Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

verdiene, und daß die böse Welt am sichersten davon Ueberzeugung erhalten könne, wenn Betty, seines ausdrücklichen Verbotes ungeachtet, seinen räthselhaften Schritten heimlich folge und, wider seinen Willen, in sein Geheimniß eindringe. Gewiß werde sie alsdann den Gemahl gut, redlich und unschuldig finden, und um so sicherer alles Gerede der Welt in der glücklichsten Ueberzeugung vom Gegentheile, das alsdann über kurz oder lang doch allgemein bekannt werden müsse, verachten.

Betty fand dieses Mittel sehr zweckmäßig und schauderte zugleich davor zurück, -- aber dieser Schauder eben hatte auch wieder etwas Lockendes. Sie verdankte ihrem Gatten Wohlstand, Lebensgenuß und tausend Beweise der zärtlichsten Liebe und Sorgfalt; es schien also, wenn auch nicht Gegenliebe, so doch Dankbarkeit sie aufzurufen, seinen Willen bei der einzigen Veranlassung zu ehren, bei welcher er ihn jemals im Gegensatze des ihrigen geltend gemacht. Aber es lag auch für sie gerade im Verbotenen eine kräftige Anreizung, und eine um so kräftigere, als ihre Phantasie immer geschäftiger wurde, durch Vorspiegelung höchst seltsamer und wunderbarer Entdeckungen ihre Neugier zu spannen. Sie gab sich dieser Neugier nach einigem Kampfe hin, und das Verderben ihres Gatten war beschlossen. -- Was indessen geschehen sollte, mußte bald geschehen, denn Williams hatte die Aenderung seiner Lebensweise schon als in

verdiene, und daß die böse Welt am sichersten davon Ueberzeugung erhalten könne, wenn Betty, seines ausdrücklichen Verbotes ungeachtet, seinen räthselhaften Schritten heimlich folge und, wider seinen Willen, in sein Geheimniß eindringe. Gewiß werde sie alsdann den Gemahl gut, redlich und unschuldig finden, und um so sicherer alles Gerede der Welt in der glücklichsten Ueberzeugung vom Gegentheile, das alsdann über kurz oder lang doch allgemein bekannt werden müsse, verachten.

Betty fand dieses Mittel sehr zweckmäßig und schauderte zugleich davor zurück, — aber dieser Schauder eben hatte auch wieder etwas Lockendes. Sie verdankte ihrem Gatten Wohlstand, Lebensgenuß und tausend Beweise der zärtlichsten Liebe und Sorgfalt; es schien also, wenn auch nicht Gegenliebe, so doch Dankbarkeit sie aufzurufen, seinen Willen bei der einzigen Veranlassung zu ehren, bei welcher er ihn jemals im Gegensatze des ihrigen geltend gemacht. Aber es lag auch für sie gerade im Verbotenen eine kräftige Anreizung, und eine um so kräftigere, als ihre Phantasie immer geschäftiger wurde, durch Vorspiegelung höchst seltsamer und wunderbarer Entdeckungen ihre Neugier zu spannen. Sie gab sich dieser Neugier nach einigem Kampfe hin, und das Verderben ihres Gatten war beschlossen. — Was indessen geschehen sollte, mußte bald geschehen, denn Williams hatte die Aenderung seiner Lebensweise schon als in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0049"/>
verdiene, und daß die böse Welt                am sichersten davon Ueberzeugung erhalten könne, wenn Betty, seines ausdrücklichen                Verbotes ungeachtet, seinen räthselhaften Schritten heimlich folge und, wider seinen                Willen, in sein Geheimniß eindringe. Gewiß werde sie alsdann den Gemahl gut, redlich                und unschuldig finden, und um so sicherer alles Gerede der Welt in der glücklichsten                Ueberzeugung vom Gegentheile, das alsdann über kurz oder lang doch allgemein bekannt                werden müsse, verachten.</p><lb/>
        <p>Betty fand dieses Mittel sehr zweckmäßig und schauderte zugleich davor zurück, &#x2014; aber                dieser Schauder eben hatte auch wieder etwas Lockendes. Sie verdankte ihrem Gatten                Wohlstand, Lebensgenuß und tausend Beweise der zärtlichsten Liebe und Sorgfalt; es                schien also, wenn auch nicht Gegenliebe, so doch Dankbarkeit sie aufzurufen, seinen                Willen bei der einzigen Veranlassung zu ehren, bei welcher er ihn jemals im                Gegensatze des ihrigen geltend gemacht. Aber es lag auch für sie gerade im Verbotenen                eine kräftige Anreizung, und eine um so kräftigere, als ihre Phantasie immer                geschäftiger wurde, durch Vorspiegelung höchst seltsamer und wunderbarer Entdeckungen                ihre Neugier zu spannen. Sie gab sich dieser Neugier nach einigem Kampfe hin, und das                Verderben ihres Gatten war beschlossen. &#x2014; Was indessen geschehen sollte, mußte bald                geschehen, denn Williams hatte die Aenderung seiner Lebensweise schon als in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0049] verdiene, und daß die böse Welt am sichersten davon Ueberzeugung erhalten könne, wenn Betty, seines ausdrücklichen Verbotes ungeachtet, seinen räthselhaften Schritten heimlich folge und, wider seinen Willen, in sein Geheimniß eindringe. Gewiß werde sie alsdann den Gemahl gut, redlich und unschuldig finden, und um so sicherer alles Gerede der Welt in der glücklichsten Ueberzeugung vom Gegentheile, das alsdann über kurz oder lang doch allgemein bekannt werden müsse, verachten. Betty fand dieses Mittel sehr zweckmäßig und schauderte zugleich davor zurück, — aber dieser Schauder eben hatte auch wieder etwas Lockendes. Sie verdankte ihrem Gatten Wohlstand, Lebensgenuß und tausend Beweise der zärtlichsten Liebe und Sorgfalt; es schien also, wenn auch nicht Gegenliebe, so doch Dankbarkeit sie aufzurufen, seinen Willen bei der einzigen Veranlassung zu ehren, bei welcher er ihn jemals im Gegensatze des ihrigen geltend gemacht. Aber es lag auch für sie gerade im Verbotenen eine kräftige Anreizung, und eine um so kräftigere, als ihre Phantasie immer geschäftiger wurde, durch Vorspiegelung höchst seltsamer und wunderbarer Entdeckungen ihre Neugier zu spannen. Sie gab sich dieser Neugier nach einigem Kampfe hin, und das Verderben ihres Gatten war beschlossen. — Was indessen geschehen sollte, mußte bald geschehen, denn Williams hatte die Aenderung seiner Lebensweise schon als in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:12:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:12:58Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910/49
Zitationshilfe: Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910/49>, abgerufen am 24.04.2024.