Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Jetzt ist mir nimmer wohl, Weiß nit, was ich thun soll, Daß ich halt nur grad' einen erlang'! Und wenn der Refrain des Gelächters ein wenig verschollen war, die zweite Strophe: Fünfundzwanzig Mal bin ich schon kirchfahrten gangen, Nüchtern, und han mir nicht z'essen getraut, Han gemeint bei Gott die Gnad' zu erlangen, Daß ich dies Jahr möcht' werden a Braut. Jetzt -- und ist alles nichts; Die Fastnacht ist auch schon für -- Ach, ich arme verlassene Haut! Der Joseph, wenn er sich auch zu vornehm hielt, um mit einzustimmen, hörte doch mit sichtbarer Befriedigung zu und hoffte, dieses singende Gassenlaufen würde der armen Tollen die verliebten Grillen ausIreiben. Sie aber schien, sobald sie ihn nur sah, so völlig taub zu sein, daß sie das Schimpflied weder hörte, noch sich zu Gemüthe zog. Auch für die erbitterten Scheltreden ihrer Brüder war sie ganz unempfindlich, erwiderte kein Wort, änderte aber um kein Haar ihr Betragen, und selbst das scharfe Vermahnen des Pfarrers, dem etwas davon zu Ohren gekommen, vermochte so wenig über diesen seltsamen Zustand, wie beim Eisen das Abrathen hilft, wenn der Magnet ihm nahe kommt. Da überahm es endlich eine mitleidige unter den Mädchen, der Moidi den Kops zurechtzusetzen. Jetzt ist mir nimmer wohl, Weiß nit, was ich thun soll, Daß ich halt nur grad' einen erlang'! Und wenn der Refrain des Gelächters ein wenig verschollen war, die zweite Strophe: Fünfundzwanzig Mal bin ich schon kirchfahrten gangen, Nüchtern, und han mir nicht z'essen getraut, Han gemeint bei Gott die Gnad' zu erlangen, Daß ich dies Jahr möcht' werden a Braut. Jetzt — und ist alles nichts; Die Fastnacht ist auch schon für — Ach, ich arme verlassene Haut! Der Joseph, wenn er sich auch zu vornehm hielt, um mit einzustimmen, hörte doch mit sichtbarer Befriedigung zu und hoffte, dieses singende Gassenlaufen würde der armen Tollen die verliebten Grillen ausIreiben. Sie aber schien, sobald sie ihn nur sah, so völlig taub zu sein, daß sie das Schimpflied weder hörte, noch sich zu Gemüthe zog. Auch für die erbitterten Scheltreden ihrer Brüder war sie ganz unempfindlich, erwiderte kein Wort, änderte aber um kein Haar ihr Betragen, und selbst das scharfe Vermahnen des Pfarrers, dem etwas davon zu Ohren gekommen, vermochte so wenig über diesen seltsamen Zustand, wie beim Eisen das Abrathen hilft, wenn der Magnet ihm nahe kommt. Da überahm es endlich eine mitleidige unter den Mädchen, der Moidi den Kops zurechtzusetzen. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0035"/> <l>Jetzt ist mir nimmer wohl,</l><lb/> <l>Weiß nit, was ich thun soll,</l><lb/> <l>Daß ich halt nur grad' einen erlang'!</l><lb/> </lg> <p>Und wenn der Refrain des Gelächters ein wenig verschollen war, die zweite Strophe:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Fünfundzwanzig Mal bin ich schon kirchfahrten gangen,</l><lb/> <l>Nüchtern, und han mir nicht z'essen getraut,</l><lb/> <l>Han gemeint bei Gott die Gnad' zu erlangen,</l><lb/> <l>Daß ich dies Jahr möcht' werden a Braut.</l><lb/> <l>Jetzt — und ist alles nichts;</l><lb/> <l>Die Fastnacht ist auch schon für —</l><lb/> <l>Ach, ich arme verlassene Haut!</l><lb/> </lg> <p>Der Joseph, wenn er sich auch zu vornehm hielt, um mit einzustimmen, hörte doch mit sichtbarer Befriedigung zu und hoffte, dieses singende Gassenlaufen würde der armen Tollen die verliebten Grillen ausIreiben. Sie aber schien, sobald sie ihn nur sah, so völlig taub zu sein, daß sie das Schimpflied weder hörte, noch sich zu Gemüthe zog. Auch für die erbitterten Scheltreden ihrer Brüder war sie ganz unempfindlich, erwiderte kein Wort, änderte aber um kein Haar ihr Betragen, und selbst das scharfe Vermahnen des Pfarrers, dem etwas davon zu Ohren gekommen, vermochte so wenig über diesen seltsamen Zustand, wie beim Eisen das Abrathen hilft, wenn der Magnet ihm nahe kommt.</p><lb/> <p>Da überahm es endlich eine mitleidige unter den Mädchen, der Moidi den Kops zurechtzusetzen.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0035]
Jetzt ist mir nimmer wohl,
Weiß nit, was ich thun soll,
Daß ich halt nur grad' einen erlang'!
Und wenn der Refrain des Gelächters ein wenig verschollen war, die zweite Strophe:
Fünfundzwanzig Mal bin ich schon kirchfahrten gangen,
Nüchtern, und han mir nicht z'essen getraut,
Han gemeint bei Gott die Gnad' zu erlangen,
Daß ich dies Jahr möcht' werden a Braut.
Jetzt — und ist alles nichts;
Die Fastnacht ist auch schon für —
Ach, ich arme verlassene Haut!
Der Joseph, wenn er sich auch zu vornehm hielt, um mit einzustimmen, hörte doch mit sichtbarer Befriedigung zu und hoffte, dieses singende Gassenlaufen würde der armen Tollen die verliebten Grillen ausIreiben. Sie aber schien, sobald sie ihn nur sah, so völlig taub zu sein, daß sie das Schimpflied weder hörte, noch sich zu Gemüthe zog. Auch für die erbitterten Scheltreden ihrer Brüder war sie ganz unempfindlich, erwiderte kein Wort, änderte aber um kein Haar ihr Betragen, und selbst das scharfe Vermahnen des Pfarrers, dem etwas davon zu Ohren gekommen, vermochte so wenig über diesen seltsamen Zustand, wie beim Eisen das Abrathen hilft, wenn der Magnet ihm nahe kommt.
Da überahm es endlich eine mitleidige unter den Mädchen, der Moidi den Kops zurechtzusetzen.
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Zitationshilfe: | Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/35>, abgerufen am 17.02.2025. |