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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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de sterben. Nimm dir recht vor zu sterben,
so stirbst du am wenigsten und hältst beinahe
die Stunde. Stirb als hättest du deinen
Tod auswendig gelernt, und sieh nicht ins
Concept, stirb von ganzem Herzen; so stirbst
du den Tod der Gerechten, und deine Seele
ist in Gottes Hand, und keine Quaal rühret
sie an. Wer so stirbt, der stirbt wohl! Sieh
die du liebst zuweilen schlafen, damit du
nicht traurest um deinen Todten. Dencke
dir deinen ärgsten Feind im Himmel, damit
du ihm verzeihest. Wem es so und nicht
anders ist, ob sein Freund stirbt, und ob seine
Pfeife ausgehet, ist nicht werth, einen Freund,
wohl aber eine Pfeife zu haben. Diese Welt
ist nicht ein Clima für den Frommen. Gehts
ihm gut, so hört ers auf zu seyn; gehts ihm
übel, so ringt er sich die Hände wund. Ists
denn nichts.

Aller Engel Schaar,
und die lieben Seinen,
sprechen immerdar,
nirgend über Weinen,
ohn Gefahr und Pein,
und im Himmel seyn.

Dein Vater sagt: Stirb, als wenn du den
Tod observiren woltest; so stirbst du nicht,

son-

de ſterben. Nimm dir recht vor zu ſterben,
ſo ſtirbſt du am wenigſten und haͤltſt beinahe
die Stunde. Stirb als haͤtteſt du deinen
Tod auswendig gelernt, und ſieh nicht ins
Concept, ſtirb von ganzem Herzen; ſo ſtirbſt
du den Tod der Gerechten, und deine Seele
iſt in Gottes Hand, und keine Quaal ruͤhret
ſie an. Wer ſo ſtirbt, der ſtirbt wohl! Sieh
die du liebſt zuweilen ſchlafen, damit du
nicht traureſt um deinen Todten. Dencke
dir deinen aͤrgſten Feind im Himmel, damit
du ihm verzeiheſt. Wem es ſo und nicht
anders iſt, ob ſein Freund ſtirbt, und ob ſeine
Pfeife ausgehet, iſt nicht werth, einen Freund,
wohl aber eine Pfeife zu haben. Dieſe Welt
iſt nicht ein Clima fuͤr den Frommen. Gehts
ihm gut, ſo hoͤrt ers auf zu ſeyn; gehts ihm
uͤbel, ſo ringt er ſich die Haͤnde wund. Iſts
denn nichts.

Aller Engel Schaar,
und die lieben Seinen,
ſprechen immerdar,
nirgend uͤber Weinen,
ohn Gefahr und Pein,
und im Himmel ſeyn.

Dein Vater ſagt: Stirb, als wenn du den
Tod obſerviren wolteſt; ſo ſtirbſt du nicht,

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[340/0352] de ſterben. Nimm dir recht vor zu ſterben, ſo ſtirbſt du am wenigſten und haͤltſt beinahe die Stunde. Stirb als haͤtteſt du deinen Tod auswendig gelernt, und ſieh nicht ins Concept, ſtirb von ganzem Herzen; ſo ſtirbſt du den Tod der Gerechten, und deine Seele iſt in Gottes Hand, und keine Quaal ruͤhret ſie an. Wer ſo ſtirbt, der ſtirbt wohl! Sieh die du liebſt zuweilen ſchlafen, damit du nicht traureſt um deinen Todten. Dencke dir deinen aͤrgſten Feind im Himmel, damit du ihm verzeiheſt. Wem es ſo und nicht anders iſt, ob ſein Freund ſtirbt, und ob ſeine Pfeife ausgehet, iſt nicht werth, einen Freund, wohl aber eine Pfeife zu haben. Dieſe Welt iſt nicht ein Clima fuͤr den Frommen. Gehts ihm gut, ſo hoͤrt ers auf zu ſeyn; gehts ihm uͤbel, ſo ringt er ſich die Haͤnde wund. Iſts denn nichts. Aller Engel Schaar, und die lieben Seinen, ſprechen immerdar, nirgend uͤber Weinen, ohn Gefahr und Pein, und im Himmel ſeyn. Dein Vater ſagt: Stirb, als wenn du den Tod obſerviren wolteſt; ſo ſtirbſt du nicht, ſon-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/352>, abgerufen am 22.11.2024.