Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

blad zur Schürze! O Minchen! Minchen
welche eine Süßigkeit ist's dich zu lieben! Für
dein "Nein er ist auch nicht hier gewesen"
verdientest du schon den Lohn der Unschuld
und könnt' ich den Ton hinschreiben in dem
du dieses sagtest -- du verdientest bis ans
Ende der Welt gemahlt und gezeichnet zu
werden mit der Umschrift "Nein er ist auch
nicht hier gewesen"

Wenn ich diese Naturscene so wie sie
rings herum empfunden worden getroffen
hätte -- (Was kann aber der Vater dafür
wenn ihm sein Kind nicht ähnlich ist?) Cho-
dowiecki!
es wäre dir mit Minchen gegan-
gen wie Adam mit Eva. Adam sah sie --
Bein von seinem Bein, Fleisch von seinem
Fleisch -- sah sie wieder küßte sie und --
Du hättest diese Seite durch und durch ge-
hüpft sie gelesen und ihr Handgeld zur dop-
pelten Unsterblichkeit gegeben.

Minchen wie sie almählig gen Himmel
wächst -- nicht weil sie Gewitterwolken sa-
he, weil sie aus Furcht dem Himmel aus-
wich, weil sie Trost bei der Erde suchte, die
wenn der Vater im Himmel schilt wie eine
wahre Unser aller Mutter keinen Blick ver-

schmäht

blad zur Schuͤrze! O Minchen! Minchen
welche eine Suͤßigkeit iſt’s dich zu lieben! Fuͤr
dein „Nein er iſt auch nicht hier geweſen„
verdienteſt du ſchon den Lohn der Unſchuld
und koͤnnt’ ich den Ton hinſchreiben in dem
du dieſes ſagteſt — du verdienteſt bis ans
Ende der Welt gemahlt und gezeichnet zu
werden mit der Umſchrift „Nein er iſt auch
nicht hier geweſen„

Wenn ich dieſe Naturſcene ſo wie ſie
rings herum empfunden worden getroffen
haͤtte — (Was kann aber der Vater dafuͤr
wenn ihm ſein Kind nicht aͤhnlich iſt?) Cho-
dowiecki!
es waͤre dir mit Minchen gegan-
gen wie Adam mit Eva. Adam ſah ſie —
Bein von ſeinem Bein, Fleiſch von ſeinem
Fleiſch — ſah ſie wieder kuͤßte ſie und —
Du haͤtteſt dieſe Seite durch und durch ge-
huͤpft ſie geleſen und ihr Handgeld zur dop-
pelten Unſterblichkeit gegeben.

Minchen wie ſie almaͤhlig gen Himmel
waͤchſt — nicht weil ſie Gewitterwolken ſa-
he, weil ſie aus Furcht dem Himmel aus-
wich, weil ſie Troſt bei der Erde ſuchte, die
wenn der Vater im Himmel ſchilt wie eine
wahre Unſer aller Mutter keinen Blick ver-

ſchmaͤht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0226" n="216"/>
blad zur Schu&#x0364;rze! O Minchen! Minchen<lb/>
welche eine Su&#x0364;ßigkeit i&#x017F;t&#x2019;s dich zu lieben! Fu&#x0364;r<lb/>
dein &#x201E;Nein er i&#x017F;t auch nicht hier gewe&#x017F;en&#x201E;<lb/>
verdiente&#x017F;t du &#x017F;chon den Lohn der Un&#x017F;chuld<lb/>
und ko&#x0364;nnt&#x2019; ich den Ton hin&#x017F;chreiben in dem<lb/>
du die&#x017F;es &#x017F;agte&#x017F;t &#x2014; du verdiente&#x017F;t bis ans<lb/>
Ende der Welt gemahlt und gezeichnet zu<lb/>
werden mit der Um&#x017F;chrift &#x201E;Nein er i&#x017F;t auch<lb/>
nicht hier gewe&#x017F;en&#x201E;</p><lb/>
        <p>Wenn ich die&#x017F;e Natur&#x017F;cene &#x017F;o wie &#x017F;ie<lb/>
rings herum empfunden worden getroffen<lb/>
ha&#x0364;tte &#x2014; (Was kann aber der Vater dafu&#x0364;r<lb/>
wenn ihm &#x017F;ein Kind nicht a&#x0364;hnlich i&#x017F;t?) <hi rendition="#fr">Cho-<lb/>
dowiecki!</hi> es wa&#x0364;re dir mit Minchen gegan-<lb/>
gen wie Adam mit Eva. Adam &#x017F;ah &#x017F;ie &#x2014;<lb/>
Bein von &#x017F;einem Bein, Flei&#x017F;ch von &#x017F;einem<lb/>
Flei&#x017F;ch &#x2014; &#x017F;ah &#x017F;ie wieder ku&#x0364;ßte &#x017F;ie und &#x2014;<lb/>
Du ha&#x0364;tte&#x017F;t die&#x017F;e Seite durch und durch ge-<lb/>
hu&#x0364;pft &#x017F;ie gele&#x017F;en und ihr Handgeld zur dop-<lb/>
pelten Un&#x017F;terblichkeit gegeben.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Minchen</hi> wie &#x017F;ie alma&#x0364;hlig gen Himmel<lb/>
wa&#x0364;ch&#x017F;t &#x2014; nicht weil &#x017F;ie Gewitterwolken &#x017F;a-<lb/>
he, weil &#x017F;ie aus Furcht dem Himmel aus-<lb/>
wich, weil &#x017F;ie Tro&#x017F;t bei der Erde &#x017F;uchte, die<lb/>
wenn der Vater im Himmel &#x017F;chilt wie eine<lb/>
wahre <hi rendition="#fr">Un&#x017F;er aller Mutter</hi> keinen Blick ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chma&#x0364;ht</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216/0226] blad zur Schuͤrze! O Minchen! Minchen welche eine Suͤßigkeit iſt’s dich zu lieben! Fuͤr dein „Nein er iſt auch nicht hier geweſen„ verdienteſt du ſchon den Lohn der Unſchuld und koͤnnt’ ich den Ton hinſchreiben in dem du dieſes ſagteſt — du verdienteſt bis ans Ende der Welt gemahlt und gezeichnet zu werden mit der Umſchrift „Nein er iſt auch nicht hier geweſen„ Wenn ich dieſe Naturſcene ſo wie ſie rings herum empfunden worden getroffen haͤtte — (Was kann aber der Vater dafuͤr wenn ihm ſein Kind nicht aͤhnlich iſt?) Cho- dowiecki! es waͤre dir mit Minchen gegan- gen wie Adam mit Eva. Adam ſah ſie — Bein von ſeinem Bein, Fleiſch von ſeinem Fleiſch — ſah ſie wieder kuͤßte ſie und — Du haͤtteſt dieſe Seite durch und durch ge- huͤpft ſie geleſen und ihr Handgeld zur dop- pelten Unſterblichkeit gegeben. Minchen wie ſie almaͤhlig gen Himmel waͤchſt — nicht weil ſie Gewitterwolken ſa- he, weil ſie aus Furcht dem Himmel aus- wich, weil ſie Troſt bei der Erde ſuchte, die wenn der Vater im Himmel ſchilt wie eine wahre Unſer aller Mutter keinen Blick ver- ſchmaͤht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/226
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/226>, abgerufen am 24.05.2024.