Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.und blies eben das Feuer an, um eine Polenta zu kochen, die Moidi saß still und theilnahmslos auf dem Bett drüben an der Wand, den Mantel noch umgeschlagen, in welchem sie die weite Wanderung gemacht hatte, als sei sie noch nicht zu Hause und werde auch nirgends wieder eine Heimath finden. Als der geistliche Herr an sie herantrat und ihr guten Abend sagte, fuhr sie zusammen, machte eine Bewegung, als wollte sie aufstehn, sank aber wieder auf das Bett zurück und saß, in sich geschmiegt, die Hände vors Gesicht gedrückt, ohne einen Laut von sich zu geben. Moidi, sagte der kleine Herr, kennst du mich nicht mehr? Sie nickte hastig vor sich hin. Willst du mir nicht einmal ins Gesicht sehen, und hast kein Vertrauen zu mir? Sie antwortete nicht, aber er sah, wie ihr ganzer Leib zitterte. Er schüttelte traurig den Kopf. Andree, sagte er, geh einstweilen in die Kammer, ich habe mit der Moidi allein zu reden. Der Bursch gehorchte ohne Verzug, trat aber nicht in die Kammer, sondern ging ins Freie; es war ihm zu eng und schwül in dem Hause, wo er so viel Leids erfahren hatte. Nun, meine Tochter, fing der Zehnuhrmesser wieder an, nun fasse ein Herz zu mir und höre, was ich dir sage. Ihr habt freilich Sünde gethan, und wenn es euch hart ergangen ist, so habt ihr's als und blies eben das Feuer an, um eine Polenta zu kochen, die Moidi saß still und theilnahmslos auf dem Bett drüben an der Wand, den Mantel noch umgeschlagen, in welchem sie die weite Wanderung gemacht hatte, als sei sie noch nicht zu Hause und werde auch nirgends wieder eine Heimath finden. Als der geistliche Herr an sie herantrat und ihr guten Abend sagte, fuhr sie zusammen, machte eine Bewegung, als wollte sie aufstehn, sank aber wieder auf das Bett zurück und saß, in sich geschmiegt, die Hände vors Gesicht gedrückt, ohne einen Laut von sich zu geben. Moidi, sagte der kleine Herr, kennst du mich nicht mehr? Sie nickte hastig vor sich hin. Willst du mir nicht einmal ins Gesicht sehen, und hast kein Vertrauen zu mir? Sie antwortete nicht, aber er sah, wie ihr ganzer Leib zitterte. Er schüttelte traurig den Kopf. Andree, sagte er, geh einstweilen in die Kammer, ich habe mit der Moidi allein zu reden. Der Bursch gehorchte ohne Verzug, trat aber nicht in die Kammer, sondern ging ins Freie; es war ihm zu eng und schwül in dem Hause, wo er so viel Leids erfahren hatte. Nun, meine Tochter, fing der Zehnuhrmesser wieder an, nun fasse ein Herz zu mir und höre, was ich dir sage. Ihr habt freilich Sünde gethan, und wenn es euch hart ergangen ist, so habt ihr's als <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0124"/> und blies eben das Feuer an, um eine Polenta zu kochen, die Moidi saß still und theilnahmslos auf dem Bett drüben an der Wand, den Mantel noch umgeschlagen, in welchem sie die weite Wanderung gemacht hatte, als sei sie noch nicht zu Hause und werde auch nirgends wieder eine Heimath finden. Als der geistliche Herr an sie herantrat und ihr guten Abend sagte, fuhr sie zusammen, machte eine Bewegung, als wollte sie aufstehn, sank aber wieder auf das Bett zurück und saß, in sich geschmiegt, die Hände vors Gesicht gedrückt, ohne einen Laut von sich zu geben.</p><lb/> <p>Moidi, sagte der kleine Herr, kennst du mich nicht mehr?</p><lb/> <p>Sie nickte hastig vor sich hin.</p><lb/> <p>Willst du mir nicht einmal ins Gesicht sehen, und hast kein Vertrauen zu mir?</p><lb/> <p>Sie antwortete nicht, aber er sah, wie ihr ganzer Leib zitterte. Er schüttelte traurig den Kopf. Andree, sagte er, geh einstweilen in die Kammer, ich habe mit der Moidi allein zu reden.</p><lb/> <p>Der Bursch gehorchte ohne Verzug, trat aber nicht in die Kammer, sondern ging ins Freie; es war ihm zu eng und schwül in dem Hause, wo er so viel Leids erfahren hatte.</p><lb/> <p>Nun, meine Tochter, fing der Zehnuhrmesser wieder an, nun fasse ein Herz zu mir und höre, was ich dir sage. Ihr habt freilich Sünde gethan, und wenn es euch hart ergangen ist, so habt ihr's als<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0124]
und blies eben das Feuer an, um eine Polenta zu kochen, die Moidi saß still und theilnahmslos auf dem Bett drüben an der Wand, den Mantel noch umgeschlagen, in welchem sie die weite Wanderung gemacht hatte, als sei sie noch nicht zu Hause und werde auch nirgends wieder eine Heimath finden. Als der geistliche Herr an sie herantrat und ihr guten Abend sagte, fuhr sie zusammen, machte eine Bewegung, als wollte sie aufstehn, sank aber wieder auf das Bett zurück und saß, in sich geschmiegt, die Hände vors Gesicht gedrückt, ohne einen Laut von sich zu geben.
Moidi, sagte der kleine Herr, kennst du mich nicht mehr?
Sie nickte hastig vor sich hin.
Willst du mir nicht einmal ins Gesicht sehen, und hast kein Vertrauen zu mir?
Sie antwortete nicht, aber er sah, wie ihr ganzer Leib zitterte. Er schüttelte traurig den Kopf. Andree, sagte er, geh einstweilen in die Kammer, ich habe mit der Moidi allein zu reden.
Der Bursch gehorchte ohne Verzug, trat aber nicht in die Kammer, sondern ging ins Freie; es war ihm zu eng und schwül in dem Hause, wo er so viel Leids erfahren hatte.
Nun, meine Tochter, fing der Zehnuhrmesser wieder an, nun fasse ein Herz zu mir und höre, was ich dir sage. Ihr habt freilich Sünde gethan, und wenn es euch hart ergangen ist, so habt ihr's als
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Zitationshilfe: | Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/124>, abgerufen am 16.07.2024. |