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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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Er sprach diese Worte so ernsthaft und mit einem
Gesicht, auf dem so deutlich Schmerz und Entschlos¬
senheit stand, daß Keinem ein Zweifel nahe trat. Es
ist ihr Mann! flüsterten sie. Sie ist ihm mit einem
Andern entlaufen. Dem gnade Gott, wenn er ihm
auch so in die Hände kommt, wie diese!

Caterina that nichts, diesen Glauben zu irren.
Gehorsam stieg sie die letzten Stufen der Treppe an
Theodors Hand hinauf, und ihre Ueberraschung, von
dem gerettet zu werden, dem zu entfliehen sie in die
Gefahr gerathen war, glich täuschend der dumpfen
Niedergeschlagenheit einer ertappten Schuldigen. Der
Schiffer allein schien nicht völlig überzeugt. Er sah
das Geldstück an, das ihm Theodor zugesteckt hatte,
und brummte in den Bart: Wär' Alles richtig, hätte
der Herr die Hand nicht in die Tasche gesteckt. Nun,
ich bin doppelt bezahlt. Was geht's mich an?


Er ging erst mit ihr ein paar Straßen weit und
hatte sie noch immer bei der Hand gefaßt; aber Keins
sah das Andere an, noch fiel ein Wort zwischen ihnen,
bis er sie auf einmal los ließ und fragte: Wohin soll
ich Euch führen, Caterina?

Ich weiß nicht, sagte sie.

Nach Via Margutta?

Nein -- und sie schrak zusammen -- die Alte
fände mich da, oder er.

Er ſprach dieſe Worte ſo ernſthaft und mit einem
Geſicht, auf dem ſo deutlich Schmerz und Entſchloſ¬
ſenheit ſtand, daß Keinem ein Zweifel nahe trat. Es
iſt ihr Mann! flüſterten ſie. Sie iſt ihm mit einem
Andern entlaufen. Dem gnade Gott, wenn er ihm
auch ſo in die Hände kommt, wie dieſe!

Caterina that nichts, dieſen Glauben zu irren.
Gehorſam ſtieg ſie die letzten Stufen der Treppe an
Theodors Hand hinauf, und ihre Ueberraſchung, von
dem gerettet zu werden, dem zu entfliehen ſie in die
Gefahr gerathen war, glich täuſchend der dumpfen
Niedergeſchlagenheit einer ertappten Schuldigen. Der
Schiffer allein ſchien nicht völlig überzeugt. Er ſah
das Geldſtück an, das ihm Theodor zugeſteckt hatte,
und brummte in den Bart: Wär' Alles richtig, hätte
der Herr die Hand nicht in die Taſche geſteckt. Nun,
ich bin doppelt bezahlt. Was geht's mich an?


Er ging erſt mit ihr ein paar Straßen weit und
hatte ſie noch immer bei der Hand gefaßt; aber Keins
ſah das Andere an, noch fiel ein Wort zwiſchen ihnen,
bis er ſie auf einmal los ließ und fragte: Wohin ſoll
ich Euch führen, Caterina?

Ich weiß nicht, ſagte ſie.

Nach Via Margutta?

Nein — und ſie ſchrak zuſammen — die Alte
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[212/0224] Er ſprach dieſe Worte ſo ernſthaft und mit einem Geſicht, auf dem ſo deutlich Schmerz und Entſchloſ¬ ſenheit ſtand, daß Keinem ein Zweifel nahe trat. Es iſt ihr Mann! flüſterten ſie. Sie iſt ihm mit einem Andern entlaufen. Dem gnade Gott, wenn er ihm auch ſo in die Hände kommt, wie dieſe! Caterina that nichts, dieſen Glauben zu irren. Gehorſam ſtieg ſie die letzten Stufen der Treppe an Theodors Hand hinauf, und ihre Ueberraſchung, von dem gerettet zu werden, dem zu entfliehen ſie in die Gefahr gerathen war, glich täuſchend der dumpfen Niedergeſchlagenheit einer ertappten Schuldigen. Der Schiffer allein ſchien nicht völlig überzeugt. Er ſah das Geldſtück an, das ihm Theodor zugeſteckt hatte, und brummte in den Bart: Wär' Alles richtig, hätte der Herr die Hand nicht in die Taſche geſteckt. Nun, ich bin doppelt bezahlt. Was geht's mich an? Er ging erſt mit ihr ein paar Straßen weit und hatte ſie noch immer bei der Hand gefaßt; aber Keins ſah das Andere an, noch fiel ein Wort zwiſchen ihnen, bis er ſie auf einmal los ließ und fragte: Wohin ſoll ich Euch führen, Caterina? Ich weiß nicht, ſagte ſie. Nach Via Margutta? Nein — und ſie ſchrak zuſammen — die Alte fände mich da, oder er.

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/224>, abgerufen am 24.11.2024.