[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.Wie weit ists mit der Kunst der leibhaften "Nicht? die Bildnerei keine Gruppe? Gruppe J 5
Wie weit iſts mit der Kunſt der leibhaften „Nicht? die Bildnerei keine Gruppe? Gruppe J 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0140" n="137"/> <p>Wie weit iſts mit der Kunſt der <hi rendition="#fr">leibhaften<lb/> Wahrheit</hi> gekommen, wenn ſie keine <hi rendition="#fr">leibhafte<lb/> Wahrheit</hi> mehr hat, wenn ſie ſtatt des großen<lb/> Einen Seeledurchwebten Ganzen nach einem<lb/> Schmetterlinge von <hi rendition="#fr">Witz</hi>, von <hi rendition="#fr">Bedeutung</hi>,<lb/> haſcht, der <hi rendition="#fr">um</hi>, oder <hi rendition="#fr">neben</hi> oder <hi rendition="#fr">uͤber</hi> ihr<lb/> ſchwebe! Und den ſie doch auch, ſo klein der<lb/> Preis waͤre, nicht einmal zu erreichen, nicht<lb/> auszudruͤcken vermag, denn zu aller litterariſchen<lb/> und moraliſchen Allegorie gehoͤrt <hi rendition="#fr">Gruppe</hi>, und<lb/> im eigentlichſten Verſtande hat die die <hi rendition="#fr">Bildne-<lb/> rei</hi> nicht.</p><lb/> <p>„Nicht? die Bildnerei keine Gruppe?<lb/> „Und Laokoon, Niobe, die beiden Bruͤder„ —<lb/> Jch weiß das Alles und mehr als das. Jch<lb/> weiß, daß ein Franzoſe noch neulich hoch-<lb/> geruͤhmt hat, „<hi rendition="#fr">ſeine</hi> Nation habe das Gruppi-<lb/> „ren der Bildſaͤulen nagelneu erfunden, ſie<lb/> „habe zuerſt Bildſaͤulen <hi rendition="#fr">maleriſch</hi> gruppiret,<lb/> „wie nie ein Alter gruppirt hat„ — Die Bild-<lb/> ſaͤulen <hi rendition="#fr">maleriſch</hi> gruppiren? ſiehe, da ſchnarrt<lb/> ſchon das Pfeifchen, denn eigentlich geredt, iſts<lb/> Widerſpruch: Bildſaͤulen <hi rendition="#fr">maleriſch</hi> gruppiren.<lb/> Jede Bildſaͤule iſt Eins und ein Ganzes: Jede<lb/> ſteht fuͤr ſich allein da. Was der Gedachte alſo an<lb/> den Alten tadelt, war ihnen <hi rendition="#fr">ausgeſuchte Weis-<lb/> heit</hi>, naͤhmlich nicht zu gruppiren, und wo<lb/> <fw place="bottom" type="sig">J 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Gruppe</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [137/0140]
Wie weit iſts mit der Kunſt der leibhaften
Wahrheit gekommen, wenn ſie keine leibhafte
Wahrheit mehr hat, wenn ſie ſtatt des großen
Einen Seeledurchwebten Ganzen nach einem
Schmetterlinge von Witz, von Bedeutung,
haſcht, der um, oder neben oder uͤber ihr
ſchwebe! Und den ſie doch auch, ſo klein der
Preis waͤre, nicht einmal zu erreichen, nicht
auszudruͤcken vermag, denn zu aller litterariſchen
und moraliſchen Allegorie gehoͤrt Gruppe, und
im eigentlichſten Verſtande hat die die Bildne-
rei nicht.
„Nicht? die Bildnerei keine Gruppe?
„Und Laokoon, Niobe, die beiden Bruͤder„ —
Jch weiß das Alles und mehr als das. Jch
weiß, daß ein Franzoſe noch neulich hoch-
geruͤhmt hat, „ſeine Nation habe das Gruppi-
„ren der Bildſaͤulen nagelneu erfunden, ſie
„habe zuerſt Bildſaͤulen maleriſch gruppiret,
„wie nie ein Alter gruppirt hat„ — Die Bild-
ſaͤulen maleriſch gruppiren? ſiehe, da ſchnarrt
ſchon das Pfeifchen, denn eigentlich geredt, iſts
Widerſpruch: Bildſaͤulen maleriſch gruppiren.
Jede Bildſaͤule iſt Eins und ein Ganzes: Jede
ſteht fuͤr ſich allein da. Was der Gedachte alſo an
den Alten tadelt, war ihnen ausgeſuchte Weis-
heit, naͤhmlich nicht zu gruppiren, und wo
Gruppe
J 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |