Er sprach diese Worte so ernsthaft und mit einem Gesicht, auf dem so deutlich Schmerz und Entschlos¬ senheit stand, daß Keinem ein Zweifel nahe trat. Es ist ihr Mann! flüsterten sie. Sie ist ihm mit einem Andern entlaufen. Dem gnade Gott, wenn er ihm auch so in die Hände kommt, wie diese!
Caterina that nichts, diesen Glauben zu irren. Gehorsam stieg sie die letzten Stufen der Treppe an Theodors Hand hinauf, und ihre Ueberraschung, von dem gerettet zu werden, dem zu entfliehen sie in die Gefahr gerathen war, glich täuschend der dumpfen Niedergeschlagenheit einer ertappten Schuldigen. Der Schiffer allein schien nicht völlig überzeugt. Er sah das Geldstück an, das ihm Theodor zugesteckt hatte, und brummte in den Bart: Wär' Alles richtig, hätte der Herr die Hand nicht in die Tasche gesteckt. Nun, ich bin doppelt bezahlt. Was geht's mich an?
Er ging erst mit ihr ein paar Straßen weit und hatte sie noch immer bei der Hand gefaßt; aber Keins sah das Andere an, noch fiel ein Wort zwischen ihnen, bis er sie auf einmal los ließ und fragte: Wohin soll ich Euch führen, Caterina?
Ich weiß nicht, sagte sie.
Nach Via Margutta?
Nein -- und sie schrak zusammen -- die Alte fände mich da, oder er.
Er ſprach dieſe Worte ſo ernſthaft und mit einem Geſicht, auf dem ſo deutlich Schmerz und Entſchloſ¬ ſenheit ſtand, daß Keinem ein Zweifel nahe trat. Es iſt ihr Mann! flüſterten ſie. Sie iſt ihm mit einem Andern entlaufen. Dem gnade Gott, wenn er ihm auch ſo in die Hände kommt, wie dieſe!
Caterina that nichts, dieſen Glauben zu irren. Gehorſam ſtieg ſie die letzten Stufen der Treppe an Theodors Hand hinauf, und ihre Ueberraſchung, von dem gerettet zu werden, dem zu entfliehen ſie in die Gefahr gerathen war, glich täuſchend der dumpfen Niedergeſchlagenheit einer ertappten Schuldigen. Der Schiffer allein ſchien nicht völlig überzeugt. Er ſah das Geldſtück an, das ihm Theodor zugeſteckt hatte, und brummte in den Bart: Wär' Alles richtig, hätte der Herr die Hand nicht in die Taſche geſteckt. Nun, ich bin doppelt bezahlt. Was geht's mich an?
Er ging erſt mit ihr ein paar Straßen weit und hatte ſie noch immer bei der Hand gefaßt; aber Keins ſah das Andere an, noch fiel ein Wort zwiſchen ihnen, bis er ſie auf einmal los ließ und fragte: Wohin ſoll ich Euch führen, Caterina?
Ich weiß nicht, ſagte ſie.
Nach Via Margutta?
Nein — und ſie ſchrak zuſammen — die Alte fände mich da, oder er.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0224"n="212"/><p>Er ſprach dieſe Worte ſo ernſthaft und mit einem<lb/>
Geſicht, auf dem ſo deutlich Schmerz und Entſchloſ¬<lb/>ſenheit ſtand, daß Keinem ein Zweifel nahe trat. Es<lb/>
iſt ihr Mann! flüſterten ſie. Sie iſt ihm mit einem<lb/>
Andern entlaufen. Dem gnade Gott, wenn er ihm<lb/>
auch ſo in die Hände kommt, wie dieſe!</p><lb/><p>Caterina that nichts, dieſen Glauben zu irren.<lb/>
Gehorſam ſtieg ſie die letzten Stufen der Treppe an<lb/>
Theodors Hand hinauf, und ihre Ueberraſchung, von<lb/>
dem gerettet zu werden, dem zu entfliehen ſie in die<lb/>
Gefahr gerathen war, glich täuſchend der dumpfen<lb/>
Niedergeſchlagenheit einer ertappten Schuldigen. Der<lb/>
Schiffer allein ſchien nicht völlig überzeugt. Er ſah<lb/>
das Geldſtück an, das ihm Theodor zugeſteckt hatte,<lb/>
und brummte in den Bart: Wär' Alles richtig, hätte<lb/>
der Herr die Hand nicht in die Taſche geſteckt. Nun,<lb/>
ich bin doppelt bezahlt. Was geht's mich an?</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Er ging erſt mit ihr ein paar Straßen weit und<lb/>
hatte ſie noch immer bei der Hand gefaßt; aber Keins<lb/>ſah das Andere an, noch fiel ein Wort zwiſchen ihnen,<lb/>
bis er ſie auf einmal los ließ und fragte: Wohin ſoll<lb/>
ich Euch führen, Caterina?</p><lb/><p>Ich weiß nicht, ſagte ſie.</p><lb/><p>Nach Via Margutta?</p><lb/><p>Nein — und ſie ſchrak zuſammen — die Alte<lb/>
fände mich da, oder er.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[212/0224]
Er ſprach dieſe Worte ſo ernſthaft und mit einem
Geſicht, auf dem ſo deutlich Schmerz und Entſchloſ¬
ſenheit ſtand, daß Keinem ein Zweifel nahe trat. Es
iſt ihr Mann! flüſterten ſie. Sie iſt ihm mit einem
Andern entlaufen. Dem gnade Gott, wenn er ihm
auch ſo in die Hände kommt, wie dieſe!
Caterina that nichts, dieſen Glauben zu irren.
Gehorſam ſtieg ſie die letzten Stufen der Treppe an
Theodors Hand hinauf, und ihre Ueberraſchung, von
dem gerettet zu werden, dem zu entfliehen ſie in die
Gefahr gerathen war, glich täuſchend der dumpfen
Niedergeſchlagenheit einer ertappten Schuldigen. Der
Schiffer allein ſchien nicht völlig überzeugt. Er ſah
das Geldſtück an, das ihm Theodor zugeſteckt hatte,
und brummte in den Bart: Wär' Alles richtig, hätte
der Herr die Hand nicht in die Taſche geſteckt. Nun,
ich bin doppelt bezahlt. Was geht's mich an?
Er ging erſt mit ihr ein paar Straßen weit und
hatte ſie noch immer bei der Hand gefaßt; aber Keins
ſah das Andere an, noch fiel ein Wort zwiſchen ihnen,
bis er ſie auf einmal los ließ und fragte: Wohin ſoll
ich Euch führen, Caterina?
Ich weiß nicht, ſagte ſie.
Nach Via Margutta?
Nein — und ſie ſchrak zuſammen — die Alte
fände mich da, oder er.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/224>, abgerufen am 25.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.