Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie hinterbrachte ihr -- wahr oder zweckmäßig erfunden, wissen wir nicht --, daß der Hirzersepp gesagt habe: Wenn's ihm drum zu thun wäre, schwarze Pudel in die Wiege zu bekommen, würde er die Moidi heirathen. -- Die Predigt über diesen kurzen und bündigen Text scheint eindringlich genug gewesen zu sein. Denn seit dem Tage war "die Schwarze" wie verwandelt, ließ sich nirgend sehen, stahl sich vor Tagesgrauen in die Frühmesse, wo sie im hintersten Winkel der Kirche kniete, und wenn droben aus dem Berg ein Bursch ihr begegnete, wandte sie das Gesicht ab und schwieg auf alle Anrede. Die Putzsucht war vollends verschwunden. Das Schlechteste und Gröbste trug sie am liebsten, und ihre krausen Haare flogen, wochenlang ohne Pfleg', ihr um die Schläfen, daß sie fast unheimlich anzuschauen war und Niemand mit ihr zu thun haben mochte.

Im Uebrigen that sie ihre harte Arbeit ohne Murren, und so waren die Eltern ganz wohl mit ihr zufrieden und ließen sie in Allem gewähren. Der Winter ging so hin. Als im Frühling die Wiesen zu grünen anfingen, kam sie eines Tages zum Vater und bat um seine Erlaubniß, auf eine Alpe ziehen zu dürfen, höchste und einsamste im Passeier. Der Vater, der von Allen noch die klarste Ahnung ihres unseligen Gemüthszustandes hatte, willigte unbedenklich ein, und so war einen Sommer lang die schwarze Moidi völlig verschollen.

Sie hinterbrachte ihr — wahr oder zweckmäßig erfunden, wissen wir nicht —, daß der Hirzersepp gesagt habe: Wenn's ihm drum zu thun wäre, schwarze Pudel in die Wiege zu bekommen, würde er die Moidi heirathen. — Die Predigt über diesen kurzen und bündigen Text scheint eindringlich genug gewesen zu sein. Denn seit dem Tage war „die Schwarze“ wie verwandelt, ließ sich nirgend sehen, stahl sich vor Tagesgrauen in die Frühmesse, wo sie im hintersten Winkel der Kirche kniete, und wenn droben aus dem Berg ein Bursch ihr begegnete, wandte sie das Gesicht ab und schwieg auf alle Anrede. Die Putzsucht war vollends verschwunden. Das Schlechteste und Gröbste trug sie am liebsten, und ihre krausen Haare flogen, wochenlang ohne Pfleg', ihr um die Schläfen, daß sie fast unheimlich anzuschauen war und Niemand mit ihr zu thun haben mochte.

Im Uebrigen that sie ihre harte Arbeit ohne Murren, und so waren die Eltern ganz wohl mit ihr zufrieden und ließen sie in Allem gewähren. Der Winter ging so hin. Als im Frühling die Wiesen zu grünen anfingen, kam sie eines Tages zum Vater und bat um seine Erlaubniß, auf eine Alpe ziehen zu dürfen, höchste und einsamste im Passeier. Der Vater, der von Allen noch die klarste Ahnung ihres unseligen Gemüthszustandes hatte, willigte unbedenklich ein, und so war einen Sommer lang die schwarze Moidi völlig verschollen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="1">
        <p><pb facs="#f0036"/>
Sie hinterbrachte ihr &#x2014; wahr oder zweckmäßig erfunden, wissen wir nicht &#x2014;, daß der Hirzersepp     gesagt habe: Wenn's ihm drum zu thun wäre, schwarze Pudel in die Wiege zu bekommen, würde er die     Moidi heirathen. &#x2014; Die Predigt über diesen kurzen und bündigen Text scheint eindringlich genug     gewesen zu sein. Denn seit dem Tage war &#x201E;die Schwarze&#x201C; wie verwandelt, ließ sich nirgend sehen,     stahl sich vor Tagesgrauen in die Frühmesse, wo sie im hintersten Winkel der Kirche kniete, und     wenn droben aus dem Berg ein Bursch ihr begegnete, wandte sie das Gesicht ab und schwieg auf     alle Anrede. Die Putzsucht war vollends verschwunden. Das Schlechteste und Gröbste trug sie am     liebsten, und ihre krausen Haare flogen, wochenlang ohne Pfleg', ihr um die Schläfen, daß sie     fast unheimlich anzuschauen war und Niemand mit ihr zu thun haben mochte.</p><lb/>
        <p>Im Uebrigen that sie ihre harte Arbeit ohne Murren, und so waren die Eltern ganz wohl mit ihr     zufrieden und ließen sie in Allem gewähren. Der Winter ging so hin. Als im Frühling die Wiesen     zu grünen anfingen, kam sie eines Tages zum Vater und bat um seine Erlaubniß, auf eine Alpe     ziehen zu dürfen, höchste und einsamste im Passeier. Der Vater, der von Allen noch die klarste     Ahnung ihres unseligen Gemüthszustandes hatte, willigte unbedenklich ein, und so war einen     Sommer lang die schwarze Moidi völlig verschollen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0036] Sie hinterbrachte ihr — wahr oder zweckmäßig erfunden, wissen wir nicht —, daß der Hirzersepp gesagt habe: Wenn's ihm drum zu thun wäre, schwarze Pudel in die Wiege zu bekommen, würde er die Moidi heirathen. — Die Predigt über diesen kurzen und bündigen Text scheint eindringlich genug gewesen zu sein. Denn seit dem Tage war „die Schwarze“ wie verwandelt, ließ sich nirgend sehen, stahl sich vor Tagesgrauen in die Frühmesse, wo sie im hintersten Winkel der Kirche kniete, und wenn droben aus dem Berg ein Bursch ihr begegnete, wandte sie das Gesicht ab und schwieg auf alle Anrede. Die Putzsucht war vollends verschwunden. Das Schlechteste und Gröbste trug sie am liebsten, und ihre krausen Haare flogen, wochenlang ohne Pfleg', ihr um die Schläfen, daß sie fast unheimlich anzuschauen war und Niemand mit ihr zu thun haben mochte. Im Uebrigen that sie ihre harte Arbeit ohne Murren, und so waren die Eltern ganz wohl mit ihr zufrieden und ließen sie in Allem gewähren. Der Winter ging so hin. Als im Frühling die Wiesen zu grünen anfingen, kam sie eines Tages zum Vater und bat um seine Erlaubniß, auf eine Alpe ziehen zu dürfen, höchste und einsamste im Passeier. Der Vater, der von Allen noch die klarste Ahnung ihres unseligen Gemüthszustandes hatte, willigte unbedenklich ein, und so war einen Sommer lang die schwarze Moidi völlig verschollen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:27:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:27:07Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/36
Zitationshilfe: Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/36>, abgerufen am 27.11.2024.