Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.beweisen, indem er sich nie betreffen lasse, und er sei, nach einem in den französischen Blättern befindlichen Signalement, ein berüchtigter, von den Galeeren zu Toulon entsprungener Verbrecher. Ob Betty etwas von diesen Aeußerungen glaubte und wie viel, steht dahin. Die Gewißheit, daß solch entehrender Verdacht hinsichtlich ihres Gatten rege geworden, genügte, sie zur Verzweiflung zu bringen. Was konnte es ihr helfen, daß der Austritt ihres Gemahls aus dieser verdächtigen Heimlichkeit nahe bevorstand; was geschehen war, blieb doch geschehen, und wie auch sein Betragen in der Zukunft beschaffen sein mochte, so blieb doch ein Brandmal auf seiner Vergangenheit, welches jeder Uebelwollende nach seinem Belieben durch böse Nachrede vergrößern oder verewigen konnte. Die beiden Freundinnen theilten, wie sich von selbst versteht, die Ansichten der geängstigten jungen Frau von ganzem Herzen; sie hätten aber sehr unerfahren sein müssen in der Kunst, häusliches Glück zu zerstören, wenn sie mit aufgespannten Segeln dem vollen Winde von Betty's bösen Ahnungen ohne Weiteres sich hingegeben hätten. Es lag ihnen hauptsächlich daran, das Geheimniß vor aller Welt enthüllt zu sehen, und Betty sollte ihnen als Werkzeug dazu dienen. Sie seien, versicherten sie, fest überzeugt, daß alle Gerüchte über Williams Lügen seien, daß er keineswegs den Namen eines Verbrechers, sondern nur den eines Sonderlings beweisen, indem er sich nie betreffen lasse, und er sei, nach einem in den französischen Blättern befindlichen Signalement, ein berüchtigter, von den Galeeren zu Toulon entsprungener Verbrecher. Ob Betty etwas von diesen Aeußerungen glaubte und wie viel, steht dahin. Die Gewißheit, daß solch entehrender Verdacht hinsichtlich ihres Gatten rege geworden, genügte, sie zur Verzweiflung zu bringen. Was konnte es ihr helfen, daß der Austritt ihres Gemahls aus dieser verdächtigen Heimlichkeit nahe bevorstand; was geschehen war, blieb doch geschehen, und wie auch sein Betragen in der Zukunft beschaffen sein mochte, so blieb doch ein Brandmal auf seiner Vergangenheit, welches jeder Uebelwollende nach seinem Belieben durch böse Nachrede vergrößern oder verewigen konnte. Die beiden Freundinnen theilten, wie sich von selbst versteht, die Ansichten der geängstigten jungen Frau von ganzem Herzen; sie hätten aber sehr unerfahren sein müssen in der Kunst, häusliches Glück zu zerstören, wenn sie mit aufgespannten Segeln dem vollen Winde von Betty's bösen Ahnungen ohne Weiteres sich hingegeben hätten. Es lag ihnen hauptsächlich daran, das Geheimniß vor aller Welt enthüllt zu sehen, und Betty sollte ihnen als Werkzeug dazu dienen. Sie seien, versicherten sie, fest überzeugt, daß alle Gerüchte über Williams Lügen seien, daß er keineswegs den Namen eines Verbrechers, sondern nur den eines Sonderlings <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0048"/> beweisen, indem er sich nie betreffen lasse, und er sei, nach einem in den französischen Blättern befindlichen Signalement, ein berüchtigter, von den Galeeren zu Toulon entsprungener Verbrecher. Ob Betty etwas von diesen Aeußerungen glaubte und wie viel, steht dahin. Die Gewißheit, daß solch entehrender Verdacht hinsichtlich ihres Gatten rege geworden, genügte, sie zur Verzweiflung zu bringen. Was konnte es ihr helfen, daß der Austritt ihres Gemahls aus dieser verdächtigen Heimlichkeit nahe bevorstand; was geschehen war, blieb doch geschehen, und wie auch sein Betragen in der Zukunft beschaffen sein mochte, so blieb doch ein Brandmal auf seiner Vergangenheit, welches jeder Uebelwollende nach seinem Belieben durch böse Nachrede vergrößern oder verewigen konnte. Die beiden Freundinnen theilten, wie sich von selbst versteht, die Ansichten der geängstigten jungen Frau von ganzem Herzen; sie hätten aber sehr unerfahren sein müssen in der Kunst, häusliches Glück zu zerstören, wenn sie mit aufgespannten Segeln dem vollen Winde von Betty's bösen Ahnungen ohne Weiteres sich hingegeben hätten.</p><lb/> <p>Es lag ihnen hauptsächlich daran, das Geheimniß vor aller Welt enthüllt zu sehen, und Betty sollte ihnen als Werkzeug dazu dienen. Sie seien, versicherten sie, fest überzeugt, daß alle Gerüchte über Williams Lügen seien, daß er keineswegs den Namen eines Verbrechers, sondern nur den eines Sonderlings<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0048]
beweisen, indem er sich nie betreffen lasse, und er sei, nach einem in den französischen Blättern befindlichen Signalement, ein berüchtigter, von den Galeeren zu Toulon entsprungener Verbrecher. Ob Betty etwas von diesen Aeußerungen glaubte und wie viel, steht dahin. Die Gewißheit, daß solch entehrender Verdacht hinsichtlich ihres Gatten rege geworden, genügte, sie zur Verzweiflung zu bringen. Was konnte es ihr helfen, daß der Austritt ihres Gemahls aus dieser verdächtigen Heimlichkeit nahe bevorstand; was geschehen war, blieb doch geschehen, und wie auch sein Betragen in der Zukunft beschaffen sein mochte, so blieb doch ein Brandmal auf seiner Vergangenheit, welches jeder Uebelwollende nach seinem Belieben durch böse Nachrede vergrößern oder verewigen konnte. Die beiden Freundinnen theilten, wie sich von selbst versteht, die Ansichten der geängstigten jungen Frau von ganzem Herzen; sie hätten aber sehr unerfahren sein müssen in der Kunst, häusliches Glück zu zerstören, wenn sie mit aufgespannten Segeln dem vollen Winde von Betty's bösen Ahnungen ohne Weiteres sich hingegeben hätten.
Es lag ihnen hauptsächlich daran, das Geheimniß vor aller Welt enthüllt zu sehen, und Betty sollte ihnen als Werkzeug dazu dienen. Sie seien, versicherten sie, fest überzeugt, daß alle Gerüchte über Williams Lügen seien, daß er keineswegs den Namen eines Verbrechers, sondern nur den eines Sonderlings
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Zitationshilfe: | Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910/48>, abgerufen am 16.07.2024. |