"Nicht zu mir. Doch war er oft unruhig und schwieg stundenlang, daß es auch der Mutter auf¬ fiel. Ist er streng gegen dich gewesen?"
"Wir hatten einen Streit über ernste Dinge. Er fragte mich und ich konnte ihm meine Gedanken nicht verschweigen."
Das Mädchen war nachdenklich geworden. Erst als sie in die freie Luft traten, erhellte sich wieder ihr Gesicht. "Ist es nicht hübsch hier?" fragte sie und breitete die Hände aus. "Wahrhaftig," sagte er, "ich erkenn' es nicht wieder; was hast du aus dem kleinen wüsten Fleck gemacht? Seit ich denken kann, stan¬ den hier nur die Obstbäume und die wenigen Malven- und Asternbeete, und nun ist es voll von Rosen."
"Ja," sagte sie, "deine Mutter hielt nicht viel auf das Gärtchen, und nun freut sie sich auch darüber. Der Schulzensohn, der die Gärtnerei in der Stadt gelernt hat, schenkte mir die ersten Rosenstöcke und pflanzte sie selber ein. Dann fanden sich die andern dazu und nun ist es ganz lustig. Die schönsten blühn aber noch nicht."
"Und du pflegst sie allein?"
"Du wunderst dich, weil ich nicht sehen kann," sagte sie heiter. "Ich verstehe mich aber doch darauf was den Pflanzen gut thut. Ich spür' es am Geruch, ob eins welkt, oder im Aufgehn ist, oder Wasser be¬ darf. Es spricht ordentlich zu mir. Aber freilich,
„Nicht zu mir. Doch war er oft unruhig und ſchwieg ſtundenlang, daß es auch der Mutter auf¬ fiel. Iſt er ſtreng gegen dich geweſen?“
„Wir hatten einen Streit über ernſte Dinge. Er fragte mich und ich konnte ihm meine Gedanken nicht verſchweigen.“
Das Mädchen war nachdenklich geworden. Erſt als ſie in die freie Luft traten, erhellte ſich wieder ihr Geſicht. „Iſt es nicht hübſch hier?“ fragte ſie und breitete die Hände aus. „Wahrhaftig,“ ſagte er, „ich erkenn' es nicht wieder; was haſt du aus dem kleinen wüſten Fleck gemacht? Seit ich denken kann, ſtan¬ den hier nur die Obſtbäume und die wenigen Malven- und Aſternbeete, und nun iſt es voll von Roſen.“
„Ja,“ ſagte ſie, „deine Mutter hielt nicht viel auf das Gärtchen, und nun freut ſie ſich auch darüber. Der Schulzenſohn, der die Gärtnerei in der Stadt gelernt hat, ſchenkte mir die erſten Roſenſtöcke und pflanzte ſie ſelber ein. Dann fanden ſich die andern dazu und nun iſt es ganz luſtig. Die ſchönſten blühn aber noch nicht.“
„Und du pflegſt ſie allein?“
„Du wunderſt dich, weil ich nicht ſehen kann,“ ſagte ſie heiter. „Ich verſtehe mich aber doch darauf was den Pflanzen gut thut. Ich ſpür' es am Geruch, ob eins welkt, oder im Aufgehn iſt, oder Waſſer be¬ darf. Es ſpricht ordentlich zu mir. Aber freilich,
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„Nicht zu mir. Doch war er oft unruhig und
ſchwieg ſtundenlang, daß es auch der Mutter auf¬
fiel. Iſt er ſtreng gegen dich geweſen?“
„Wir hatten einen Streit über ernſte Dinge. Er
fragte mich und ich konnte ihm meine Gedanken nicht
verſchweigen.“
Das Mädchen war nachdenklich geworden. Erſt
als ſie in die freie Luft traten, erhellte ſich wieder
ihr Geſicht. „Iſt es nicht hübſch hier?“ fragte ſie und
breitete die Hände aus. „Wahrhaftig,“ ſagte er, „ich
erkenn' es nicht wieder; was haſt du aus dem kleinen
wüſten Fleck gemacht? Seit ich denken kann, ſtan¬
den hier nur die Obſtbäume und die wenigen Malven-
und Aſternbeete, und nun iſt es voll von Roſen.“
„Ja,“ ſagte ſie, „deine Mutter hielt nicht viel auf
das Gärtchen, und nun freut ſie ſich auch darüber.
Der Schulzenſohn, der die Gärtnerei in der Stadt
gelernt hat, ſchenkte mir die erſten Roſenſtöcke und
pflanzte ſie ſelber ein. Dann fanden ſich die andern
dazu und nun iſt es ganz luſtig. Die ſchönſten blühn
aber noch nicht.“
„Und du pflegſt ſie allein?“
„Du wunderſt dich, weil ich nicht ſehen kann,“ ſagte
ſie heiter. „Ich verſtehe mich aber doch darauf was
den Pflanzen gut thut. Ich ſpür' es am Geruch,
ob eins welkt, oder im Aufgehn iſt, oder Waſſer be¬
darf. Es ſpricht ordentlich zu mir. Aber freilich,
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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/62>, abgerufen am 25.07.2024.
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