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Herzl, Theodor: Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage. Leipzig u. a., 1896.

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Wohlthat sein, weil es die Bewucherung durch Kleinhändler,
Wirthe etc. verhindert. Die Company aber vereitelt so von vornherein,
dass sich unsere kleinen Leute drüben dem gewohnten
Hausirhandel zuwenden, zu dem sie hüben ja auch nur durch
eine geschichtliche Entwicklung gezwungen wurden. Und die
Company behält die Säufer und Liederlichen in der Hand. Es
wird also in der ersten Zeit der Landnahme gar keine Arbeitslöhne
geben?

Doch: Ueberlöhne.



Der Siebenstundentag.

Der Normalarbeitstag ist der Siebenstundentag!

Das heisst nicht, dass täglich nur sieben Stunden lang
Bäume gefällt, Erde gegraben, Steine geführt, kurz die hundert
Arbeiten gethan werden sollen. Nein. Man wird vierzehn Stunden
arbeiten. Aber die Arbeitertrupps werden einander nach je
dreieinhalb Stunden ablösen. Die Organisation wird ganz militärisch
sein, mit Chargen, Avancement und Pensionirung. Wo
die Pensionen herzunehmen sind, wird später ausgeführt.

Dreieinhalb Stunden hindurch kann ein gesunder Mann
sehr viel concentrirte Arbeit hergeben. Nach dreieinhalb Stunden
Pause - die er seiner Ruhe, seiner Familie, seiner geleiteten
Fortbildung widmet - ist er wieder ganz frisch. Solche Arbeitskräfte
können Wunder wirken.

Der Siebenstundentag! Er macht vierzehn allgemeine
Arbeitsstunden möglich - mehr geht in den Tag nicht hinein.

Ich habe zudem die Ueberzeugung, dass der Siebenstundentag
vollkommen durchführbar ist. Man kennt die Versuche in
Belgien und England. Einzelne vorgeschrittene Socialpolitiker
behaupten sogar, dass der Fünfstundentag vollkommen ausreichen
würde. Die Society of Jews und die Jewish Company
werden ja darin reiche neue Erfahrungen sammeln - die den
übrigen Völkern der Erde auch zu Gute kommen werden -
und wenn sich zeigt, dass der Siebenstundentag praktisch möglich
ist, so wird ihn unser künftiger Staat als gesetzlichen Normaltag
einführen.

Nur die Company wird immerwährend ihren Leuten den
Siebenstundentag gewähren. Sie wird es auch immer thun können.

Wohlthat sein, weil es die Bewucherung durch Kleinhändler,
Wirthe etc. verhindert. Die Company aber vereitelt so von vornherein,
dass sich unsere kleinen Leute drüben dem gewohnten
Hausirhandel zuwenden, zu dem sie hüben ja auch nur durch
eine geschichtliche Entwicklung gezwungen wurden. Und die
Company behält die Säufer und Liederlichen in der Hand. Es
wird also in der ersten Zeit der Landnahme gar keine Arbeitslöhne
geben?

Doch: Ueberlöhne.



Der Siebenstundentag.

Der Normalarbeitstag ist der Siebenstundentag!

Das heisst nicht, dass täglich nur sieben Stunden lang
Bäume gefällt, Erde gegraben, Steine geführt, kurz die hundert
Arbeiten gethan werden sollen. Nein. Man wird vierzehn Stunden
arbeiten. Aber die Arbeitertrupps werden einander nach je
dreieinhalb Stunden ablösen. Die Organisation wird ganz militärisch
sein, mit Chargen, Avancement und Pensionirung. Wo
die Pensionen herzunehmen sind, wird später ausgeführt.

Dreieinhalb Stunden hindurch kann ein gesunder Mann
sehr viel concentrirte Arbeit hergeben. Nach dreieinhalb Stunden
Pause – die er seiner Ruhe, seiner Familie, seiner geleiteten
Fortbildung widmet – ist er wieder ganz frisch. Solche Arbeitskräfte
können Wunder wirken.

Der Siebenstundentag! Er macht vierzehn allgemeine
Arbeitsstunden möglich – mehr geht in den Tag nicht hinein.

Ich habe zudem die Ueberzeugung, dass der Siebenstundentag
vollkommen durchführbar ist. Man kennt die Versuche in
Belgien und England. Einzelne vorgeschrittene Socialpolitiker
behaupten sogar, dass der Fünfstundentag vollkommen ausreichen
würde. Die Society of Jews und die Jewish Company
werden ja darin reiche neue Erfahrungen sammeln – die den
übrigen Völkern der Erde auch zu Gute kommen werden –
und wenn sich zeigt, dass der Siebenstundentag praktisch möglich
ist, so wird ihn unser künftiger Staat als gesetzlichen Normaltag
einführen.

Nur die Company wird immerwährend ihren Leuten den
Siebenstundentag gewähren. Sie wird es auch immer thun können.

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[0038] Wohlthat sein, weil es die Bewucherung durch Kleinhändler, Wirthe etc. verhindert. Die Company aber vereitelt so von vornherein, dass sich unsere kleinen Leute drüben dem gewohnten Hausirhandel zuwenden, zu dem sie hüben ja auch nur durch eine geschichtliche Entwicklung gezwungen wurden. Und die Company behält die Säufer und Liederlichen in der Hand. Es wird also in der ersten Zeit der Landnahme gar keine Arbeitslöhne geben? Doch: Ueberlöhne. Der Siebenstundentag. Der Normalarbeitstag ist der Siebenstundentag! Das heisst nicht, dass täglich nur sieben Stunden lang Bäume gefällt, Erde gegraben, Steine geführt, kurz die hundert Arbeiten gethan werden sollen. Nein. Man wird vierzehn Stunden arbeiten. Aber die Arbeitertrupps werden einander nach je dreieinhalb Stunden ablösen. Die Organisation wird ganz militärisch sein, mit Chargen, Avancement und Pensionirung. Wo die Pensionen herzunehmen sind, wird später ausgeführt. Dreieinhalb Stunden hindurch kann ein gesunder Mann sehr viel concentrirte Arbeit hergeben. Nach dreieinhalb Stunden Pause – die er seiner Ruhe, seiner Familie, seiner geleiteten Fortbildung widmet – ist er wieder ganz frisch. Solche Arbeitskräfte können Wunder wirken. Der Siebenstundentag! Er macht vierzehn allgemeine Arbeitsstunden möglich – mehr geht in den Tag nicht hinein. Ich habe zudem die Ueberzeugung, dass der Siebenstundentag vollkommen durchführbar ist. Man kennt die Versuche in Belgien und England. Einzelne vorgeschrittene Socialpolitiker behaupten sogar, dass der Fünfstundentag vollkommen ausreichen würde. Die Society of Jews und die Jewish Company werden ja darin reiche neue Erfahrungen sammeln – die den übrigen Völkern der Erde auch zu Gute kommen werden – und wenn sich zeigt, dass der Siebenstundentag praktisch möglich ist, so wird ihn unser künftiger Staat als gesetzlichen Normaltag einführen. Nur die Company wird immerwährend ihren Leuten den Siebenstundentag gewähren. Sie wird es auch immer thun können.

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Zitationshilfe: Herzl, Theodor: Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage. Leipzig u. a., 1896, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herzl_judenstaat_1896/38>, abgerufen am 21.11.2024.