Er blieb aus und schrieb, er habe die Gelegenheit nicht versäumen dürfen, einen verehrten Lehrer auf einer botanischen Wanderung zu begleiten. Der Vater war damit zufrieden, und Marlenen gelang es endlich, auch die ungeduldige Mutter zu beschwichtigen.
Unangemeldet kam er plötzlich um Pfingsten, zu Fuß, von einem starken Marsch vor Tagesgrauen nicht ermüdet, mit frischen Wangen und ein voller Mann. So trat er in die stille Wohnung, in der die Mutter allein ihr Wesen hatte; denn es war der Sonnabend vor dem Fest. Mit einem Freudenschrei hing ihm die überraschte Frau am Halse. "Du?" rief sie, als sie sich erholte und nun einen Schritt zurück¬ tretend den lang Entbehrten mit vollem Blick der Liebe maß. "Also kommst du doch noch, du Böser, du Vergeßlicher, und weißt noch den Weg zu Vater und Mutter. Gott sei gelobt! Ich dachte, du hättest dir in den Kopf gesetzt, nur als Professor dich wie¬ der sehn zu lassen, wenn meine alten Augen sich viel¬ leicht nicht mehr hier unten an dir freuen würden. Aber ich will dich nicht schelten; du bist brav, du bist der Alte, du machst mir ein Pfingsten, wie lange keins war, mir und dem Vater, uns Allen!" -- "Mut¬ ter!" sagte er, "wie wohl ist mir, daß ich wieder hier bin! Es litt mich zuletzt nicht mehr da draußen; ich wußte selbst nicht, wie es kam, ich beschloß es nicht erst, ich mußte fort, eines schönen Morgens anstatt
Er blieb aus und ſchrieb, er habe die Gelegenheit nicht verſäumen dürfen, einen verehrten Lehrer auf einer botaniſchen Wanderung zu begleiten. Der Vater war damit zufrieden, und Marlenen gelang es endlich, auch die ungeduldige Mutter zu beſchwichtigen.
Unangemeldet kam er plötzlich um Pfingſten, zu Fuß, von einem ſtarken Marſch vor Tagesgrauen nicht ermüdet, mit friſchen Wangen und ein voller Mann. So trat er in die ſtille Wohnung, in der die Mutter allein ihr Weſen hatte; denn es war der Sonnabend vor dem Feſt. Mit einem Freudenſchrei hing ihm die überraſchte Frau am Halſe. „Du?“ rief ſie, als ſie ſich erholte und nun einen Schritt zurück¬ tretend den lang Entbehrten mit vollem Blick der Liebe maß. „Alſo kommſt du doch noch, du Böſer, du Vergeßlicher, und weißt noch den Weg zu Vater und Mutter. Gott ſei gelobt! Ich dachte, du hätteſt dir in den Kopf geſetzt, nur als Profeſſor dich wie¬ der ſehn zu laſſen, wenn meine alten Augen ſich viel¬ leicht nicht mehr hier unten an dir freuen würden. Aber ich will dich nicht ſchelten; du biſt brav, du biſt der Alte, du machſt mir ein Pfingſten, wie lange keins war, mir und dem Vater, uns Allen!“ — „Mut¬ ter!“ ſagte er, „wie wohl iſt mir, daß ich wieder hier bin! Es litt mich zuletzt nicht mehr da draußen; ich wußte ſelbſt nicht, wie es kam, ich beſchloß es nicht erſt, ich mußte fort, eines ſchönen Morgens anſtatt
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Er blieb aus und ſchrieb, er habe die Gelegenheit
nicht verſäumen dürfen, einen verehrten Lehrer auf
einer botaniſchen Wanderung zu begleiten. Der Vater
war damit zufrieden, und Marlenen gelang es endlich,
auch die ungeduldige Mutter zu beſchwichtigen.
Unangemeldet kam er plötzlich um Pfingſten, zu
Fuß, von einem ſtarken Marſch vor Tagesgrauen
nicht ermüdet, mit friſchen Wangen und ein voller
Mann. So trat er in die ſtille Wohnung, in der
die Mutter allein ihr Weſen hatte; denn es war der
Sonnabend vor dem Feſt. Mit einem Freudenſchrei
hing ihm die überraſchte Frau am Halſe. „Du?“ rief
ſie, als ſie ſich erholte und nun einen Schritt zurück¬
tretend den lang Entbehrten mit vollem Blick der
Liebe maß. „Alſo kommſt du doch noch, du Böſer,
du Vergeßlicher, und weißt noch den Weg zu Vater
und Mutter. Gott ſei gelobt! Ich dachte, du hätteſt
dir in den Kopf geſetzt, nur als Profeſſor dich wie¬
der ſehn zu laſſen, wenn meine alten Augen ſich viel¬
leicht nicht mehr hier unten an dir freuen würden.
Aber ich will dich nicht ſchelten; du biſt brav, du
biſt der Alte, du machſt mir ein Pfingſten, wie lange
keins war, mir und dem Vater, uns Allen!“ — „Mut¬
ter!“ ſagte er, „wie wohl iſt mir, daß ich wieder hier
bin! Es litt mich zuletzt nicht mehr da draußen; ich
wußte ſelbſt nicht, wie es kam, ich beſchloß es nicht
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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/53>, abgerufen am 15.08.2024.
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