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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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mit Geschmack essen sieht, bekommt auch
Lust. Wilst du deine Gemeine zu Abtra-
gung der Calende bewegen, brauch Worte,
diese rühren plözlich. Wilst du sie in den
Himmel bringen, trag Sachen vor, diese
würcken langsam, aber sie bleiben. Eine gute
Predigt muß nicht zu breite Tressen haben,
das Tuch muß zu sehen seyn. Wer eine
gute Predigt drucken läßt, die er gehalten
hat, hat geschaffen und erhalten. Bestim-
me was deine Kinder werden sollen, und
wenns seyn kann, die Erstgeburt der Kirch!
Eltern, die ihren Kindern die Wahl laßen zu
bestimmen, was sie werden wollen, irren;
du wärst Alexander geworden, und jetzt gehst
du auf dem Wege zur Superintendatur.
Was süße schmeckt, hat einen üblen Nachge-
schmack, und schleimt oben ein. Was herb
zu Anfang ist, wird lieblich am Ende. Das
gilt von der Tugend und vom Rheinwein.
Pflanze nicht im Garten, eh dein Feld bestelt
ist, und mach dir keinen Schatten, bis du
ein zinsbares Capital hast. Beständige Ruhe-
ist keine Ruhe. Wenns geregnet hat, ist's in
freyer Luft am schönsten. Wenn der Regen
gerad herunter fält, ist er am fruchtbarsten.
Man könnte sagen, die Natur hab' eine gute

Geburt.

mit Geſchmack eſſen ſieht, bekommt auch
Luſt. Wilſt du deine Gemeine zu Abtra-
gung der Calende bewegen, brauch Worte,
dieſe ruͤhren ploͤzlich. Wilſt du ſie in den
Himmel bringen, trag Sachen vor, dieſe
wuͤrcken langſam, aber ſie bleiben. Eine gute
Predigt muß nicht zu breite Treſſen haben,
das Tuch muß zu ſehen ſeyn. Wer eine
gute Predigt drucken laͤßt, die er gehalten
hat, hat geſchaffen und erhalten. Beſtim-
me was deine Kinder werden ſollen, und
wenns ſeyn kann, die Erſtgeburt der Kirch!
Eltern, die ihren Kindern die Wahl laßen zu
beſtimmen, was ſie werden wollen, irren;
du waͤrſt Alexander geworden, und jetzt gehſt
du auf dem Wege zur Superintendatur.
Was ſuͤße ſchmeckt, hat einen uͤblen Nachge-
ſchmack, und ſchleimt oben ein. Was herb
zu Anfang iſt, wird lieblich am Ende. Das
gilt von der Tugend und vom Rheinwein.
Pflanze nicht im Garten, eh dein Feld beſtelt
iſt, und mach dir keinen Schatten, bis du
ein zinsbares Capital haſt. Beſtaͤndige Ruhe-
iſt keine Ruhe. Wenns geregnet hat, iſt’s in
freyer Luft am ſchoͤnſten. Wenn der Regen
gerad herunter faͤlt, iſt er am fruchtbarſten.
Man koͤnnte ſagen, die Natur hab’ eine gute

Geburt.
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[342/0354] mit Geſchmack eſſen ſieht, bekommt auch Luſt. Wilſt du deine Gemeine zu Abtra- gung der Calende bewegen, brauch Worte, dieſe ruͤhren ploͤzlich. Wilſt du ſie in den Himmel bringen, trag Sachen vor, dieſe wuͤrcken langſam, aber ſie bleiben. Eine gute Predigt muß nicht zu breite Treſſen haben, das Tuch muß zu ſehen ſeyn. Wer eine gute Predigt drucken laͤßt, die er gehalten hat, hat geſchaffen und erhalten. Beſtim- me was deine Kinder werden ſollen, und wenns ſeyn kann, die Erſtgeburt der Kirch! Eltern, die ihren Kindern die Wahl laßen zu beſtimmen, was ſie werden wollen, irren; du waͤrſt Alexander geworden, und jetzt gehſt du auf dem Wege zur Superintendatur. Was ſuͤße ſchmeckt, hat einen uͤblen Nachge- ſchmack, und ſchleimt oben ein. Was herb zu Anfang iſt, wird lieblich am Ende. Das gilt von der Tugend und vom Rheinwein. Pflanze nicht im Garten, eh dein Feld beſtelt iſt, und mach dir keinen Schatten, bis du ein zinsbares Capital haſt. Beſtaͤndige Ruhe- iſt keine Ruhe. Wenns geregnet hat, iſt’s in freyer Luft am ſchoͤnſten. Wenn der Regen gerad herunter faͤlt, iſt er am fruchtbarſten. Man koͤnnte ſagen, die Natur hab’ eine gute Geburt.

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/354>, abgerufen am 10.11.2024.