Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.

Bild:
<< vorherige Seite



und Philosoph betrachtet, ohne Zweifel einmal
etwas mehr und anders zeigen! Zeigen viel-
leicht, wie durch ein natürlich Gesetz der Un-
vollkommenheit menschlicher Handlungen mit
der Aufklärung -- auch eben so viel luxuri-
rende Mattigkeit des Herzens, -- mit Spar-
samkeit,
ihr Zeichen und Gefolge Armuth,
mit Philosophie blinder kurzsichtiger Unglau-
be,
mit Freyheit zu denken, immer Sklave-
rey zu handeln, Despotismus der Seelen
unter Blumenketten,
-- mit dem grossen Hel-
den, Eroberer und Kriegsgeist Erstorbenheit,
Römerverfassung, wie da Armeen alles waren,
Verfall und Elend sich habe verbreiten müs-
sen. Zeigen, was Menschenliebe, Gerechtigkeit,
Mäßigkeit, Religion, Wohl der Untertha-
nen
-- alle bis auf einen gewissen Grad als Mit-
tel
zum Erreichen, behandelt -- was alle das
auf seine Zeit -- auf Reiche ganz andrer
Verfassung
und Ordnung -- auf Welt und
Nachwelt für Folgen haben müssen -- die
Waage wird schweben? steigen -- sinken --
welche Schaale? was weiß ich? --

"Der Schriftsteller von hundert Jahren, e)"
der ohne Zank und Widerspruch wie ein Mo-

narch
e) Voltär.
M 4



und Philoſoph betrachtet, ohne Zweifel einmal
etwas mehr und anders zeigen! Zeigen viel-
leicht, wie durch ein natuͤrlich Geſetz der Un-
vollkommenheit menſchlicher Handlungen mit
der Aufklaͤrung — auch eben ſo viel luxuri-
rende Mattigkeit des Herzens, — mit Spar-
ſamkeit,
ihr Zeichen und Gefolge Armuth,
mit Philoſophie blinder kurzſichtiger Unglau-
be,
mit Freyheit zu denken, immer Sklave-
rey zu handeln, Deſpotismus der Seelen
unter Blumenketten,
— mit dem groſſen Hel-
den, Eroberer und Kriegsgeiſt Erſtorbenheit,
Roͤmerverfaſſung, wie da Armeen alles waren,
Verfall und Elend ſich habe verbreiten muͤſ-
ſen. Zeigen, was Menſchenliebe, Gerechtigkeit,
Maͤßigkeit, Religion, Wohl der Untertha-
nen
— alle bis auf einen gewiſſen Grad als Mit-
tel
zum Erreichen, behandelt — was alle das
auf ſeine Zeit — auf Reiche ganz andrer
Verfaſſung
und Ordnung — auf Welt und
Nachwelt fuͤr Folgen haben muͤſſen — die
Waage wird ſchweben? ſteigen — ſinken
welche Schaale? was weiß ich? —

„Der Schriftſteller von hundert Jahren, e)
der ohne Zank und Widerſpruch wie ein Mo-

narch
e) Voltaͤr.
M 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0187" n="183"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> und Philo&#x017F;oph betrachtet, ohne Zweifel einmal<lb/><hi rendition="#b">etwas mehr</hi> und <hi rendition="#b">anders</hi> zeigen! Zeigen viel-<lb/>
leicht, wie durch ein natu&#x0364;rlich Ge&#x017F;etz der Un-<lb/>
vollkommenheit men&#x017F;chlicher Handlungen mit<lb/>
der <hi rendition="#b">Aufkla&#x0364;rung</hi> &#x2014; auch eben &#x017F;o viel luxuri-<lb/>
rende <hi rendition="#b">Mattigkeit des Herzens,</hi> &#x2014; mit <hi rendition="#b">Spar-<lb/>
&#x017F;amkeit,</hi> ihr Zeichen und Gefolge <hi rendition="#b">Armuth,</hi><lb/>
mit <hi rendition="#b">Philo&#x017F;ophie</hi> blinder kurz&#x017F;ichtiger <hi rendition="#b">Unglau-<lb/>
be,</hi> mit <hi rendition="#b">Freyheit zu denken,</hi> immer <hi rendition="#b">Sklave-<lb/>
rey zu handeln, De&#x017F;potismus der Seelen<lb/>
unter Blumenketten,</hi> &#x2014; mit dem gro&#x017F;&#x017F;en Hel-<lb/>
den, Eroberer und Kriegsgei&#x017F;t <hi rendition="#b">Er&#x017F;torbenheit,</hi><lb/>
Ro&#x0364;merverfa&#x017F;&#x017F;ung, wie da Armeen alles waren,<lb/>
Verfall und Elend &#x017F;ich habe verbreiten mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. Zeigen, was <hi rendition="#b">Men&#x017F;chenliebe, Gerechtigkeit,<lb/>
Ma&#x0364;ßigkeit, Religion, Wohl der Untertha-<lb/>
nen</hi> &#x2014; alle bis auf einen <hi rendition="#b">gewi&#x017F;&#x017F;en Grad</hi> als <hi rendition="#b">Mit-<lb/>
tel</hi> zum <hi rendition="#b">Erreichen,</hi> behandelt &#x2014; was alle das<lb/>
auf <hi rendition="#b">&#x017F;eine Zeit</hi> &#x2014; auf <hi rendition="#b">Reiche ganz andrer<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;ung</hi> und <hi rendition="#b">Ordnung &#x2014; auf Welt</hi> und<lb/><hi rendition="#b">Nachwelt</hi> fu&#x0364;r Folgen haben <hi rendition="#b">mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en</hi> &#x2014; die<lb/>
Waage wird <hi rendition="#b">&#x017F;chweben? &#x017F;teigen &#x2014; &#x017F;inken</hi> &#x2014;<lb/>
welche Schaale? was weiß ich? &#x2014;</p><lb/>
            <p>&#x201E;Der Schrift&#x017F;teller <hi rendition="#b">von hundert Jahren,</hi> <note place="foot" n="e)">Volta&#x0364;r.</note>&#x201E;<lb/>
der ohne Zank und Wider&#x017F;pruch <hi rendition="#b">wie ein Mo-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M 4</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#b">narch</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0187] und Philoſoph betrachtet, ohne Zweifel einmal etwas mehr und anders zeigen! Zeigen viel- leicht, wie durch ein natuͤrlich Geſetz der Un- vollkommenheit menſchlicher Handlungen mit der Aufklaͤrung — auch eben ſo viel luxuri- rende Mattigkeit des Herzens, — mit Spar- ſamkeit, ihr Zeichen und Gefolge Armuth, mit Philoſophie blinder kurzſichtiger Unglau- be, mit Freyheit zu denken, immer Sklave- rey zu handeln, Deſpotismus der Seelen unter Blumenketten, — mit dem groſſen Hel- den, Eroberer und Kriegsgeiſt Erſtorbenheit, Roͤmerverfaſſung, wie da Armeen alles waren, Verfall und Elend ſich habe verbreiten muͤſ- ſen. Zeigen, was Menſchenliebe, Gerechtigkeit, Maͤßigkeit, Religion, Wohl der Untertha- nen — alle bis auf einen gewiſſen Grad als Mit- tel zum Erreichen, behandelt — was alle das auf ſeine Zeit — auf Reiche ganz andrer Verfaſſung und Ordnung — auf Welt und Nachwelt fuͤr Folgen haben muͤſſen — die Waage wird ſchweben? ſteigen — ſinken — welche Schaale? was weiß ich? — „Der Schriftſteller von hundert Jahren, e)„ der ohne Zank und Widerſpruch wie ein Mo- narch e) Voltaͤr. M 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/187
Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/187>, abgerufen am 22.11.2024.