[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.und Seele. Zagend schwebt das Herz in seiner Dem Weibe gab die Natur nicht Brust son- pet F 3
und Seele. Zagend ſchwebt das Herz in ſeiner Dem Weibe gab die Natur nicht Bruſt ſon- pet F 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0088" n="85"/> und Seele. Zagend ſchwebt das Herz in ſeiner<lb/> engen verdruͤckten Hoͤle, glaubt jeden Augenblick<lb/> zertreten zu werden und kriecht nach Speiſe und<lb/> Verlaͤumdung. Welcher Freund, der ſein<lb/> Haupt an dieſe Bruſt lehnen und ſagen koͤnnte:<lb/> du biſt mein Fels! welcher Huͤlfloſe Unterdruͤck-<lb/> te, der ſich an ihr aufrichten koͤnnte und ſagen:<lb/> hier wohnt Zuflucht! Deſto weiſer aber ſind<lb/> wir im Haupt und geſchaͤftig mit Mund und<lb/> Fingern. —</p><lb/> <p>Dem Weibe gab die Natur nicht Bruſt ſon-<lb/> dern <hi rendition="#fr">Buſen</hi>, ſchlang alſo, da hier Quellen der<lb/> Nothdurft und Liebe fuͤr den zarten Saͤugling<lb/> ſeyn ſollten, den Guͤrtel des Liebreizes um ſie<lb/> und machte, wie’s ihre muͤtterliche Art iſt, aus<lb/> Nothdurft Wolluſt. Des Mannes Bruſt iſt<lb/> einfoͤrmiger, ſtaͤrker, edler, vollkommen: der<lb/> Buſen des Weibes ward zarter, voͤlliger, ge-<lb/> waſchen mit Milch der Unſchuld und gekroͤnt mit<lb/> der Roſe der Liebe. So lange dieſe ein Knoͤſp-<lb/> chen bluͤhet und der unreife Huͤgel zur Ernte<lb/> waͤchſt, ſchlang die Grazie der Jungfrauſchaft<lb/> ihren Guͤrtel um dieſelbe, in der, nach der Be-<lb/> ſchreibung jenes Dichters Liebe und Verlangen<lb/> wohnen. Wenn der Trank der Unſchuld berei-<lb/> tet iſt und der Unmuͤndige an den Quellen der<lb/> erſten Mutter- und Kindesfreude hanget, und<lb/> ſeine kleine Hand ſich an ſie ſchmieget und tap-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">F 3</fw><fw place="bottom" type="catch">pet</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [85/0088]
und Seele. Zagend ſchwebt das Herz in ſeiner
engen verdruͤckten Hoͤle, glaubt jeden Augenblick
zertreten zu werden und kriecht nach Speiſe und
Verlaͤumdung. Welcher Freund, der ſein
Haupt an dieſe Bruſt lehnen und ſagen koͤnnte:
du biſt mein Fels! welcher Huͤlfloſe Unterdruͤck-
te, der ſich an ihr aufrichten koͤnnte und ſagen:
hier wohnt Zuflucht! Deſto weiſer aber ſind
wir im Haupt und geſchaͤftig mit Mund und
Fingern. —
Dem Weibe gab die Natur nicht Bruſt ſon-
dern Buſen, ſchlang alſo, da hier Quellen der
Nothdurft und Liebe fuͤr den zarten Saͤugling
ſeyn ſollten, den Guͤrtel des Liebreizes um ſie
und machte, wie’s ihre muͤtterliche Art iſt, aus
Nothdurft Wolluſt. Des Mannes Bruſt iſt
einfoͤrmiger, ſtaͤrker, edler, vollkommen: der
Buſen des Weibes ward zarter, voͤlliger, ge-
waſchen mit Milch der Unſchuld und gekroͤnt mit
der Roſe der Liebe. So lange dieſe ein Knoͤſp-
chen bluͤhet und der unreife Huͤgel zur Ernte
waͤchſt, ſchlang die Grazie der Jungfrauſchaft
ihren Guͤrtel um dieſelbe, in der, nach der Be-
ſchreibung jenes Dichters Liebe und Verlangen
wohnen. Wenn der Trank der Unſchuld berei-
tet iſt und der Unmuͤndige an den Quellen der
erſten Mutter- und Kindesfreude hanget, und
ſeine kleine Hand ſich an ſie ſchmieget und tap-
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