Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.Augen dunkler aus dem zarten Gesicht herausleuch¬ Bianchi zuckte zusammen, als die Thür ins Schloß Augen dunkler aus dem zarten Geſicht herausleuch¬ Bianchi zuckte zuſammen, als die Thür ins Schloß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0203" n="191"/> Augen dunkler aus dem zarten Geſicht herausleuch¬<lb/> teten und der ernſthafte Mund ſich leiſe öffnete, wie<lb/> hier der aufſeufzende ihres Bruders. Es litt ihn<lb/> nicht länger auf dem Sitz. Er trat dicht vor das<lb/> Bildwerk; er kämpfte nicht mehr in ſich, mit Einem<lb/> Schlage glaubte er Alles entſchieden, alle Gefahr<lb/> angeſichts dieſer Hoheit und Anmuth bezwungen für<lb/> jetzt und immer. Er blieb ſo, bis das Abendroth<lb/> erloſch und das Geſicht ſich in den raſchen Dämme¬<lb/> rungen ihm entzog. Dann ging er, ohne ein Wort<lb/> zu ſagen, nach der Thür, in der Bianchi noch immer<lb/> ſtand; er haſchte nach der Hand des Freundes, drückte<lb/> ſie, ohne zu empfinden, wie welk und kalt ſie war,<lb/> und ging hinaus.</p><lb/> <p>Bianchi zuckte zuſammen, als die Thür ins Schloß<lb/> fiel. Er ſah verſtört mit abweſenden Gedanken um¬<lb/> her. So verharrte er an die Wand gelehnt, unfähig<lb/> ſich zu regen; denn entſchloſſen war er längſt. Aber<lb/> die Glieder waren dem Willen widerſpenſtig. Die<lb/> Nacht kam; er konnte ſich endlich aufrichten und ſtand,<lb/> das Zittern niederkämpfend, das ihn überfiel, die<lb/> geballten Fäuſte gegen die Augen gedrückt. Darauf<lb/> ſtieß er einen einzigen dumpfen Schrei heraus, und<lb/> es war als ſei er nun wieder Herr über ſich. Er<lb/> ging mit ruhigen Schritten aus dem Haus; keinem<lb/> der vielen Spaziergänger, die die Nachtkühle genoſſen,<lb/> fiel er auf; ſo gleichmüthig ſah er umher. Er betrat<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [191/0203]
Augen dunkler aus dem zarten Geſicht herausleuch¬
teten und der ernſthafte Mund ſich leiſe öffnete, wie
hier der aufſeufzende ihres Bruders. Es litt ihn
nicht länger auf dem Sitz. Er trat dicht vor das
Bildwerk; er kämpfte nicht mehr in ſich, mit Einem
Schlage glaubte er Alles entſchieden, alle Gefahr
angeſichts dieſer Hoheit und Anmuth bezwungen für
jetzt und immer. Er blieb ſo, bis das Abendroth
erloſch und das Geſicht ſich in den raſchen Dämme¬
rungen ihm entzog. Dann ging er, ohne ein Wort
zu ſagen, nach der Thür, in der Bianchi noch immer
ſtand; er haſchte nach der Hand des Freundes, drückte
ſie, ohne zu empfinden, wie welk und kalt ſie war,
und ging hinaus.
Bianchi zuckte zuſammen, als die Thür ins Schloß
fiel. Er ſah verſtört mit abweſenden Gedanken um¬
her. So verharrte er an die Wand gelehnt, unfähig
ſich zu regen; denn entſchloſſen war er längſt. Aber
die Glieder waren dem Willen widerſpenſtig. Die
Nacht kam; er konnte ſich endlich aufrichten und ſtand,
das Zittern niederkämpfend, das ihn überfiel, die
geballten Fäuſte gegen die Augen gedrückt. Darauf
ſtieß er einen einzigen dumpfen Schrei heraus, und
es war als ſei er nun wieder Herr über ſich. Er
ging mit ruhigen Schritten aus dem Haus; keinem
der vielen Spaziergänger, die die Nachtkühle genoſſen,
fiel er auf; ſo gleichmüthig ſah er umher. Er betrat
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