Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyking, Elisabeth von: Zwei Erzählungen. Leipzig, [1918].

Bild:
<< vorherige Seite

Sie nur ja wieder, Cousine Dorothee!" sagte er beim Abschied, und eine große Angst zitterte in seiner Stimme. Dorothee nickte nur herablassend, wie eine Königin, die es nicht nötig hat, ihren Untertanen Versprechungen zu geben.

"Un brave garcon, mais bien rustaud," meinte Tante Sonja geringschätzig, als es dann weiter ging.

Anfänglich war Dorothee alles noch wohl vertraut; man fuhr ja durch Livland, auf Wegen oder Weglosigkeiten, die sie kannte. Tiefer Sand wechselte mit hohen, steinigen Buckeln. Um über diese Höcker der Straße hinwegzusetzen, trieb der Kutscher die Pferde mit Peitsche und lautem Anruf zu wildem Galopp an. Blieb der Wagen aber doch einmal zwischen Löchern und großen Steinblöcken stecken, so wurden die lettischen Bauern von den Gehöften und Feldern herbeigerufen, um das schwerfällige Fuhrwerk herauszuheben.

"Ach," seufzte Tante Sonja nach einem solchen Zwischenfall, "wenn es doch möglich sein sollte, hier einmal Schienen zu legen für solch neue Dampfwagen, wie sie jetzt zwischen Petersburg und Zarskoje laufen. Voriges Jahr bei der Eröffnung der Bahn sind Kaiser und Kaiserin mit dem ersten Zug gefahren."

Und weiter ging es jetzt durch tiefe Wälder, wo die Bäume wie böse schwarze Riesen standen, und es in ihren Zweigen zürnend rauschte, daß so manche ihresgleichen gefällt worden waren, um den Weg zu schaffen für die erbärmlichen Wichte, die da unten fuhren. Weit vor beugten sich die Wipfel im Winde, als wollten sie Tante Sonjas Karosse zermalmen.

Sie nur ja wieder, Cousine Dorothee!“ sagte er beim Abschied, und eine große Angst zitterte in seiner Stimme. Dorothee nickte nur herablassend, wie eine Königin, die es nicht nötig hat, ihren Untertanen Versprechungen zu geben.

Un brave garçon, mais bien rustaud,“ meinte Tante Sonja geringschätzig, als es dann weiter ging.

Anfänglich war Dorothee alles noch wohl vertraut; man fuhr ja durch Livland, auf Wegen oder Weglosigkeiten, die sie kannte. Tiefer Sand wechselte mit hohen, steinigen Buckeln. Um über diese Höcker der Straße hinwegzusetzen, trieb der Kutscher die Pferde mit Peitsche und lautem Anruf zu wildem Galopp an. Blieb der Wagen aber doch einmal zwischen Löchern und großen Steinblöcken stecken, so wurden die lettischen Bauern von den Gehöften und Feldern herbeigerufen, um das schwerfällige Fuhrwerk herauszuheben.

„Ach,“ seufzte Tante Sonja nach einem solchen Zwischenfall, „wenn es doch möglich sein sollte, hier einmal Schienen zu legen für solch neue Dampfwagen, wie sie jetzt zwischen Petersburg und Zarskoje laufen. Voriges Jahr bei der Eröffnung der Bahn sind Kaiser und Kaiserin mit dem ersten Zug gefahren.“

