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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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zu mir, und bat mich dringend dieser Um-
stände unerachtet, alle nur mögliche Sorge
auf die hebräische Sprache zu verwenden,
welches ich ihr auch feierlich versicherte. Es
ist alle Vermuthung, daß dies die Sprache
der andern Welt ist, und dann darf ich mei-
nen Sprachmeister nicht weit suchen. Ich
war jetzt neugierig geworden, ihre Helden
Staats und Liebesgeschichte zum Ende zu hö-
ren, und hatte nicht Ursach hierum zu bitten.

Wir gingen ein Jeglicher seinen Weg
ins Bette; allein welche Vigilien für mich.
So wie das Bild der Sonne im Auge fort-
dauert, wenn man die Augen gleich zuschließt;
so sah ich auch was ich, um zu schlafen nicht
sehen solte. Eine arme Sündernacht war
diese Nacht --

In welcher Nacht ich lag so hart,
mit Finsterniß umfangen;
von all'n meinen Sünden geplaget ward,
die ich mein Tag begangen.

Gottlob, dacht' ich, die Sonne! allein sie war
mir nicht zum Glück aufgegangen.

Noch muß ich dir bey dieser erwünschten
Gelegenheit vertrauen, daß eben dieser Zeit-
punkt der war, da ich die geistlichen Lieder
als das probatste Mittel, mein aufgewiegel-

tes
S 2

zu mir, und bat mich dringend dieſer Um-
ſtaͤnde unerachtet, alle nur moͤgliche Sorge
auf die hebraͤiſche Sprache zu verwenden,
welches ich ihr auch feierlich verſicherte. Es
iſt alle Vermuthung, daß dies die Sprache
der andern Welt iſt, und dann darf ich mei-
nen Sprachmeiſter nicht weit ſuchen. Ich
war jetzt neugierig geworden, ihre Helden
Staats und Liebesgeſchichte zum Ende zu hoͤ-
ren, und hatte nicht Urſach hierum zu bitten.

Wir gingen ein Jeglicher ſeinen Weg
ins Bette; allein welche Vigilien fuͤr mich.
So wie das Bild der Sonne im Auge fort-
dauert, wenn man die Augen gleich zuſchließt;
ſo ſah ich auch was ich, um zu ſchlafen nicht
ſehen ſolte. Eine arme Suͤndernacht war
dieſe Nacht —

In welcher Nacht ich lag ſo hart,
mit Finſterniß umfangen;
von all’n meinen Suͤnden geplaget ward,
die ich mein Tag begangen.

Gottlob, dacht’ ich, die Sonne! allein ſie war
mir nicht zum Gluͤck aufgegangen.

Noch muß ich dir bey dieſer erwuͤnſchten
Gelegenheit vertrauen, daß eben dieſer Zeit-
punkt der war, da ich die geiſtlichen Lieder
als das probatſte Mittel, mein aufgewiegel-

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[273/0285] zu mir, und bat mich dringend dieſer Um- ſtaͤnde unerachtet, alle nur moͤgliche Sorge auf die hebraͤiſche Sprache zu verwenden, welches ich ihr auch feierlich verſicherte. Es iſt alle Vermuthung, daß dies die Sprache der andern Welt iſt, und dann darf ich mei- nen Sprachmeiſter nicht weit ſuchen. Ich war jetzt neugierig geworden, ihre Helden Staats und Liebesgeſchichte zum Ende zu hoͤ- ren, und hatte nicht Urſach hierum zu bitten. Wir gingen ein Jeglicher ſeinen Weg ins Bette; allein welche Vigilien fuͤr mich. So wie das Bild der Sonne im Auge fort- dauert, wenn man die Augen gleich zuſchließt; ſo ſah ich auch was ich, um zu ſchlafen nicht ſehen ſolte. Eine arme Suͤndernacht war dieſe Nacht — In welcher Nacht ich lag ſo hart, mit Finſterniß umfangen; von all’n meinen Suͤnden geplaget ward, die ich mein Tag begangen. Gottlob, dacht’ ich, die Sonne! allein ſie war mir nicht zum Gluͤck aufgegangen. Noch muß ich dir bey dieſer erwuͤnſchten Gelegenheit vertrauen, daß eben dieſer Zeit- punkt der war, da ich die geiſtlichen Lieder als das probatſte Mittel, mein aufgewiegel- tes S 2

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/285>, abgerufen am 02.06.2024.