Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Nein, denn ich thue es nicht um ein paar Paul.
Ich thu' es Euch zu Liebe.

Der Andere lag eine Weile stumm. Dann sagte
er mit seltsamer Heftigkeit: Ihr thätet mir einen Ge¬
fallen, wenn Ihr ginget. Es ist mir wie eine Krank¬
heit, wenn sich ein Mensch um mich bekümmert, und
wenn ich danken soll, bin ich ungeschickter, als ein
alter Mann, der einer Dirne aufwarten will.

Was geht mich Euer Dank an. Ich bleibe, weil
Ihr mich braucht. Könnt Ihr mich entbehren, so
sollt Ihr nicht zu klagen haben, daß ich Euch beschwer¬
lich falle.

Ich kann nicht schlafen, wenn ich Euch da sitzen
und frieren weiß.

Der Andere schürte das Feuer. Ich hoffe, Ihr
spürt bis da drüben hin, daß mir warm sein muß.

Nach einer Pause, in der der Kranke mit geschlos¬
senen Augen gelegen hatte, fragte er von neuem:

Ihr seid ein Lutheraner, Herr?

Ja.

Ich wußt' es, sagte Bianchi vor sich hin. Er
will die Kirche um eine Seele betrügen. Darum
thut er das Alles. Sie sind nicht besser als wir.

Ihr redet im Fieber, sagte Theodor nachdrücklich.
Redet was Ihr wollt.

Sie schwiegen jetzt eine lange Zeit. Theodor legte
nach wie vor frisches Eis auf, und Bianchi lag in¬

Nein, denn ich thue es nicht um ein paar Paul.
Ich thu' es Euch zu Liebe.

Der Andere lag eine Weile ſtumm. Dann ſagte
er mit ſeltſamer Heftigkeit: Ihr thätet mir einen Ge¬
fallen, wenn Ihr ginget. Es iſt mir wie eine Krank¬
heit, wenn ſich ein Menſch um mich bekümmert, und
wenn ich danken ſoll, bin ich ungeſchickter, als ein
alter Mann, der einer Dirne aufwarten will.

Was geht mich Euer Dank an. Ich bleibe, weil
Ihr mich braucht. Könnt Ihr mich entbehren, ſo
ſollt Ihr nicht zu klagen haben, daß ich Euch beſchwer¬
lich falle.

Ich kann nicht ſchlafen, wenn ich Euch da ſitzen
und frieren weiß.

Der Andere ſchürte das Feuer. Ich hoffe, Ihr
ſpürt bis da drüben hin, daß mir warm ſein muß.

Nach einer Pauſe, in der der Kranke mit geſchloſ¬
ſenen Augen gelegen hatte, fragte er von neuem:

Ihr ſeid ein Lutheraner, Herr?

Ja.

Ich wußt' es, ſagte Bianchi vor ſich hin. Er
will die Kirche um eine Seele betrügen. Darum
thut er das Alles. Sie ſind nicht beſſer als wir.

Ihr redet im Fieber, ſagte Theodor nachdrücklich.
Redet was Ihr wollt.

Sie ſchwiegen jetzt eine lange Zeit. Theodor legte
nach wie vor friſches Eis auf, und Bianchi lag in¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0162" n="150"/>
        <p>Nein, denn ich thue es nicht um ein paar Paul.<lb/>
Ich thu' es Euch zu Liebe.</p><lb/>
        <p>Der Andere lag eine Weile &#x017F;tumm. Dann &#x017F;agte<lb/>
er mit &#x017F;elt&#x017F;amer Heftigkeit: Ihr thätet mir einen Ge¬<lb/>
fallen, wenn Ihr ginget. Es i&#x017F;t mir wie eine Krank¬<lb/>
heit, wenn &#x017F;ich ein Men&#x017F;ch um mich bekümmert, und<lb/>
wenn ich danken &#x017F;oll, bin ich unge&#x017F;chickter, als ein<lb/>
alter Mann, der einer Dirne aufwarten will.</p><lb/>
        <p>Was geht mich Euer Dank an. Ich bleibe, weil<lb/>
Ihr mich braucht. Könnt Ihr mich entbehren, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ollt Ihr nicht zu klagen haben, daß ich Euch be&#x017F;chwer¬<lb/>
lich falle.</p><lb/>
        <p>Ich kann nicht &#x017F;chlafen, wenn ich Euch da &#x017F;itzen<lb/>
und frieren weiß.</p><lb/>
        <p>Der Andere &#x017F;chürte das Feuer. Ich hoffe, Ihr<lb/>
&#x017F;pürt bis da drüben hin, daß mir warm &#x017F;ein muß.</p><lb/>
        <p>Nach einer Pau&#x017F;e, in der der Kranke mit ge&#x017F;chlo&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;enen Augen gelegen hatte, fragte er von neuem:</p><lb/>
        <p>Ihr &#x017F;eid ein Lutheraner, Herr?</p><lb/>
        <p>Ja.</p><lb/>
        <p>Ich wußt' es, &#x017F;agte Bianchi vor &#x017F;ich hin. Er<lb/>
will die Kirche um eine Seele betrügen. Darum<lb/>
thut er das Alles. Sie &#x017F;ind nicht be&#x017F;&#x017F;er als wir.</p><lb/>
        <p>Ihr redet im Fieber, &#x017F;agte Theodor nachdrücklich.<lb/>
Redet was Ihr wollt.</p><lb/>
        <p>Sie &#x017F;chwiegen jetzt eine lange Zeit. Theodor legte<lb/>
nach wie vor fri&#x017F;ches Eis auf, und Bianchi lag in¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[150/0162] Nein, denn ich thue es nicht um ein paar Paul. Ich thu' es Euch zu Liebe. Der Andere lag eine Weile ſtumm. Dann ſagte er mit ſeltſamer Heftigkeit: Ihr thätet mir einen Ge¬ fallen, wenn Ihr ginget. Es iſt mir wie eine Krank¬ heit, wenn ſich ein Menſch um mich bekümmert, und wenn ich danken ſoll, bin ich ungeſchickter, als ein alter Mann, der einer Dirne aufwarten will. Was geht mich Euer Dank an. Ich bleibe, weil Ihr mich braucht. Könnt Ihr mich entbehren, ſo ſollt Ihr nicht zu klagen haben, daß ich Euch beſchwer¬ lich falle. Ich kann nicht ſchlafen, wenn ich Euch da ſitzen und frieren weiß. Der Andere ſchürte das Feuer. Ich hoffe, Ihr ſpürt bis da drüben hin, daß mir warm ſein muß. Nach einer Pauſe, in der der Kranke mit geſchloſ¬ ſenen Augen gelegen hatte, fragte er von neuem: Ihr ſeid ein Lutheraner, Herr? Ja. Ich wußt' es, ſagte Bianchi vor ſich hin. Er will die Kirche um eine Seele betrügen. Darum thut er das Alles. Sie ſind nicht beſſer als wir. Ihr redet im Fieber, ſagte Theodor nachdrücklich. Redet was Ihr wollt. Sie ſchwiegen jetzt eine lange Zeit. Theodor legte nach wie vor friſches Eis auf, und Bianchi lag in¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/162
Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/162>, abgerufen am 19.12.2024.