[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.noch Menschen dafür erkennen, was ihnen in auch e) Hiob 39, 19-25. D 2
noch Menſchen dafuͤr erkennen, was ihnen in auch e) Hiob 39, 19-25. D 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0054" n="51"/> noch Menſchen dafuͤr erkennen, was ihnen in<lb/> ihrer Vornehmheit nur diesmal ſo duͤnkte. Loͤwe<lb/> und Tiger, Schlange und Eidere, Nilpferd und<lb/> Crocodil, ſind ſie deswegen <hi rendition="#fr">haͤßlich,</hi> weil ſie<lb/><hi rendition="#fr">ſchrecklich</hi> ſind, weil ſie uns Grauſen oder Furcht<lb/> erregen? der Loͤwe, welch ein ſchoͤnes Thier iſt<lb/> er, auch in der Kunſt des Bildners! die Schlan-<lb/> ge, wie ſanft windet ſie ſich den Stab Aeſculaps<lb/> hinauf, und die Schildkroͤte, iſt ſie ein unwuͤrdiges<lb/> Fußgeſtell fuͤr Gott oder Goͤttin, da ja ſelbſt der<lb/> Panzer der Minerva Furcht und Schrecken,<lb/> Schlangen und Meduſen darſtellt? Niemand<lb/> wirds in den Sinn kommen, ſolche Geſchoͤpfe<lb/> fuͤr das <hi rendition="#fr">Hauptwerk</hi> der Kunſt zu halten: der<lb/> Menſch thront auf ihrem Altar, ihm iſt die Bild-<lb/> ſaͤule heilig. Aber nun, als Beigeraͤth, als Ne-<lb/> benwerk, als Fußſchemel, welcher Thor darf da<lb/> verbieten und unterſagen, weil das Geſchoͤpf<lb/> Gottes <hi rendition="#fr">ihm</hi> haͤßlich duͤnkt und er ſich fuͤr der Spin-<lb/> ne fuͤrchtet? Wie manches edle Pferd hat mehr<lb/> die Statue verdient, als ſein Reuter! auch hat<lb/> Pindar ihm oft und ja unſer Herr Gott ſelbſt ihm<lb/> die praͤchtigſte Ehrenſaͤule geſtellet <note place="foot" n="e)">Hiob 39, 19-25.</note>. Aller-<lb/> dings hat jedes Thier, von je ſchoͤnerer, unab-<lb/> gebrochener Form es iſt, je mehr es ſich ſchlingt<lb/> und windet, je naͤher es endlich Goͤttern und<lb/> Menſchen kommt, und zu ihren Fuͤßen dienet,<lb/> <fw place="bottom" type="sig">D 2</fw><fw place="bottom" type="catch">auch</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [51/0054]
noch Menſchen dafuͤr erkennen, was ihnen in
ihrer Vornehmheit nur diesmal ſo duͤnkte. Loͤwe
und Tiger, Schlange und Eidere, Nilpferd und
Crocodil, ſind ſie deswegen haͤßlich, weil ſie
ſchrecklich ſind, weil ſie uns Grauſen oder Furcht
erregen? der Loͤwe, welch ein ſchoͤnes Thier iſt
er, auch in der Kunſt des Bildners! die Schlan-
ge, wie ſanft windet ſie ſich den Stab Aeſculaps
hinauf, und die Schildkroͤte, iſt ſie ein unwuͤrdiges
Fußgeſtell fuͤr Gott oder Goͤttin, da ja ſelbſt der
Panzer der Minerva Furcht und Schrecken,
Schlangen und Meduſen darſtellt? Niemand
wirds in den Sinn kommen, ſolche Geſchoͤpfe
fuͤr das Hauptwerk der Kunſt zu halten: der
Menſch thront auf ihrem Altar, ihm iſt die Bild-
ſaͤule heilig. Aber nun, als Beigeraͤth, als Ne-
benwerk, als Fußſchemel, welcher Thor darf da
verbieten und unterſagen, weil das Geſchoͤpf
Gottes ihm haͤßlich duͤnkt und er ſich fuͤr der Spin-
ne fuͤrchtet? Wie manches edle Pferd hat mehr
die Statue verdient, als ſein Reuter! auch hat
Pindar ihm oft und ja unſer Herr Gott ſelbſt ihm
die praͤchtigſte Ehrenſaͤule geſtellet e). Aller-
dings hat jedes Thier, von je ſchoͤnerer, unab-
gebrochener Form es iſt, je mehr es ſich ſchlingt
und windet, je naͤher es endlich Goͤttern und
Menſchen kommt, und zu ihren Fuͤßen dienet,
auch
e) Hiob 39, 19-25.
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