Frühe besucht und mit der zärtlichsten Sorge gefragt, ob sich über Nacht nichts geändert und gebessert habe. Dann aber beschäftigte ihn die bunte Welt, die sich ihm aufthat, und wenn er zu Marlenen zurückkam, war es nur, ihr ein neues Wunder zu schildern, wo er denn oft mitten im Fluß der hastigen Erzählung einhielt, durch einen Blick auf die arme kleine Freun¬ din erinnert, wie weh ihr seine Freude thun müsse. Im Grunde that sie ihr aber nicht weh. Sie wollte nichts für sich; ihn begeistert reden zu hören, war ihr ein Fest. Aber als er seltener kam, im Wahn, sie zu betrüben, und dann schweigsam war, weil ihm alles Andere verschwand gegen Das, was er ihr nicht zu sagen wagte, wurde sie unruhig. Sie hatte ihn sonst am Tage nur selten entbehrt. Jetzt saß sie viel allein. Die Mutter kam wohl oft, ihr Gesellschaft zu leisten. Aber die gute Laune der sonst lebhaften Frau war fort, seit ihre liebste Hoffnung fehlgeschla¬ gen. Sie wußte ihrem Kinde nichts zu sagen, als Trostworte, die ihre eigenen Seufzer Lügen straften und die Marlenen wenig sein konnten. -- Wie viel von dem, was sie nun litt, hatte das Mädchen vor¬ aus gefürchtet! Und doch überraschte sie das Gefühl der Entbehrung mit unbekannten Schmerzen.
Sie saß nun wieder oft in ihres Vaters Gärt¬ chen unter den Zweigen und spann. Wenn dann Clemens zu ihr kam, glänzte es seltsam um ihre ar¬
Frühe beſucht und mit der zärtlichſten Sorge gefragt, ob ſich über Nacht nichts geändert und gebeſſert habe. Dann aber beſchäftigte ihn die bunte Welt, die ſich ihm aufthat, und wenn er zu Marlenen zurückkam, war es nur, ihr ein neues Wunder zu ſchildern, wo er denn oft mitten im Fluß der haſtigen Erzählung einhielt, durch einen Blick auf die arme kleine Freun¬ din erinnert, wie weh ihr ſeine Freude thun müſſe. Im Grunde that ſie ihr aber nicht weh. Sie wollte nichts für ſich; ihn begeiſtert reden zu hören, war ihr ein Feſt. Aber als er ſeltener kam, im Wahn, ſie zu betrüben, und dann ſchweigſam war, weil ihm alles Andere verſchwand gegen Das, was er ihr nicht zu ſagen wagte, wurde ſie unruhig. Sie hatte ihn ſonſt am Tage nur ſelten entbehrt. Jetzt ſaß ſie viel allein. Die Mutter kam wohl oft, ihr Geſellſchaft zu leiſten. Aber die gute Laune der ſonſt lebhaften Frau war fort, ſeit ihre liebſte Hoffnung fehlgeſchla¬ gen. Sie wußte ihrem Kinde nichts zu ſagen, als Troſtworte, die ihre eigenen Seufzer Lügen ſtraften und die Marlenen wenig ſein konnten. — Wie viel von dem, was ſie nun litt, hatte das Mädchen vor¬ aus gefürchtet! Und doch überraſchte ſie das Gefühl der Entbehrung mit unbekannten Schmerzen.
Sie ſaß nun wieder oft in ihres Vaters Gärt¬ chen unter den Zweigen und ſpann. Wenn dann Clemens zu ihr kam, glänzte es ſeltſam um ihre ar¬
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Frühe beſucht und mit der zärtlichſten Sorge gefragt,
ob ſich über Nacht nichts geändert und gebeſſert habe.
Dann aber beſchäftigte ihn die bunte Welt, die ſich
ihm aufthat, und wenn er zu Marlenen zurückkam,
war es nur, ihr ein neues Wunder zu ſchildern, wo
er denn oft mitten im Fluß der haſtigen Erzählung
einhielt, durch einen Blick auf die arme kleine Freun¬
din erinnert, wie weh ihr ſeine Freude thun müſſe.
Im Grunde that ſie ihr aber nicht weh. Sie wollte
nichts für ſich; ihn begeiſtert reden zu hören, war
ihr ein Feſt. Aber als er ſeltener kam, im Wahn,
ſie zu betrüben, und dann ſchweigſam war, weil ihm
alles Andere verſchwand gegen Das, was er ihr nicht
zu ſagen wagte, wurde ſie unruhig. Sie hatte ihn
ſonſt am Tage nur ſelten entbehrt. Jetzt ſaß ſie viel
allein. Die Mutter kam wohl oft, ihr Geſellſchaft
zu leiſten. Aber die gute Laune der ſonſt lebhaften
Frau war fort, ſeit ihre liebſte Hoffnung fehlgeſchla¬
gen. Sie wußte ihrem Kinde nichts zu ſagen, als
Troſtworte, die ihre eigenen Seufzer Lügen ſtraften
und die Marlenen wenig ſein konnten. — Wie viel
von dem, was ſie nun litt, hatte das Mädchen vor¬
aus gefürchtet! Und doch überraſchte ſie das Gefühl
der Entbehrung mit unbekannten Schmerzen.
Sie ſaß nun wieder oft in ihres Vaters Gärt¬
chen unter den Zweigen und ſpann. Wenn dann
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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/35>, abgerufen am 16.07.2024.
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