[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.sich die Nase zuhalten mußte, (wenn anders das Aristoteles entschuldigt häßliche Vorstellun- der D
ſich die Naſe zuhalten mußte, (wenn anders das Ariſtoteles entſchuldigt haͤßliche Vorſtellun- der D
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0052" n="49"/> ſich die Naſe zuhalten mußte, (wenn anders das<lb/> Maͤhrchen wahr iſt) war gewiß ein eckler Mahler.<lb/> Der Bildner aber, der einen Leichnam, die ab-<lb/> ſcheuliche Speiſe der Wuͤrmer, unſerm Gefuͤhl<lb/> alſo grauſend vorbildete, daß dies in uns uͤber-<lb/> gienge, uns zerriſſe und mit Eiter und Abſcheu<lb/> ſalbte — ich weiß fuͤr den Henker unſres Ver-<lb/> gnuͤgens keinen Namen. Dort kann ich mein<lb/> Auge wegwenden und mich an andern Gegenſtaͤn-<lb/> den erholen; hier ſoll ich mich blind und langſam<lb/> durchtaſten, daß alle mein Fleiſch und Gebein ſich<lb/> zernagt fuͤhlet, und der Tod durch meine Nerven<lb/> ſchauert! —</p><lb/> <p><hi rendition="#fr">Ariſtoteles</hi> entſchuldigt haͤßliche Vorſtellun-<lb/> gen in der Kunſt durch „die Neigung unſrer<lb/> „Seele ſich Jdeen zu erwecken und an der Nach-<lb/> „ahmung zu vergnuͤgen„; wo beydes geſchehen<lb/><hi rendition="#fr">kann,</hi> und wo das Vergnuͤgen dieſer Jdeener-<lb/> werbung das Gefuͤhl der Haͤßlichkeit <hi rendition="#fr">uͤbergeht,</hi><lb/> mag die Entſchuldigung gelten. Nun aber wiſ-<lb/> ſen wir alle, das <hi rendition="#fr">Gefuͤhl</hi> iſt zu dieſer betrachten-<lb/> den Contemplation und Jdeenweckung der dun-<lb/> kelſte, langſamſte, traͤgſte Sinn; da er doch im<lb/> Empfinden der ſchoͤnen Form der <hi rendition="#fr">Erſte</hi> und <hi rendition="#fr">Rich-<lb/> ter</hi> ſeyn muß. Er, Jdeen und Nachahmung<lb/> vergeſſend, fuͤhlt nur, was er <hi rendition="#fr">fuͤhlt;</hi> dies regt<lb/> ſeine innere Sympathie dunkel aber um ſo tiefer.<lb/> Eine zerſtoͤrte, haͤßliche, mißgebildete Geſtalt,<lb/> <fw place="bottom" type="sig">D</fw><fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [49/0052]
ſich die Naſe zuhalten mußte, (wenn anders das
Maͤhrchen wahr iſt) war gewiß ein eckler Mahler.
Der Bildner aber, der einen Leichnam, die ab-
ſcheuliche Speiſe der Wuͤrmer, unſerm Gefuͤhl
alſo grauſend vorbildete, daß dies in uns uͤber-
gienge, uns zerriſſe und mit Eiter und Abſcheu
ſalbte — ich weiß fuͤr den Henker unſres Ver-
gnuͤgens keinen Namen. Dort kann ich mein
Auge wegwenden und mich an andern Gegenſtaͤn-
den erholen; hier ſoll ich mich blind und langſam
durchtaſten, daß alle mein Fleiſch und Gebein ſich
zernagt fuͤhlet, und der Tod durch meine Nerven
ſchauert! —
Ariſtoteles entſchuldigt haͤßliche Vorſtellun-
gen in der Kunſt durch „die Neigung unſrer
„Seele ſich Jdeen zu erwecken und an der Nach-
„ahmung zu vergnuͤgen„; wo beydes geſchehen
kann, und wo das Vergnuͤgen dieſer Jdeener-
werbung das Gefuͤhl der Haͤßlichkeit uͤbergeht,
mag die Entſchuldigung gelten. Nun aber wiſ-
ſen wir alle, das Gefuͤhl iſt zu dieſer betrachten-
den Contemplation und Jdeenweckung der dun-
kelſte, langſamſte, traͤgſte Sinn; da er doch im
Empfinden der ſchoͤnen Form der Erſte und Rich-
ter ſeyn muß. Er, Jdeen und Nachahmung
vergeſſend, fuͤhlt nur, was er fuͤhlt; dies regt
ſeine innere Sympathie dunkel aber um ſo tiefer.
Eine zerſtoͤrte, haͤßliche, mißgebildete Geſtalt,
der
D
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