Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.nach einer Pause, das ich nicht wissen darf? Wenn du Sie schwieg noch immer und hatte die Augen zu¬ nach einer Pauſe, das ich nicht wiſſen darf? Wenn du Sie ſchwieg noch immer und hatte die Augen zu¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0215" n="203"/> nach einer Pauſe, das ich nicht wiſſen darf? Wenn du<lb/> wüßteſt, mit welchen Freuden ich über dieſe Schwelle<lb/> trat, wie mich's ſelig durchfuhr, dich endlich einmal<lb/> allein zu finden! und ich finde dich nun ſo fremd,<lb/> verſchloſſner als in aller Bedrängniß fremder Geſell¬<lb/> ſchaft — du weißt nicht, was du uns zu Leide thuſt!</p><lb/> <p>Sie ſchwieg noch immer und hatte die Augen zu¬<lb/> gedrückt. Sie hielt in Gedanken die Worte, die er<lb/> ſprach, mit denen zuſammen, die ihr ſo eben das<lb/> Herz zuſammengeſchnürt hatten, ſeine Blicke mit de¬<lb/> nen, die ihr die alte Freundin geſchildert hatte und<lb/> die einer Andern galten. Es war etwas in ihr, das<lb/> gern für ihn geſprochen hätte; aber zu viele Stim¬<lb/> men ſchrieen dagegen. Nicht, daß ſie ihn für unwahr<lb/> hielt, für unwürdig, und ihn anklagte in ihrem Her¬<lb/> zen. Sie hatte die Erzählung der Alten mit ange¬<lb/> hört, als gelte ſie weder ihr noch ihm, wie ein Un¬<lb/> erhörtes, für das wir kein Organ in uns haben. Aber<lb/> dennoch warf es ein letztes Gewicht auf die Laſt, die<lb/> ſie ſchon wochenlang getragen hatte. Theodor betrog<lb/> ſich, wenn er glaubte, durch ſeine geſpannte unglück¬<lb/> liche Stimmung nur ſich ſelbſt wehe gethan zu haben.<lb/> Daß er verändert war, der erſte Glanz der Liebe<lb/> verblichen, das Herz ſeiner ſelbſt nicht mehr gewiß,<lb/> war Marien nicht entgangen. Wenn er zugegen war,<lb/> bezwang ſie ſich um ſeinetwillen; ſie hätte ihm um<lb/> die Welt nicht geſtanden, daß ſie an ihm zweifelte;<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [203/0215]
nach einer Pauſe, das ich nicht wiſſen darf? Wenn du
wüßteſt, mit welchen Freuden ich über dieſe Schwelle
trat, wie mich's ſelig durchfuhr, dich endlich einmal
allein zu finden! und ich finde dich nun ſo fremd,
verſchloſſner als in aller Bedrängniß fremder Geſell¬
ſchaft — du weißt nicht, was du uns zu Leide thuſt!
Sie ſchwieg noch immer und hatte die Augen zu¬
gedrückt. Sie hielt in Gedanken die Worte, die er
ſprach, mit denen zuſammen, die ihr ſo eben das
Herz zuſammengeſchnürt hatten, ſeine Blicke mit de¬
nen, die ihr die alte Freundin geſchildert hatte und
die einer Andern galten. Es war etwas in ihr, das
gern für ihn geſprochen hätte; aber zu viele Stim¬
men ſchrieen dagegen. Nicht, daß ſie ihn für unwahr
hielt, für unwürdig, und ihn anklagte in ihrem Her¬
zen. Sie hatte die Erzählung der Alten mit ange¬
hört, als gelte ſie weder ihr noch ihm, wie ein Un¬
erhörtes, für das wir kein Organ in uns haben. Aber
dennoch warf es ein letztes Gewicht auf die Laſt, die
ſie ſchon wochenlang getragen hatte. Theodor betrog
ſich, wenn er glaubte, durch ſeine geſpannte unglück¬
liche Stimmung nur ſich ſelbſt wehe gethan zu haben.
Daß er verändert war, der erſte Glanz der Liebe
verblichen, das Herz ſeiner ſelbſt nicht mehr gewiß,
war Marien nicht entgangen. Wenn er zugegen war,
bezwang ſie ſich um ſeinetwillen; ſie hätte ihm um
die Welt nicht geſtanden, daß ſie an ihm zweifelte;
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |