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[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.

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Kindeskinder um ihn ins dritte und vierte
Glied,
die er alle mit Religion und Recht,
Ordnung und Glückseligkeit leitet. -- Dies
das unausgezwungene Jdeal einer Patriar-
chenwelt,
auf welches alles in der Natur
trieb: außer ihm kein Zweck des Lebens, kein
Moment, Behaglichkeit oder Kraftanwendung
zu denken, -- Gott! welch ein Zustand zu
Bildung der Natur in den einfachsten, noth-
wendigsten, angenehmsten Neigungen! --
Mensch, Mann, Weib, Vater, Mutter,
Sohn, Erbe, Priester Gottes, Regent
und
Hausvater, für alle Jahrtausende sollt er da
gebildet werden! und ewig wird, außer dem
tausendjährigen Reiche und dem Hirngespinste
der Dichter, ewig wird Patriarchengegend
und Patriarchenzelt das goldne Zeitalter der
kindlichen Menschheit
bleiben.



Daß nun zu dieser Welt von Neigungen
selbst Zustände gehören, die wir uns aus ei-
nem Betruge unsrer Zeit oft viel zu fremde
und schrecklich dichten,
dürfte eine Jnduktion
nach der andern zeigen. -- Wir haben uns
einen Despotismus des Drients aus den
übertriebensten, gewaltsamsten Erscheinungen

meist



Kindeskinder um ihn ins dritte und vierte
Glied,
die er alle mit Religion und Recht,
Ordnung und Gluͤckſeligkeit leitet. — Dies
das unausgezwungene Jdeal einer Patriar-
chenwelt,
auf welches alles in der Natur
trieb: außer ihm kein Zweck des Lebens, kein
Moment, Behaglichkeit oder Kraftanwendung
zu denken, — Gott! welch ein Zuſtand zu
Bildung der Natur in den einfachſten, noth-
wendigſten, angenehmſten Neigungen! —
Menſch, Mann, Weib, Vater, Mutter,
Sohn, Erbe, Prieſter Gottes, Regent
und
Hausvater, fuͤr alle Jahrtauſende ſollt er da
gebildet werden! und ewig wird, außer dem
tauſendjaͤhrigen Reiche und dem Hirngeſpinſte
der Dichter, ewig wird Patriarchengegend
und Patriarchenzelt das goldne Zeitalter der
kindlichen Menſchheit
bleiben.



Daß nun zu dieſer Welt von Neigungen
ſelbſt Zuſtaͤnde gehoͤren, die wir uns aus ei-
nem Betruge unſrer Zeit oft viel zu fremde
und ſchrecklich dichten,
duͤrfte eine Jnduktion
nach der andern zeigen. — Wir haben uns
einen Deſpotismus des Drients aus den
uͤbertriebenſten, gewaltſamſten Erſcheinungen

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[10/0014] Kindeskinder um ihn ins dritte und vierte Glied, die er alle mit Religion und Recht, Ordnung und Gluͤckſeligkeit leitet. — Dies das unausgezwungene Jdeal einer Patriar- chenwelt, auf welches alles in der Natur trieb: außer ihm kein Zweck des Lebens, kein Moment, Behaglichkeit oder Kraftanwendung zu denken, — Gott! welch ein Zuſtand zu Bildung der Natur in den einfachſten, noth- wendigſten, angenehmſten Neigungen! — Menſch, Mann, Weib, Vater, Mutter, Sohn, Erbe, Prieſter Gottes, Regent und Hausvater, fuͤr alle Jahrtauſende ſollt er da gebildet werden! und ewig wird, außer dem tauſendjaͤhrigen Reiche und dem Hirngeſpinſte der Dichter, ewig wird Patriarchengegend und Patriarchenzelt das goldne Zeitalter der kindlichen Menſchheit bleiben. Daß nun zu dieſer Welt von Neigungen ſelbſt Zuſtaͤnde gehoͤren, die wir uns aus ei- nem Betruge unſrer Zeit oft viel zu fremde und ſchrecklich dichten, duͤrfte eine Jnduktion nach der andern zeigen. — Wir haben uns einen Deſpotismus des Drients aus den uͤbertriebenſten, gewaltſamſten Erſcheinungen meiſt

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/14>, abgerufen am 24.04.2024.