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[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.

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leitung in den Händen des Schicksals, und
wenn ich in der Allegorie bleiben darf, der
Phönicier, der erwachsenere Knabe, der umher-
lief
und die Reste der uralten Weisheit und
Geschicklichkeit mit leichterer Münze auf
Märkte und Gassen brachte. Was ist die
Bildung Europens den betrügerischen, gewinn-
süchtigen Phöniciern schuldig! -- Und nun
der schöne griechische Jüngling.



Wie wir uns vor allem der Jünglingszeit
mit Lust und Freude erinnern, Kräfte und Glie-
der bis zur Blüthe des Lebens ausgebildet:
unsre Fähigkeiten bis zur angenehmen Schwatz-
haftigkeit
und Freundschaft entwickelt: Alle
Neigungen auf Freyheit und Liebe, Lust und
Freude
gestimmt, und alle nun im ersten süßen
Tone -- wie wir die Jahre fürs güldne Al-
ter
und für ein Elysium unsrer Erinnerung
halten (denn wer erinnert sich seiner unent-
wickelten Kindheit?) da am glänzendsten ins
Auge fallen,
eben im Aufbrechen der Blüthe,
alle unsre künftige Würksamkeit und Hofnun-
gen im Schoose tragend -- in der Geschichte
der Menschheit wird Griechenland ewig der

Platz



leitung in den Haͤnden des Schickſals, und
wenn ich in der Allegorie bleiben darf, der
Phoͤnicier, der erwachſenere Knabe, der umher-
lief
und die Reſte der uralten Weisheit und
Geſchicklichkeit mit leichterer Muͤnze auf
Maͤrkte und Gaſſen brachte. Was iſt die
Bildung Europens den betruͤgeriſchen, gewinn-
ſuͤchtigen Phoͤniciern ſchuldig! — Und nun
der ſchoͤne griechiſche Juͤngling.



Wie wir uns vor allem der Juͤnglingszeit
mit Luſt und Freude erinnern, Kraͤfte und Glie-
der bis zur Bluͤthe des Lebens ausgebildet:
unſre Faͤhigkeiten bis zur angenehmen Schwatz-
haftigkeit
und Freundſchaft entwickelt: Alle
Neigungen auf Freyheit und Liebe, Luſt und
Freude
geſtimmt, und alle nun im erſten ſuͤßen
Tone — wie wir die Jahre fuͤrs guͤldne Al-
ter
und fuͤr ein Elyſium unſrer Erinnerung
halten (denn wer erinnert ſich ſeiner unent-
wickelten Kindheit?) da am glaͤnzendſten ins
Auge fallen,
eben im Aufbrechen der Bluͤthe,
alle unſre kuͤnftige Wuͤrkſamkeit und Hofnun-
gen im Schooſe tragend — in der Geſchichte
der Menſchheit wird Griechenland ewig der

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[32/0036] leitung in den Haͤnden des Schickſals, und wenn ich in der Allegorie bleiben darf, der Phoͤnicier, der erwachſenere Knabe, der umher- lief und die Reſte der uralten Weisheit und Geſchicklichkeit mit leichterer Muͤnze auf Maͤrkte und Gaſſen brachte. Was iſt die Bildung Europens den betruͤgeriſchen, gewinn- ſuͤchtigen Phoͤniciern ſchuldig! — Und nun der ſchoͤne griechiſche Juͤngling. Wie wir uns vor allem der Juͤnglingszeit mit Luſt und Freude erinnern, Kraͤfte und Glie- der bis zur Bluͤthe des Lebens ausgebildet: unſre Faͤhigkeiten bis zur angenehmen Schwatz- haftigkeit und Freundſchaft entwickelt: Alle Neigungen auf Freyheit und Liebe, Luſt und Freude geſtimmt, und alle nun im erſten ſuͤßen Tone — wie wir die Jahre fuͤrs guͤldne Al- ter und fuͤr ein Elyſium unſrer Erinnerung halten (denn wer erinnert ſich ſeiner unent- wickelten Kindheit?) da am glaͤnzendſten ins Auge fallen, eben im Aufbrechen der Bluͤthe, alle unſre kuͤnftige Wuͤrkſamkeit und Hofnun- gen im Schooſe tragend — in der Geſchichte der Menſchheit wird Griechenland ewig der Platz

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/36>, abgerufen am 23.11.2024.