfter Schlaf seyn!
Amen, das heißt Ja, ja, es soll also geschehen!

Dies war ungefähr das Gefühl, auf
Worte herabgesetzt, das in mir brandte, da
diese Anrede von meiner Mutter zum ersten-
mal verlesen ward. Beym eigentlichen Ab-
schiede bezog sie sich auf diese schriftliche Haus-
tafel, wie sie's nandte. Diese Hand, sie gab
mir ihre Rechte, reich ich dir nicht wieder,
als in der Ewigkeit,
nicht mehr beym Ab-
schiede -- Dies ist der Abschied, mein Sohn,
das eigentliche Begräbnis. Wenn du würck-
lich von hinnen ziehest, wird nur das Para-
desarg beygesetzt -- --

Von Minchen nahm ich Abschied, wie
der Sommer vom Frühlinge; man merckt's
nicht. Zehnmal, dachten wir, es sey das lezte
Lebewohl; allein es kam noch ein Lebe-
wohl -- und denn noch eins, bis eins,
ohne daß wirs beide wußten, das allerletzte
war. Wir hatten schon vorhero verabredet,
daß nicht Sie an Ihn, sondern Er an Sie,
den ersten Brief schreiben solte. Dieser erste
Brief solte an den guten Benjamin, um aus

der

cken vergehen wie ein Licht, das hin und her
thut wancken, bis ihm die Flamm gebricht,
ſoll der Tod mir ein ſanfter Schlaf ſeyn!
Amen, das heißt Ja, ja, es ſoll alſo geſchehen!

Dies war ungefaͤhr das Gefuͤhl, auf
Worte herabgeſetzt, das in mir brandte, da
dieſe Anrede von meiner Mutter zum erſten-
mal verleſen ward. Beym eigentlichen Ab-
ſchiede bezog ſie ſich auf dieſe ſchriftliche Haus-
tafel, wie ſie’s nandte. Dieſe Hand, ſie gab
mir ihre Rechte, reich ich dir nicht wieder,
als in der Ewigkeit,
nicht mehr beym Ab-
ſchiede — Dies iſt der Abſchied, mein Sohn,
das eigentliche Begraͤbnis. Wenn du wuͤrck-
lich von hinnen zieheſt, wird nur das Para-
deſarg beygeſetzt — —

Von Minchen nahm ich Abſchied, wie
der Sommer vom Fruͤhlinge; man merckt’s
nicht. Zehnmal, dachten wir, es ſey das lezte
Lebewohl; allein es kam noch ein Lebe-
wohl — und denn noch eins, bis eins,
ohne daß wirs beide wußten, das allerletzte
war. Wir hatten ſchon vorhero verabredet,
daß nicht Sie an Ihn, ſondern Er an Sie,
den erſten Brief ſchreiben ſolte. Dieſer erſte
Brief ſolte an den guten Benjamin, um aus

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[347/0359] cken vergehen wie ein Licht, das hin und her thut wancken, bis ihm die Flamm gebricht, ſoll der Tod mir ein ſanfter Schlaf ſeyn! Amen, das heißt Ja, ja, es ſoll alſo geſchehen! Dies war ungefaͤhr das Gefuͤhl, auf Worte herabgeſetzt, das in mir brandte, da dieſe Anrede von meiner Mutter zum erſten- mal verleſen ward. Beym eigentlichen Ab- ſchiede bezog ſie ſich auf dieſe ſchriftliche Haus- tafel, wie ſie’s nandte. Dieſe Hand, ſie gab mir ihre Rechte, reich ich dir nicht wieder, als in der Ewigkeit, nicht mehr beym Ab- ſchiede — Dies iſt der Abſchied, mein Sohn, das eigentliche Begraͤbnis. Wenn du wuͤrck- lich von hinnen zieheſt, wird nur das Para- deſarg beygeſetzt — — Von Minchen nahm ich Abſchied, wie der Sommer vom Fruͤhlinge; man merckt’s nicht. Zehnmal, dachten wir, es ſey das lezte Lebewohl; allein es kam noch ein Lebe- wohl — und denn noch eins, bis eins, ohne daß wirs beide wußten, das allerletzte war. Wir hatten ſchon vorhero verabredet, daß nicht Sie an Ihn, ſondern Er an Sie, den erſten Brief ſchreiben ſolte. Dieſer erſte Brief ſolte an den guten Benjamin, um aus der

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/359>, abgerufen am 23.11.2024.