Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hering, Ewald: Zur Lehre vom Lichtsinne. Zweiter, unveränderter Abdruck. Wien, 1878.

Bild:
<< vorherige Seite

liche Ablauf aller dieser Phasen des Nachbildes kein regelloser,
sondern folgt bestimmten Gesetzen. Zweitens kommt es vor, daß
das negative Nachbild in gewissen Phasen eigent-
lich gar nicht dunkler erscheint als der Grund, son-
dern nur dunkler als die nächst umgebenden Theile
des Grundes
: alles Thatsachen, welche leicht zu bestätigen
sind und sich aus der Ermüdung nicht nur nicht erklären lassen,
sondern sogar gegen die Annahme sprechen, daß es sich hier
um eine bloße Ermüdungserscheinung handle.

Legt man auf einen hellen weißen Grund einen tief dunklen
Streifen und fixirt letzteren anhaltend, so sieht man nach Ent-
fernung desselben die entsprechende Stelle des Grundes bedeu-
tend heller, und auch dieses Nachbild nimmt nicht stetig an
Helligkeit ab, sondern erscheint nach dem erstmaligen Ver-
schwinden ein- oder mehrmals wieder, ehe es endgiltig ver-
klingt.

Blinzeln, Bewegungen des Auges etc. stören einigermaßen den ge-
setzmäßigen Verlauf der Nachbilderscheinungen und sind deshalb möglichst
zu vermeiden. Daß aber das periodische Verschwinden und Wiedererscheinen
der Nachbilder nicht lediglich durch derartige zufällige Störungen bedingt
ist, erkennt man schon, wenn man solche Versuche öfter anstellt, und ins-
besondere wird es durch längere Versuchsreihen erwiesen, weil dabei die
Zufälligkeiten immer mehr hinter der Gesetzmäßigkeit zurücktreten. Ich
muß mich also mit Aubert gegen Helmholtz erklären, welcher das
periodische Verschwinden der Nachbilder lediglich auf Zufälligkeiten zu-
rückführen will.

Ganz unverträglich mit der Ermüdungshypothese ist ferner
die Thatsache, daß selbst sehr deutliche negative Nachbilder in
deutliche positive übergehen können. Fixire ich z. B. eine Gas-
flamme etwa 20 Min. lang und blicke dann auf ein hell beleuch-
tetes weißes Papier, so entwickelt sich mir zuerst ein, abge-
sehen von der sonstigen Färbung, fast schwärzlich zu nennendes
negatives Nachbild, welches aber nach einiger Zeit in ein deut-
lich positives übergeht, um nachher wieder negativ zu werden.
Hier habe ich also die betreffende Netzhautstelle sehr stark
"ermüdet", und dennoch empfindet sie nach einiger Zeit das
helle Weiß des Papiers noch heller, als die nicht durch das
Flammenbild ermüdete Netzhaut.

Je schwächer der Grund leuchtet, auf welchem man ein
negatives Nachbild sich entwickeln läßt, desto leichter wird es

liche Ablauf aller dieser Phasen des Nachbildes kein regelloser,
sondern folgt bestimmten Gesetzen. Zweitens kommt es vor, daß
das negative Nachbild in gewissen Phasen eigent-
lich gar nicht dunkler erscheint als der Grund, son-
dern nur dunkler als die nächst umgebenden Theile
des Grundes
: alles Thatsachen, welche leicht zu bestätigen
sind und sich aus der Ermüdung nicht nur nicht erklären lassen,
sondern sogar gegen die Annahme sprechen, daß es sich hier
um eine bloße Ermüdungserscheinung handle.

Legt man auf einen hellen weißen Grund einen tief dunklen
Streifen und fixirt letzteren anhaltend, so sieht man nach Ent-
fernung desselben die entsprechende Stelle des Grundes bedeu-
tend heller, und auch dieses Nachbild nimmt nicht stetig an
Helligkeit ab, sondern erscheint nach dem erstmaligen Ver-
schwinden ein- oder mehrmals wieder, ehe es endgiltig ver-
klingt.

Blinzeln, Bewegungen des Auges etc. stören einigermaßen den ge-
setzmäßigen Verlauf der Nachbilderscheinungen und sind deshalb möglichst
zu vermeiden. Daß aber das periodische Verschwinden und Wiedererscheinen
der Nachbilder nicht lediglich durch derartige zufällige Störungen bedingt
ist, erkennt man schon, wenn man solche Versuche öfter anstellt, und ins-
besondere wird es durch längere Versuchsreihen erwiesen, weil dabei die
Zufälligkeiten immer mehr hinter der Gesetzmäßigkeit zurücktreten. Ich
muß mich also mit Aubert gegen Helmholtz erklären, welcher das
periodische Verschwinden der Nachbilder lediglich auf Zufälligkeiten zu-
rückführen will.

Ganz unverträglich mit der Ermüdungshypothese ist ferner
die Thatsache, daß selbst sehr deutliche negative Nachbilder in
deutliche positive übergehen können. Fixire ich z. B. eine Gas-
flamme etwa 20 Min. lang und blicke dann auf ein hell beleuch-
tetes weißes Papier, so entwickelt sich mir zuerst ein, abge-
sehen von der sonstigen Färbung, fast schwärzlich zu nennendes
negatives Nachbild, welches aber nach einiger Zeit in ein deut-
lich positives übergeht, um nachher wieder negativ zu werden.
Hier habe ich also die betreffende Netzhautstelle sehr stark
„ermüdet“, und dennoch empfindet sie nach einiger Zeit das
helle Weiß des Papiers noch heller, als die nicht durch das
Flammenbild ermüdete Netzhaut.

