Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyking, Elisabeth von: Zwei Erzählungen. Leipzig, [1918].

Bild:
<< vorherige Seite

Zuerst ging es nach Berlin, das sie beide längst kannten. Dann über die Alpen und weiter hinab.

Morgens im Schlafwagen erwachend, blickten sie hinaus in die gänzlich veränderte Welt, wo milde Luft und weiche Laute ihnen entgegenschlugen, wo die Menschen schwarzes Haar und dunkle Augen hatten. Durch viele Tunnels, immer wieder Blicke auf ein unendlich duftig blaues Meer gestattend, führte sie dann die Bahn.

Gegen Mittag waren sie an ihrem Bestimmungsort angekommen. Und auch aus den Fenstern ihrer Hotelzimmer sah man dieses seltsam leuchtende Meer. Dorothee mußte immer wieder hinausschauen. Sie wäre am liebsten gleich hinunter an den Strand gegangen, um dieser lockenden Bläue nur ja recht nahe zu sein. Aber Arnold war müde. Gleich nach dem Essen legte er sich aufs Sofa, bat, daß man die Vorhänge schlösse und ihn ungestört ruhen lasse. Nun litt es Dorothee nicht mehr im Hause, und nachdem sie dem lettischen Diener eingeschärft, seinem Herrn zur Hand zu bleiben, ging sie hinab und trat aus dem Hotel.

Auf der blendendweißen Straße hielt ein Wagen. Fremdartiges Geschirr trugen die Pferde, und dem Kutscher, mit dem klugen schmalen Gesicht, steckte eine Feder keck am Hute. Er machte eine artige Gebärde und frug, ob die fremde Dame nicht mit so guten Pferden fahren wolle, beinahe, als ob ein bekannter Herr ihr seinen Wagen angeboten hätte, und vergleichend dachte Dorothee an die Droschken in Riga! Ohne sich zu besinnen, stieg sie ein und nannte dem Kutscher einen Namen. Leise nur sprach sie ihn aus,

Zuerst ging es nach Berlin, das sie beide längst kannten. Dann über die Alpen und weiter hinab.

Morgens im Schlafwagen erwachend, blickten sie hinaus in die gänzlich veränderte Welt, wo milde Luft und weiche Laute ihnen entgegenschlugen, wo die Menschen schwarzes Haar und dunkle Augen hatten. Durch viele Tunnels, immer wieder Blicke auf ein unendlich duftig blaues Meer gestattend, führte sie dann die Bahn.

Gegen Mittag waren sie an ihrem Bestimmungsort angekommen. Und auch aus den Fenstern ihrer Hotelzimmer sah man dieses seltsam leuchtende Meer. Dorothee mußte immer wieder hinausschauen. Sie wäre am liebsten gleich hinunter an den Strand gegangen, um dieser lockenden Bläue nur ja recht nahe zu sein. Aber Arnold war müde. Gleich nach dem Essen legte er sich aufs Sofa, bat, daß man die Vorhänge schlösse und ihn ungestört ruhen lasse. Nun litt es Dorothee nicht mehr im Hause, und nachdem sie dem lettischen Diener eingeschärft, seinem Herrn zur Hand zu bleiben, ging sie hinab und trat aus dem Hotel.

