Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.fersucht war vergangen, seit sie nichts mehr für sich So gekräftigt und gehoben vollendete sie die Reise. Seit sie fühlte, daß sie heiter sein müsse um ihres ferſucht war vergangen, ſeit ſie nichts mehr für ſich So gekräftigt und gehoben vollendete ſie die Reiſe. Seit ſie fühlte, daß ſie heiter ſein müſſe um ihres <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0048" n="36"/> ferſucht war vergangen, ſeit ſie nichts mehr für ſich<lb/> verlangte, als die innige Freude an der ſeinen.</p><lb/> <p>So gekräftigt und gehoben vollendete ſie die Reiſe.<lb/> Und ſie war zur rechten Zeit gekräftigt worden. Denn<lb/> als ſie heim kam, fand ſie ihre Mutter in ſchwerer<lb/> Krankheit, der die ſchwache Frau in wenigen Tagen<lb/> erlag. Nun, nachdem die erſten Wochen der Trauer<lb/> überſtanden waren, forderte das traurig veränderte<lb/> Leben Pflichten von ihr, denen ſie früher ſchwerlich<lb/> gewachſen war. Die Sorge für das Hausweſen be¬<lb/> ſchäftigte ſie früh und ſpät. Trotz ihres Gebrechens<lb/> wußte ſie in jedem Winkelchen des kleinen Hauſes<lb/> Beſcheid, und wenn ſie auch ſelbſt nur ſelten Hand<lb/> anlegen konnte, war ſie doch umſichtig und geſchickt,<lb/> Alles anzuordnen, daß es ihrem gebeugten Vater an<lb/> nichts fehle. Eine wunderbare Hoheit und Sicher¬<lb/> heit kam über ſie. Wo es früher vielfacher Verweiſe<lb/> bedurft hatte, um Knecht und Magd zum Rechten zu<lb/> gewöhnen, genügte jetzt ein ruhiges Wort von ihr. —<lb/> Und war einmal etwas Arges verſehen oder zu irgend<lb/> einer Arbeit böſer Wille vorhanden, ſo wirkte ein<lb/> ernſthafter Blick mit den großen, blinden Augen un¬<lb/> widerſtehlich auf die rohſte Natur.</p><lb/> <p>Seit ſie fühlte, daß ſie heiter ſein müſſe um ihres<lb/> Vaters willen, ſeit ſie begriff, daß ſie wirken und das<lb/> Leben ſelbſt geſtalten müſſe, kamen auch die Stunden<lb/> immer ſeltener, in denen ſie die Trennung von Cle¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [36/0048]
ferſucht war vergangen, ſeit ſie nichts mehr für ſich
verlangte, als die innige Freude an der ſeinen.
So gekräftigt und gehoben vollendete ſie die Reiſe.
Und ſie war zur rechten Zeit gekräftigt worden. Denn
als ſie heim kam, fand ſie ihre Mutter in ſchwerer
Krankheit, der die ſchwache Frau in wenigen Tagen
erlag. Nun, nachdem die erſten Wochen der Trauer
überſtanden waren, forderte das traurig veränderte
Leben Pflichten von ihr, denen ſie früher ſchwerlich
gewachſen war. Die Sorge für das Hausweſen be¬
ſchäftigte ſie früh und ſpät. Trotz ihres Gebrechens
wußte ſie in jedem Winkelchen des kleinen Hauſes
Beſcheid, und wenn ſie auch ſelbſt nur ſelten Hand
anlegen konnte, war ſie doch umſichtig und geſchickt,
Alles anzuordnen, daß es ihrem gebeugten Vater an
nichts fehle. Eine wunderbare Hoheit und Sicher¬
heit kam über ſie. Wo es früher vielfacher Verweiſe
bedurft hatte, um Knecht und Magd zum Rechten zu
gewöhnen, genügte jetzt ein ruhiges Wort von ihr. —
Und war einmal etwas Arges verſehen oder zu irgend
einer Arbeit böſer Wille vorhanden, ſo wirkte ein
ernſthafter Blick mit den großen, blinden Augen un¬
widerſtehlich auf die rohſte Natur.
Seit ſie fühlte, daß ſie heiter ſein müſſe um ihres
Vaters willen, ſeit ſie begriff, daß ſie wirken und das
Leben ſelbſt geſtalten müſſe, kamen auch die Stunden
immer ſeltener, in denen ſie die Trennung von Cle¬
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