Je schwächer der Grund leuchtet, auf welchem man ein
negatives Nachbild sich entwickeln läßt, desto leichter wird es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0052" n="44"/>
liche Ablauf aller dieser Phasen des Nachbildes kein regelloser,<lb/>
sondern folgt bestimmten Gesetzen. Zweitens kommt es vor, <hi rendition="#g">daß<lb/>
das negative Nachbild in gewissen Phasen eigent-<lb/>
lich gar nicht dunkler erscheint als der Grund, son-<lb/>
dern nur dunkler als die nächst umgebenden Theile<lb/>
des Grundes</hi>: alles Thatsachen, welche leicht zu bestätigen<lb/>
sind und sich aus der Ermüdung nicht nur nicht erklären lassen,<lb/>
sondern sogar gegen die Annahme sprechen, daß es sich hier<lb/>
um eine bloße Ermüdungserscheinung handle.</p><lb/>
            <p>Legt man auf einen hellen weißen Grund einen tief dunklen<lb/>
Streifen und fixirt letzteren anhaltend, so sieht man nach Ent-<lb/>
fernung desselben die entsprechende Stelle des Grundes bedeu-<lb/>
tend heller, und auch dieses Nachbild nimmt nicht stetig an<lb/>
Helligkeit ab, sondern erscheint nach dem erstmaligen Ver-<lb/>
schwinden ein- oder mehrmals wieder, ehe es endgiltig ver-<lb/>
klingt.</p><lb/>
            <p>Blinzeln, Bewegungen des Auges etc. stören einigermaßen den ge-<lb/>
setzmäßigen Verlauf der Nachbilderscheinungen und sind deshalb möglichst<lb/>
zu vermeiden. Daß aber das periodische Verschwinden und Wiedererscheinen<lb/>
der Nachbilder nicht lediglich durch derartige zufällige Störungen bedingt<lb/>
ist, erkennt man schon, wenn man solche Versuche öfter anstellt, und ins-<lb/>
besondere wird es durch längere Versuchsreihen erwiesen, weil dabei die<lb/>
Zufälligkeiten immer mehr hinter der Gesetzmäßigkeit zurücktreten. Ich<lb/>
muß mich also mit <hi rendition="#g">Aubert</hi> gegen <hi rendition="#g">Helmholtz</hi> erklären, welcher das<lb/>
periodische Verschwinden der Nachbilder lediglich auf Zufälligkeiten zu-<lb/>
rückführen will.</p><lb/>
            <p>Ganz unverträglich mit der Ermüdungshypothese ist ferner<lb/>
die Thatsache, daß selbst sehr deutliche negative Nachbilder in<lb/>
deutliche positive übergehen können. Fixire ich z. B. eine Gas-<lb/>
flamme etwa 20 Min. lang und blicke dann auf ein hell beleuch-<lb/>
tetes weißes Papier, so entwickelt sich mir zuerst ein, abge-<lb/>
sehen von der sonstigen Färbung, fast schwärzlich zu nennendes<lb/>
negatives Nachbild, welches aber nach einiger Zeit in ein deut-<lb/>
lich positives übergeht, um nachher wieder negativ zu werden.<lb/>
Hier habe ich also die betreffende Netzhautstelle sehr stark<lb/>
&#x201E;ermüdet&#x201C;, und dennoch empfindet sie nach einiger Zeit das<lb/>
helle Weiß des Papiers noch heller, als die nicht durch das<lb/>
Flammenbild ermüdete Netzhaut.</p><lb/>
            <p>Je schwächer der Grund leuchtet, auf welchem man ein<lb/>
negatives Nachbild sich entwickeln läßt, desto leichter wird es<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0052] liche Ablauf aller dieser Phasen des Nachbildes kein regelloser, sondern folgt bestimmten Gesetzen. Zweitens kommt es vor, daß das negative Nachbild in gewissen Phasen eigent- lich gar nicht dunkler erscheint als der Grund, son- dern nur dunkler als die nächst umgebenden Theile des Grundes: alles Thatsachen, welche leicht zu bestätigen sind und sich aus der Ermüdung nicht nur nicht erklären lassen, sondern sogar gegen die Annahme sprechen, daß es sich hier um eine bloße Ermüdungserscheinung handle. Legt man auf einen hellen weißen Grund einen tief dunklen Streifen und fixirt letzteren anhaltend, so sieht man nach Ent- fernung desselben die entsprechende Stelle des Grundes bedeu- tend heller, und auch dieses Nachbild nimmt nicht stetig an Helligkeit ab, sondern erscheint nach dem erstmaligen Ver- schwinden ein- oder mehrmals wieder, ehe es endgiltig ver- klingt. Blinzeln, Bewegungen des Auges etc. stören einigermaßen den ge- setzmäßigen Verlauf der Nachbilderscheinungen und sind deshalb möglichst zu vermeiden. Daß aber das periodische Verschwinden und Wiedererscheinen der Nachbilder nicht lediglich durch derartige zufällige Störungen bedingt ist, erkennt man schon, wenn man solche Versuche öfter anstellt, und ins- besondere wird es durch längere Versuchsreihen erwiesen, weil dabei die Zufälligkeiten immer mehr hinter der Gesetzmäßigkeit zurücktreten. Ich muß mich also mit Aubert gegen Helmholtz erklären, welcher das periodische Verschwinden der Nachbilder lediglich auf Zufälligkeiten zu- rückführen will. Ganz unverträglich mit der Ermüdungshypothese ist ferner die Thatsache, daß selbst sehr deutliche negative Nachbilder in deutliche positive übergehen können. Fixire ich z. B. eine Gas- flamme etwa 20 Min. lang und blicke dann auf ein hell beleuch- tetes weißes Papier, so entwickelt sich mir zuerst ein, abge- sehen von der sonstigen Färbung, fast schwärzlich zu nennendes negatives Nachbild, welches aber nach einiger Zeit in ein deut- lich positives übergeht, um nachher wieder negativ zu werden. Hier habe ich also die betreffende Netzhautstelle sehr stark „ermüdet“, und dennoch empfindet sie nach einiger Zeit das helle Weiß des Papiers noch heller, als die nicht durch das Flammenbild ermüdete Netzhaut. Je schwächer der Grund leuchtet, auf welchem man ein negatives Nachbild sich entwickeln läßt, desto leichter wird es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Aus pragmatischen Gründen wurde für das DTA die z… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hering_lichtsinn_1878
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hering_lichtsinn_1878/52
Zitationshilfe: Hering, Ewald: Zur Lehre vom Lichtsinne. Zweiter, unveränderter Abdruck. Wien, 1878, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hering_lichtsinn_1878/52>, abgerufen am 03.05.2024.