Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.Frühe besucht und mit der zärtlichsten Sorge gefragt, Sie saß nun wieder oft in ihres Vaters Gärt¬ Frühe beſucht und mit der zärtlichſten Sorge gefragt, Sie ſaß nun wieder oft in ihres Vaters Gärt¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0035" n="23"/> Frühe beſucht und mit der zärtlichſten Sorge gefragt,<lb/> ob ſich über Nacht nichts geändert und gebeſſert habe.<lb/> Dann aber beſchäftigte ihn die bunte Welt, die ſich<lb/> ihm aufthat, und wenn er zu Marlenen zurückkam,<lb/> war es nur, ihr ein neues Wunder zu ſchildern, wo<lb/> er denn oft mitten im Fluß der haſtigen Erzählung<lb/> einhielt, durch einen Blick auf die arme kleine Freun¬<lb/> din erinnert, wie weh ihr ſeine Freude thun müſſe.<lb/> Im Grunde that ſie ihr aber nicht weh. Sie wollte<lb/> nichts für ſich; ihn begeiſtert reden zu hören, war<lb/> ihr ein Feſt. Aber als er ſeltener kam, im Wahn,<lb/> ſie zu betrüben, und dann ſchweigſam war, weil ihm<lb/> alles Andere verſchwand gegen Das, was er ihr nicht<lb/> zu ſagen wagte, wurde ſie unruhig. Sie hatte ihn<lb/> ſonſt am Tage nur ſelten entbehrt. Jetzt ſaß ſie viel<lb/> allein. Die Mutter kam wohl oft, ihr Geſellſchaft<lb/> zu leiſten. Aber die gute Laune der ſonſt lebhaften<lb/> Frau war fort, ſeit ihre liebſte Hoffnung fehlgeſchla¬<lb/> gen. Sie wußte ihrem Kinde nichts zu ſagen, als<lb/> Troſtworte, die ihre eigenen Seufzer Lügen ſtraften<lb/> und die Marlenen wenig ſein konnten. — Wie viel<lb/> von dem, was ſie nun litt, hatte das Mädchen vor¬<lb/> aus gefürchtet! Und doch überraſchte ſie das Gefühl<lb/> der Entbehrung mit unbekannten Schmerzen.</p><lb/> <p>Sie ſaß nun wieder oft in ihres Vaters Gärt¬<lb/> chen unter den Zweigen und ſpann. Wenn dann<lb/> Clemens zu ihr kam, glänzte es ſeltſam um ihre ar¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [23/0035]
Frühe beſucht und mit der zärtlichſten Sorge gefragt,
ob ſich über Nacht nichts geändert und gebeſſert habe.
Dann aber beſchäftigte ihn die bunte Welt, die ſich
ihm aufthat, und wenn er zu Marlenen zurückkam,
war es nur, ihr ein neues Wunder zu ſchildern, wo
er denn oft mitten im Fluß der haſtigen Erzählung
einhielt, durch einen Blick auf die arme kleine Freun¬
din erinnert, wie weh ihr ſeine Freude thun müſſe.
Im Grunde that ſie ihr aber nicht weh. Sie wollte
nichts für ſich; ihn begeiſtert reden zu hören, war
ihr ein Feſt. Aber als er ſeltener kam, im Wahn,
ſie zu betrüben, und dann ſchweigſam war, weil ihm
alles Andere verſchwand gegen Das, was er ihr nicht
zu ſagen wagte, wurde ſie unruhig. Sie hatte ihn
ſonſt am Tage nur ſelten entbehrt. Jetzt ſaß ſie viel
allein. Die Mutter kam wohl oft, ihr Geſellſchaft
zu leiſten. Aber die gute Laune der ſonſt lebhaften
Frau war fort, ſeit ihre liebſte Hoffnung fehlgeſchla¬
gen. Sie wußte ihrem Kinde nichts zu ſagen, als
Troſtworte, die ihre eigenen Seufzer Lügen ſtraften
und die Marlenen wenig ſein konnten. — Wie viel
von dem, was ſie nun litt, hatte das Mädchen vor¬
aus gefürchtet! Und doch überraſchte ſie das Gefühl
der Entbehrung mit unbekannten Schmerzen.
Sie ſaß nun wieder oft in ihres Vaters Gärt¬
chen unter den Zweigen und ſpann. Wenn dann
Clemens zu ihr kam, glänzte es ſeltſam um ihre ar¬
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