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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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pfindlich nachtönten. Marie trat zum Flügel und
begann die Verstimmung mit Musik zu besprechen.
Nur bei Theodor gelang es nicht. Das einfache Lied
vermochte nichts über ihn, in dessen Ohr der hastig
rasende Ton des Tamburin spukhaft wieder aufwachte
und das wunderliche Lied des Sängers die gegenwär¬
tige Stimme überbrauste. Er sah Bianchi's sichern
Blick auf sich gerichtet und hörte wieder die Worte:
Ein Wunder will sich begeben. Um ihn her war
ihm Alles fremd, nüchtern und wunderlos.

Nachdem sie gesungen, setzte sich Marie wieder zu
ihm; sie sprach deutsch mit ihm, sie fragte nach seinem
Tage, nach seinen Arbeiten, nach Bianchi. Er sprach
zerstreut, und so auch halb in Zerstreuung, als spräche
er mit sich selbst, erzählte er von der Osterie und
dem Tanze des Mädchens. Als er dann zufällig auf¬
sah, bemerkte er eine dunkle Spannung über den
feinen Brauen. Das Gespräch zwischen ihnen stockte.
Der Vater fragte nach englischen Familien, über die
die Gäste bereitwillig Rede standen. Sie waren Theo¬
dor fremd, und so war er von neuem seinen wüh¬
lenden Gedanken überantwortet. Er ging endlich.
Die Fremden hatten eine Wohnung bei Mariens El¬
tern angenommen. So kam es ihm vor, als ob er
auf einmal unselig aus diesem Kreise, der ihm sonst
gehörte, verdrängt worden sei, zwiefach, durch sich
und Andere.


pfindlich nachtönten. Marie trat zum Flügel und
begann die Verſtimmung mit Muſik zu beſprechen.
Nur bei Theodor gelang es nicht. Das einfache Lied
vermochte nichts über ihn, in deſſen Ohr der haſtig
raſende Ton des Tamburin ſpukhaft wieder aufwachte
und das wunderliche Lied des Sängers die gegenwär¬
tige Stimme überbrauſte. Er ſah Bianchi's ſichern
Blick auf ſich gerichtet und hörte wieder die Worte:
Ein Wunder will ſich begeben. Um ihn her war
ihm Alles fremd, nüchtern und wunderlos.

Nachdem ſie geſungen, ſetzte ſich Marie wieder zu
ihm; ſie ſprach deutſch mit ihm, ſie fragte nach ſeinem
Tage, nach ſeinen Arbeiten, nach Bianchi. Er ſprach
zerſtreut, und ſo auch halb in Zerſtreuung, als ſpräche
er mit ſich ſelbſt, erzählte er von der Oſterie und
dem Tanze des Mädchens. Als er dann zufällig auf¬
ſah, bemerkte er eine dunkle Spannung über den
feinen Brauen. Das Geſpräch zwiſchen ihnen ſtockte.
Der Vater fragte nach engliſchen Familien, über die
die Gäſte bereitwillig Rede ſtanden. Sie waren Theo¬
dor fremd, und ſo war er von neuem ſeinen wüh¬
lenden Gedanken überantwortet. Er ging endlich.
Die Fremden hatten eine Wohnung bei Mariens El¬
tern angenommen. So kam es ihm vor, als ob er
auf einmal unſelig aus dieſem Kreiſe, der ihm ſonſt
gehörte, verdrängt worden ſei, zwiefach, durch ſich
und Andere.


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[182/0194] pfindlich nachtönten. Marie trat zum Flügel und begann die Verſtimmung mit Muſik zu beſprechen. Nur bei Theodor gelang es nicht. Das einfache Lied vermochte nichts über ihn, in deſſen Ohr der haſtig raſende Ton des Tamburin ſpukhaft wieder aufwachte und das wunderliche Lied des Sängers die gegenwär¬ tige Stimme überbrauſte. Er ſah Bianchi's ſichern Blick auf ſich gerichtet und hörte wieder die Worte: Ein Wunder will ſich begeben. Um ihn her war ihm Alles fremd, nüchtern und wunderlos. Nachdem ſie geſungen, ſetzte ſich Marie wieder zu ihm; ſie ſprach deutſch mit ihm, ſie fragte nach ſeinem Tage, nach ſeinen Arbeiten, nach Bianchi. Er ſprach zerſtreut, und ſo auch halb in Zerſtreuung, als ſpräche er mit ſich ſelbſt, erzählte er von der Oſterie und dem Tanze des Mädchens. Als er dann zufällig auf¬ ſah, bemerkte er eine dunkle Spannung über den feinen Brauen. Das Geſpräch zwiſchen ihnen ſtockte. Der Vater fragte nach engliſchen Familien, über die die Gäſte bereitwillig Rede ſtanden. Sie waren Theo¬ dor fremd, und ſo war er von neuem ſeinen wüh¬ lenden Gedanken überantwortet. Er ging endlich. Die Fremden hatten eine Wohnung bei Mariens El¬ tern angenommen. So kam es ihm vor, als ob er auf einmal unſelig aus dieſem Kreiſe, der ihm ſonſt gehörte, verdrängt worden ſei, zwiefach, durch ſich und Andere.

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/194>, abgerufen am 28.11.2024.