Und weiter ging es jetzt durch tiefe Wälder, wo die Bäume wie böse schwarze Riesen standen, und es in ihren Zweigen zürnend rauschte, daß so manche ihresgleichen gefällt worden waren, um den Weg zu schaffen für die erbärmlichen Wichte, die da unten fuhren. Weit vor beugten sich die Wipfel im Winde, als wollten sie Tante Sonjas Karosse zermalmen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0088" n="86"/>
Sie nur ja wieder, Cousine Dorothee!&#x201C; sagte er beim Abschied, und eine große Angst zitterte in seiner Stimme. Dorothee nickte nur herablassend, wie eine Königin, die es nicht nötig hat, ihren Untertanen Versprechungen zu geben.</p>
        <p>&#x201E;<hi rendition="#aq">Un brave garçon, mais bien rustaud</hi>,&#x201C; meinte Tante Sonja geringschätzig, als es dann weiter ging.</p>
        <p>Anfänglich war Dorothee alles noch wohl vertraut; man fuhr ja durch Livland, auf Wegen oder Weglosigkeiten, die sie kannte. Tiefer Sand wechselte mit hohen, steinigen Buckeln. Um über diese Höcker der Straße hinwegzusetzen, trieb der Kutscher die Pferde mit Peitsche und lautem Anruf zu wildem Galopp an. Blieb der Wagen aber doch einmal zwischen Löchern und großen Steinblöcken stecken, so wurden die lettischen Bauern von den Gehöften und Feldern herbeigerufen, um das schwerfällige Fuhrwerk herauszuheben.</p>
        <p>&#x201E;Ach,&#x201C; seufzte Tante Sonja nach einem solchen Zwischenfall, &#x201E;wenn es doch möglich sein sollte, hier einmal Schienen zu legen für solch neue Dampfwagen, wie sie jetzt zwischen Petersburg und Zarskoje laufen. Voriges Jahr bei der Eröffnung der Bahn sind Kaiser und Kaiserin mit dem ersten Zug gefahren.&#x201C;</p>
        <p>Und weiter ging es jetzt durch tiefe Wälder, wo die Bäume wie böse schwarze Riesen standen, und es in ihren Zweigen zürnend rauschte, daß so manche ihresgleichen gefällt worden waren, um den Weg zu schaffen für die erbärmlichen Wichte, die da unten fuhren. Weit vor beugten sich die Wipfel im Winde, als wollten sie Tante Sonjas Karosse zermalmen.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0088] Sie nur ja wieder, Cousine Dorothee!“ sagte er beim Abschied, und eine große Angst zitterte in seiner Stimme. Dorothee nickte nur herablassend, wie eine Königin, die es nicht nötig hat, ihren Untertanen Versprechungen zu geben. „Un brave garçon, mais bien rustaud,“ meinte Tante Sonja geringschätzig, als es dann weiter ging. Anfänglich war Dorothee alles noch wohl vertraut; man fuhr ja durch Livland, auf Wegen oder Weglosigkeiten, die sie kannte. Tiefer Sand wechselte mit hohen, steinigen Buckeln. Um über diese Höcker der Straße hinwegzusetzen, trieb der Kutscher die Pferde mit Peitsche und lautem Anruf zu wildem Galopp an. Blieb der Wagen aber doch einmal zwischen Löchern und großen Steinblöcken stecken, so wurden die lettischen Bauern von den Gehöften und Feldern herbeigerufen, um das schwerfällige Fuhrwerk herauszuheben. „Ach,“ seufzte Tante Sonja nach einem solchen Zwischenfall, „wenn es doch möglich sein sollte, hier einmal Schienen zu legen für solch neue Dampfwagen, wie sie jetzt zwischen Petersburg und Zarskoje laufen. Voriges Jahr bei der Eröffnung der Bahn sind Kaiser und Kaiserin mit dem ersten Zug gefahren.“ Und weiter ging es jetzt durch tiefe Wälder, wo die Bäume wie böse schwarze Riesen standen, und es in ihren Zweigen zürnend rauschte, daß so manche ihresgleichen gefällt worden waren, um den Weg zu schaffen für die erbärmlichen Wichte, die da unten fuhren. Weit vor beugten sich die Wipfel im Winde, als wollten sie Tante Sonjas Karosse zermalmen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-15T09:32:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-15T09:32:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-15T09:32:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyking_erzaehlungen_1918
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyking_erzaehlungen_1918/88
Zitationshilfe: Heyking, Elisabeth von: Zwei Erzählungen. Leipzig, [1918], S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyking_erzaehlungen_1918/88>, abgerufen am 02.05.2024.