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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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aus Frost seyn; denn es war Sommertag,
Die drey Aepfel- und der letzte Pflaumen-
baum haben sich nie wieder erhohlt, und den
Kukuk nicht mehr schreyen gehört; denn der
Garten war ohne Wintkenntnis angelegt, wie
dein lieber Grosvater zu sagen pflegte. Mei-
ne Mutter hatte noch nicht gebeten abzule-
gen, da er mit der Anwerbung um mich an-
fing -- "So viel Neigung als Dankbar-
keit" Gut, sagte meine Mutter, Herr Pa-
stor; allein, ehe man Ja sagt, muß man sich
bedenken. Beym Nein kann man eher fer-
tig werden. Sie sehen wie sehr ich zum Ja
mich neige. Sie verlangte zu wissen, und
das konnt' ich ihr nicht verdenken, wo er her
wäre? wer seine Eltern wären? Ob sie noch
am Leben? Ob er Geschwister hätte? und
auf tausend antwortete der Herr Bräuti-
gam nicht eins. Er liebte weder die selte-
nen noch gemeinen Fragen meiner Mutter,
und wollte nicht mit der Sprache heraus,
und da die Sache weiter getrieben wurde, er-
klärt' er mit Ja und Amen: eher unglücklich
zu seyn, und weder Theil noch Anfall auf mich
zu haben, als diesen Vorhang aufzuziehen.

Deine seelige Grosmutter war das im
ganzen Hause, was ich in der Küche bin,

und
R 4

aus Froſt ſeyn; denn es war Sommertag,
Die drey Aepfel- und der letzte Pflaumen-
baum haben ſich nie wieder erhohlt, und den
Kukuk nicht mehr ſchreyen gehoͤrt; denn der
Garten war ohne Wintkenntnis angelegt, wie
dein lieber Grosvater zu ſagen pflegte. Mei-
ne Mutter hatte noch nicht gebeten abzule-
gen, da er mit der Anwerbung um mich an-
fing — „So viel Neigung als Dankbar-
keit„ Gut, ſagte meine Mutter, Herr Pa-
ſtor; allein, ehe man Ja ſagt, muß man ſich
bedenken. Beym Nein kann man eher fer-
tig werden. Sie ſehen wie ſehr ich zum Ja
mich neige. Sie verlangte zu wiſſen, und
das konnt’ ich ihr nicht verdenken, wo er her
waͤre? wer ſeine Eltern waͤren? Ob ſie noch
am Leben? Ob er Geſchwiſter haͤtte? und
auf tauſend antwortete der Herr Braͤuti-
gam nicht eins. Er liebte weder die ſelte-
nen noch gemeinen Fragen meiner Mutter,
und wollte nicht mit der Sprache heraus,
und da die Sache weiter getrieben wurde, er-
klaͤrt’ er mit Ja und Amen: eher ungluͤcklich
zu ſeyn, und weder Theil noch Anfall auf mich
zu haben, als dieſen Vorhang aufzuziehen.

Deine ſeelige Grosmutter war das im
ganzen Hauſe, was ich in der Kuͤche bin,

und
R 4
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[261/0273] aus Froſt ſeyn; denn es war Sommertag, Die drey Aepfel- und der letzte Pflaumen- baum haben ſich nie wieder erhohlt, und den Kukuk nicht mehr ſchreyen gehoͤrt; denn der Garten war ohne Wintkenntnis angelegt, wie dein lieber Grosvater zu ſagen pflegte. Mei- ne Mutter hatte noch nicht gebeten abzule- gen, da er mit der Anwerbung um mich an- fing — „So viel Neigung als Dankbar- keit„ Gut, ſagte meine Mutter, Herr Pa- ſtor; allein, ehe man Ja ſagt, muß man ſich bedenken. Beym Nein kann man eher fer- tig werden. Sie ſehen wie ſehr ich zum Ja mich neige. Sie verlangte zu wiſſen, und das konnt’ ich ihr nicht verdenken, wo er her waͤre? wer ſeine Eltern waͤren? Ob ſie noch am Leben? Ob er Geſchwiſter haͤtte? und auf tauſend antwortete der Herr Braͤuti- gam nicht eins. Er liebte weder die ſelte- nen noch gemeinen Fragen meiner Mutter, und wollte nicht mit der Sprache heraus, und da die Sache weiter getrieben wurde, er- klaͤrt’ er mit Ja und Amen: eher ungluͤcklich zu ſeyn, und weder Theil noch Anfall auf mich zu haben, als dieſen Vorhang aufzuziehen. Deine ſeelige Grosmutter war das im ganzen Hauſe, was ich in der Kuͤche bin, und R 4

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/273>, abgerufen am 26.06.2024.