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[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.

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Er muste eingeschlossen seyn; eine gewisse Pri-
vation von Känntnissen, Neigungen und Tu-
genden, muste da seyn, um das zu entwickeln,
was in ihm lag, und jetzt in der Reihe der
Weltbegebenheiten nur das Land, die Stelle
entwickeln konnte! Also waren ihm diese Nach-
theile, Vortheile, oder unvermeidliche Uebel,
wie die Pflege mit fremden Jdeen dem Kinde,
Streifereyen und Schulzucht dem Knaben --
warum willt du ihn von seiner Stelle, aus sei-
nem Lebensalter rücken -- den armen Kna-
ben tödten? -- -- Welch eine große Biblio-
thek von solchen Büchern! bald die Aegypter
zu alt gemacht, und aus ihren Hieroglyphen,
Kunstanfängen, Polieeyverfassungen, welche
Weisheit
geklaubt! g) bald sie wieder gegen
die Griechen so tief verachtet h) -- blos weil
sie Aegypter und nicht Griechen waren, wie
meist die Liebhaber der Griechen, wenn sie aus
ihrem Lieblingslande kamen. Offenbares
Unrecht!

Der
g) Kircher, D'origni, Blackwell u. s. w.
h) Wood, Webb, Winkelmann, Neuton,
Voltaire bald eins, bald das andere, pro
loco et Tempore.



Er muſte eingeſchloſſen ſeyn; eine gewiſſe Pri-
vation von Kaͤnntniſſen, Neigungen und Tu-
genden, muſte da ſeyn, um das zu entwickeln,
was in ihm lag, und jetzt in der Reihe der
Weltbegebenheiten nur das Land, die Stelle
entwickeln konnte! Alſo waren ihm dieſe Nach-
theile, Vortheile, oder unvermeidliche Uebel,
wie die Pflege mit fremden Jdeen dem Kinde,
Streifereyen und Schulzucht dem Knaben —
warum willt du ihn von ſeiner Stelle, aus ſei-
nem Lebensalter ruͤcken — den armen Kna-
ben toͤdten? — — Welch eine große Biblio-
thek von ſolchen Buͤchern! bald die Aegypter
zu alt gemacht, und aus ihren Hieroglyphen,
Kunſtanfaͤngen, Polieeyverfaſſungen, welche
Weisheit
geklaubt! g) bald ſie wieder gegen
die Griechen ſo tief verachtet h) — blos weil
ſie Aegypter und nicht Griechen waren, wie
meiſt die Liebhaber der Griechen, wenn ſie aus
ihrem Lieblingslande kamen. Offenbares
Unrecht!

Der
g) Kircher, D’origni, Blackwell u. ſ. w.
h) Wood, Webb, Winkelmann, Neuton,
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loco et Tempore.
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[26/0030] Er muſte eingeſchloſſen ſeyn; eine gewiſſe Pri- vation von Kaͤnntniſſen, Neigungen und Tu- genden, muſte da ſeyn, um das zu entwickeln, was in ihm lag, und jetzt in der Reihe der Weltbegebenheiten nur das Land, die Stelle entwickeln konnte! Alſo waren ihm dieſe Nach- theile, Vortheile, oder unvermeidliche Uebel, wie die Pflege mit fremden Jdeen dem Kinde, Streifereyen und Schulzucht dem Knaben — warum willt du ihn von ſeiner Stelle, aus ſei- nem Lebensalter ruͤcken — den armen Kna- ben toͤdten? — — Welch eine große Biblio- thek von ſolchen Buͤchern! bald die Aegypter zu alt gemacht, und aus ihren Hieroglyphen, Kunſtanfaͤngen, Polieeyverfaſſungen, welche Weisheit geklaubt! g) bald ſie wieder gegen die Griechen ſo tief verachtet h) — blos weil ſie Aegypter und nicht Griechen waren, wie meiſt die Liebhaber der Griechen, wenn ſie aus ihrem Lieblingslande kamen. Offenbares Unrecht! Der g) Kircher, D’origni, Blackwell u. ſ. w. h) Wood, Webb, Winkelmann, Neuton, Voltaire bald eins, bald das andere, pro loco et Tempore.

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/30>, abgerufen am 29.03.2024.