Denkmaale, die uns an die süße Stunde der Begeisterung zurück erinnern, da die Muse eines alten Schriftstellers vor uns stand, und auf den Flügeln seiner Jdeen uns in die Ge- filde ihrer Lieblinge führte. Für das Pu- blikum sind diese Stücke Pfänder von dem Werthe eines Mannes, der sich so vorzüglich nach den Alten gebildet, der so viel von ih- rem Geiste kennet, der den Geschmack der antiken Schönheit in sich gesogen, den man bewundern muß, von dem man viel hoffen kann -- sie sind also als Mittel zu gewissen Zwecken vortreffliche Dinge; aber als Zwecke? --
Als vollendete Werke des Zwecks reichen diese Stücke wohl an die Alten? Der Spra- che nach? -- Wollt ihr dies wissen, so
schifft euch in des Charons Kahn, steiget zu der Sternenbahn,
nach jenem Knüttelliede, und fragt die Alten! - Reichen sie an die Alten, als Kunststücke? - Nicht so recht! Denn es ist immer schwer, sich mit einem zu messen, mit dem man nicht auf gleichem Boden stehet! Da bei den Denk- mälern der Alten uns viele Dinge unbekannt
sind,
Denkmaale, die uns an die ſuͤße Stunde der Begeiſterung zuruͤck erinnern, da die Muſe eines alten Schriftſtellers vor uns ſtand, und auf den Fluͤgeln ſeiner Jdeen uns in die Ge- filde ihrer Lieblinge fuͤhrte. Fuͤr das Pu- blikum ſind dieſe Stuͤcke Pfaͤnder von dem Werthe eines Mannes, der ſich ſo vorzuͤglich nach den Alten gebildet, der ſo viel von ih- rem Geiſte kennet, der den Geſchmack der antiken Schoͤnheit in ſich geſogen, den man bewundern muß, von dem man viel hoffen kann — ſie ſind alſo als Mittel zu gewiſſen Zwecken vortreffliche Dinge; aber als Zwecke? —
Als vollendete Werke des Zwecks reichen dieſe Stuͤcke wohl an die Alten? Der Spra- che nach? — Wollt ihr dies wiſſen, ſo
ſchifft euch in des Charons Kahn, ſteiget zu der Sternenbahn,
nach jenem Knuͤttelliede, und fragt die Alten! – Reichen ſie an die Alten, als Kunſtſtuͤcke? – Nicht ſo recht! Denn es iſt immer ſchwer, ſich mit einem zu meſſen, mit dem man nicht auf gleichem Boden ſtehet! Da bei den Denk- maͤlern der Alten uns viele Dinge unbekannt
ſind,
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Denkmaale, die uns an die ſuͤße Stunde der
Begeiſterung zuruͤck erinnern, da die Muſe
eines alten Schriftſtellers vor uns ſtand, und
auf den Fluͤgeln ſeiner Jdeen uns in die Ge-
filde ihrer Lieblinge fuͤhrte. Fuͤr das Pu-
blikum ſind dieſe Stuͤcke Pfaͤnder von dem
Werthe eines Mannes, der ſich ſo vorzuͤglich
nach den Alten gebildet, der ſo viel von ih-
rem Geiſte kennet, der den Geſchmack der
antiken Schoͤnheit in ſich geſogen, den man
bewundern muß, von dem man viel hoffen
kann — ſie ſind alſo als Mittel zu gewiſſen
Zwecken vortreffliche Dinge; aber als
Zwecke? —
Als vollendete Werke des Zwecks reichen
dieſe Stuͤcke wohl an die Alten? Der Spra-
che nach? — Wollt ihr dies wiſſen, ſo
ſchifft euch in des Charons Kahn,
ſteiget zu der Sternenbahn,
nach jenem Knuͤttelliede, und fragt die Alten! –
Reichen ſie an die Alten, als Kunſtſtuͤcke? –
Nicht ſo recht! Denn es iſt immer ſchwer,
ſich mit einem zu meſſen, mit dem man nicht
auf gleichem Boden ſtehet! Da bei den Denk-
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ſind,
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/99>, abgerufen am 04.05.2024.
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