Auf der blendendweißen Straße hielt ein Wagen. Fremdartiges Geschirr trugen die Pferde, und dem Kutscher, mit dem klugen schmalen Gesicht, steckte eine Feder keck am Hute. Er machte eine artige Gebärde und frug, ob die fremde Dame nicht mit so guten Pferden fahren wolle, beinahe, als ob ein bekannter Herr ihr seinen Wagen angeboten hätte, und vergleichend dachte Dorothee an die Droschken in Riga! Ohne sich zu besinnen, stieg sie ein und nannte dem Kutscher einen Namen. Leise nur sprach sie ihn aus,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0109" n="107"/>
        <p>Zuerst ging es nach Berlin, das sie beide längst kannten. Dann über die Alpen und weiter hinab.</p>
        <p>Morgens im Schlafwagen erwachend, blickten sie hinaus in die gänzlich veränderte Welt, wo milde Luft und weiche Laute ihnen entgegenschlugen, wo die Menschen schwarzes Haar und dunkle Augen hatten. Durch viele Tunnels, immer wieder Blicke auf ein unendlich duftig blaues Meer gestattend, führte sie dann die Bahn.</p>
        <p>Gegen Mittag waren sie an ihrem Bestimmungsort angekommen. Und auch aus den Fenstern ihrer Hotelzimmer sah man dieses seltsam leuchtende Meer. Dorothee mußte immer wieder hinausschauen. Sie wäre am liebsten gleich hinunter an den Strand gegangen, um dieser lockenden Bläue nur ja recht nahe zu sein. Aber Arnold war müde. Gleich nach dem Essen legte er sich aufs Sofa, bat, daß man die Vorhänge schlösse und ihn ungestört ruhen lasse. Nun litt es Dorothee nicht mehr im Hause, und nachdem sie dem lettischen Diener eingeschärft, seinem Herrn zur Hand zu bleiben, ging sie hinab und trat aus dem Hotel.</p>
        <p>Auf der blendendweißen Straße hielt ein Wagen. Fremdartiges Geschirr trugen die Pferde, und dem Kutscher, mit dem klugen schmalen Gesicht, steckte eine Feder keck am Hute. Er machte eine artige Gebärde und frug, ob die fremde Dame nicht mit so guten Pferden fahren wolle, beinahe, als ob ein bekannter Herr ihr seinen Wagen angeboten hätte, und vergleichend dachte Dorothee an die Droschken in Riga! Ohne sich zu besinnen, stieg sie ein und nannte dem Kutscher einen Namen. Leise nur sprach sie ihn aus,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0109] Zuerst ging es nach Berlin, das sie beide längst kannten. Dann über die Alpen und weiter hinab. Morgens im Schlafwagen erwachend, blickten sie hinaus in die gänzlich veränderte Welt, wo milde Luft und weiche Laute ihnen entgegenschlugen, wo die Menschen schwarzes Haar und dunkle Augen hatten. Durch viele Tunnels, immer wieder Blicke auf ein unendlich duftig blaues Meer gestattend, führte sie dann die Bahn. Gegen Mittag waren sie an ihrem Bestimmungsort angekommen. Und auch aus den Fenstern ihrer Hotelzimmer sah man dieses seltsam leuchtende Meer. Dorothee mußte immer wieder hinausschauen. Sie wäre am liebsten gleich hinunter an den Strand gegangen, um dieser lockenden Bläue nur ja recht nahe zu sein. Aber Arnold war müde. Gleich nach dem Essen legte er sich aufs Sofa, bat, daß man die Vorhänge schlösse und ihn ungestört ruhen lasse. Nun litt es Dorothee nicht mehr im Hause, und nachdem sie dem lettischen Diener eingeschärft, seinem Herrn zur Hand zu bleiben, ging sie hinab und trat aus dem Hotel. Auf der blendendweißen Straße hielt ein Wagen. Fremdartiges Geschirr trugen die Pferde, und dem Kutscher, mit dem klugen schmalen Gesicht, steckte eine Feder keck am Hute. Er machte eine artige Gebärde und frug, ob die fremde Dame nicht mit so guten Pferden fahren wolle, beinahe, als ob ein bekannter Herr ihr seinen Wagen angeboten hätte, und vergleichend dachte Dorothee an die Droschken in Riga! Ohne sich zu besinnen, stieg sie ein und nannte dem Kutscher einen Namen. Leise nur sprach sie ihn aus,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-15T09:32:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-15T09:32:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-15T09:32:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyking_erzaehlungen_1918
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyking_erzaehlungen_1918/109
Zitationshilfe: Heyking, Elisabeth von: Zwei Erzählungen. Leipzig, [1918], S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyking_erzaehlungen_1918/109>, abgerufen am 24.11.2024.