[Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841.III. Was er geschaffen, ist ein Edelstein, D'rin blitzen Strahlen für die Ewigkeit; Doch hätt' er uns ein Leitstern sollen sein In dieser halben, irrgeword'nen Zeit, In dieser Zeit, so wetterschwül und bang, Die noch im Ohr der Kindheit Glockenklang, Und mit der Hand schon nach dem Schwerte zittert, Zur Hälfte tot, zur Hälfte neugeboren, Gleich einer Pflanze, die den Frühling wittert Und ihre alten Blätter nicht verloren. Er hätte -- aber gönnt ihm seine Ruh! Die Augen fielen einem Müden zu; Doch hat er, funkelnd in Begeisterung, Vom Himmelslichte trunken, sie geschlossen, Der Dichtung Quelle hat sich voll und jung Noch in den stillen Ocean ergossen. Und eine Braut nahm ihn der andern ab; Vor der verhaucht er friedlich sanft sein Leben, Die Freiheit trug den Jünger in das Grab, Und legt sich bis zum jüngsten Tag daneben. Auch nicht allein ist er dahingegangen, III. Was er geſchaffen, iſt ein Edelſtein, D'rin blitzen Strahlen für die Ewigkeit; Doch hätt' er uns ein Leitſtern ſollen ſein In dieſer halben, irrgeword'nen Zeit, In dieſer Zeit, ſo wetterſchwül und bang, Die noch im Ohr der Kindheit Glockenklang, Und mit der Hand ſchon nach dem Schwerte zittert, Zur Hälfte tot, zur Hälfte neugeboren, Gleich einer Pflanze, die den Frühling wittert Und ihre alten Blätter nicht verloren. Er hätte — aber gönnt ihm ſeine Ruh! Die Augen fielen einem Müden zu; Doch hat er, funkelnd in Begeiſterung, Vom Himmelslichte trunken, ſie geſchloſſen, Der Dichtung Quelle hat ſich voll und jung Noch in den ſtillen Ocean ergoſſen. Und eine Braut nahm ihn der andern ab; Vor der verhaucht er friedlich ſanft ſein Leben, Die Freiheit trug den Jünger in das Grab, Und legt ſich bis zum jüngſten Tag daneben. Auch nicht allein iſt er dahingegangen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0198" n="192"/> </div> <div n="2"> <head><hi rendition="#aq">III</hi>.<lb/></head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Was er geſchaffen, iſt ein Edelſtein,</l><lb/> <l>D'rin blitzen Strahlen für die Ewigkeit;</l><lb/> <l>Doch hätt' er uns ein Leitſtern ſollen ſein</l><lb/> <l>In dieſer halben, irrgeword'nen Zeit,</l><lb/> <l>In dieſer Zeit, ſo wetterſchwül und bang,</l><lb/> <l>Die noch im Ohr der Kindheit Glockenklang,</l><lb/> <l>Und mit der Hand ſchon nach dem Schwerte zittert,</l><lb/> <l>Zur Hälfte tot, zur Hälfte neugeboren,</l><lb/> <l>Gleich einer Pflanze, die den Frühling wittert</l><lb/> <l>Und ihre alten Blätter nicht verloren.</l><lb/> <l>Er hätte — aber gönnt ihm ſeine Ruh!</l><lb/> <l>Die Augen fielen einem Müden zu;</l><lb/> <l>Doch hat er, funkelnd in Begeiſterung,</l><lb/> <l>Vom Himmelslichte trunken, ſie geſchloſſen,</l><lb/> <l>Der Dichtung Quelle hat ſich voll und jung</l><lb/> <l>Noch in den ſtillen Ocean ergoſſen.</l><lb/> <l>Und eine Braut nahm ihn der andern ab;</l><lb/> <l>Vor <hi rendition="#g">der</hi> verhaucht er friedlich ſanft ſein Leben,</l><lb/> <l>Die <hi rendition="#g">Freiheit</hi> trug den Jünger in das Grab,</l><lb/> <l>Und legt ſich bis zum jüngſten Tag daneben.</l><lb/> <l>Auch nicht <hi rendition="#g">allein</hi> iſt er dahingegangen,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [192/0198]
III.
Was er geſchaffen, iſt ein Edelſtein,
D'rin blitzen Strahlen für die Ewigkeit;
Doch hätt' er uns ein Leitſtern ſollen ſein
In dieſer halben, irrgeword'nen Zeit,
In dieſer Zeit, ſo wetterſchwül und bang,
Die noch im Ohr der Kindheit Glockenklang,
Und mit der Hand ſchon nach dem Schwerte zittert,
Zur Hälfte tot, zur Hälfte neugeboren,
Gleich einer Pflanze, die den Frühling wittert
Und ihre alten Blätter nicht verloren.
Er hätte — aber gönnt ihm ſeine Ruh!
Die Augen fielen einem Müden zu;
Doch hat er, funkelnd in Begeiſterung,
Vom Himmelslichte trunken, ſie geſchloſſen,
Der Dichtung Quelle hat ſich voll und jung
Noch in den ſtillen Ocean ergoſſen.
Und eine Braut nahm ihn der andern ab;
Vor der verhaucht er friedlich ſanft ſein Leben,
Die Freiheit trug den Jünger in das Grab,
Und legt ſich bis zum jüngſten Tag daneben.
Auch nicht allein iſt er dahingegangen,
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Zitationshilfe: | [Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841/198>, abgerufen am 03.07.2024. |