Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ist's den Herren Landjägern zu abschüssig, und wir sind auch kein einzig Mal angehalten worden. Nun muß ich aber noch sagen, daß wir an jenem zweiten Tag an eine Stelle kamen, wo ein steiler Grat mitten aus den Wiesen aufsteigt, weit höher, als die Muttspitz oder der Ifinger. Da redete ich der Moidi zu, hinaufzuklettern, um von da oben in die Welt hinauszuschauen. Ich hatte aber eine Absicht dabei; denn um die Ferner und Schneefelder war mir's gar nicht zu thun. Auf der Spitze nämlich stand ein Kreuz, und hing auch der Herr Christus daran, ein grobes Schnitzwerk, wie's einmal ein Senner mit dem Brodmesser zu Stande gebracht haben mochte. Mir aber war's gut genug. Denn als wir droben waren, und die Moidi still und zufrieden um sich schaute, nehm' ich sie sacht bei der Hand und kniee mit ihr vor dem Kreuz hin. Zuerst beten wir mit einander, hernach wollte sie aufstehen. Ich aber sag': Bleib noch knieen, Moidi; 's ist noch nicht zu Ende. Und da fang' ich an und sage auf Lateinisch Alles her, was nothwendig ist, um eine richtige Ehe zu schließen, und hernach zieh' ich ihren silbernen Ring vom Finger und geb' ihr den meinigen dafür und lege meine Hand auf ihren Kopf und ihre auf meinen, während ich den Segen spreche; ich dacht' eben, man muß sich zu helfen wissen, und wie's eine Nothtaufe giebt, mag's ja auch einmal eine Nothtrauung geben, nichts für ungut, Hochwürden, und späterhin könnt's immer noch ordentlich und richtig ist's den Herren Landjägern zu abschüssig, und wir sind auch kein einzig Mal angehalten worden. Nun muß ich aber noch sagen, daß wir an jenem zweiten Tag an eine Stelle kamen, wo ein steiler Grat mitten aus den Wiesen aufsteigt, weit höher, als die Muttspitz oder der Ifinger. Da redete ich der Moidi zu, hinaufzuklettern, um von da oben in die Welt hinauszuschauen. Ich hatte aber eine Absicht dabei; denn um die Ferner und Schneefelder war mir's gar nicht zu thun. Auf der Spitze nämlich stand ein Kreuz, und hing auch der Herr Christus daran, ein grobes Schnitzwerk, wie's einmal ein Senner mit dem Brodmesser zu Stande gebracht haben mochte. Mir aber war's gut genug. Denn als wir droben waren, und die Moidi still und zufrieden um sich schaute, nehm' ich sie sacht bei der Hand und kniee mit ihr vor dem Kreuz hin. Zuerst beten wir mit einander, hernach wollte sie aufstehen. Ich aber sag': Bleib noch knieen, Moidi; 's ist noch nicht zu Ende. Und da fang' ich an und sage auf Lateinisch Alles her, was nothwendig ist, um eine richtige Ehe zu schließen, und hernach zieh' ich ihren silbernen Ring vom Finger und geb' ihr den meinigen dafür und lege meine Hand auf ihren Kopf und ihre auf meinen, während ich den Segen spreche; ich dacht' eben, man muß sich zu helfen wissen, und wie's eine Nothtaufe giebt, mag's ja auch einmal eine Nothtrauung geben, nichts für ungut, Hochwürden, und späterhin könnt's immer noch ordentlich und richtig <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0114"/> ist's den Herren Landjägern zu abschüssig, und wir sind auch kein einzig Mal angehalten worden. Nun muß ich aber noch sagen, daß wir an jenem zweiten Tag an eine Stelle kamen, wo ein steiler Grat mitten aus den Wiesen aufsteigt, weit höher, als die Muttspitz oder der Ifinger. Da redete ich der Moidi zu, hinaufzuklettern, um von da oben in die Welt hinauszuschauen. Ich hatte aber eine Absicht dabei; denn um die Ferner und Schneefelder war mir's gar nicht zu thun. Auf der Spitze nämlich stand ein Kreuz, und hing auch der Herr Christus daran, ein grobes Schnitzwerk, wie's einmal ein Senner mit dem Brodmesser zu Stande gebracht haben mochte. Mir aber war's gut genug. Denn als wir droben waren, und die Moidi still und zufrieden um sich schaute, nehm' ich sie sacht bei der Hand und kniee mit ihr vor dem Kreuz hin. Zuerst beten wir mit einander, hernach wollte sie aufstehen. Ich aber sag': Bleib noch knieen, Moidi; 's ist noch nicht zu Ende. Und da fang' ich an und sage auf Lateinisch Alles her, was nothwendig ist, um eine richtige Ehe zu schließen, und hernach zieh' ich ihren silbernen Ring vom Finger und geb' ihr den meinigen dafür und lege meine Hand auf ihren Kopf und ihre auf meinen, während ich den Segen spreche; ich dacht' eben, man muß sich zu helfen wissen, und wie's eine Nothtaufe giebt, mag's ja auch einmal eine Nothtrauung geben, nichts für ungut, Hochwürden, und späterhin könnt's immer noch ordentlich und richtig<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0114]
ist's den Herren Landjägern zu abschüssig, und wir sind auch kein einzig Mal angehalten worden. Nun muß ich aber noch sagen, daß wir an jenem zweiten Tag an eine Stelle kamen, wo ein steiler Grat mitten aus den Wiesen aufsteigt, weit höher, als die Muttspitz oder der Ifinger. Da redete ich der Moidi zu, hinaufzuklettern, um von da oben in die Welt hinauszuschauen. Ich hatte aber eine Absicht dabei; denn um die Ferner und Schneefelder war mir's gar nicht zu thun. Auf der Spitze nämlich stand ein Kreuz, und hing auch der Herr Christus daran, ein grobes Schnitzwerk, wie's einmal ein Senner mit dem Brodmesser zu Stande gebracht haben mochte. Mir aber war's gut genug. Denn als wir droben waren, und die Moidi still und zufrieden um sich schaute, nehm' ich sie sacht bei der Hand und kniee mit ihr vor dem Kreuz hin. Zuerst beten wir mit einander, hernach wollte sie aufstehen. Ich aber sag': Bleib noch knieen, Moidi; 's ist noch nicht zu Ende. Und da fang' ich an und sage auf Lateinisch Alles her, was nothwendig ist, um eine richtige Ehe zu schließen, und hernach zieh' ich ihren silbernen Ring vom Finger und geb' ihr den meinigen dafür und lege meine Hand auf ihren Kopf und ihre auf meinen, während ich den Segen spreche; ich dacht' eben, man muß sich zu helfen wissen, und wie's eine Nothtaufe giebt, mag's ja auch einmal eine Nothtrauung geben, nichts für ungut, Hochwürden, und späterhin könnt's immer noch ordentlich und richtig
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T11:27:07Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T11:27:07Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |