Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.

Bild:
<< vorherige Seite

sche geraubt: die recht ein Buch für ihn
ist!
Wo ist ein Mann der Art:

Wo ist er? und der Kranz des Patrioten
soll sein ehrwürdig Haupt umziehn! -- *

Noch eine Anwendung! Das Frauenzim-
mer gehört ohne Zweifel nicht in die Hörsäle
und Studirzimmer der Gelehrten, wenn es
sich bilden will zu seiner Bestimmung, da-
mit es seine Seele verschönere, und das Ver-
gnügen des männlichen Geschlechts sey: da-
mit es die Würde der Bürgerinnen, und Haus-
mütter, und Ehegatten, und Erzieherinnen er-
reiche: damit es alle die Talente ausbilde,
die ihm die Natur gab, und die Pflichten for-
dern, das schöne Geschlecht zu werden.
Ohne allen Zweifel muß also ein Lehrbuch
zu ihrer Bildung nicht nach männlichem,
noch weniger nach gelehrtem Zuschnitt seyn:
es muß statt eines Skeletts von Schurweis-
heit sich ihrem Verstande bequemen: und weil

in
* Jch schäzze einige Schweizerische Stücke, die
sich dieser Gattung nähern, hoch; sie gehören
aber eigentlich nicht hieher, weil sie für den
Bürger geschrieben sind.

ſche geraubt: die recht ein Buch fuͤr ihn
iſt!
Wo iſt ein Mann der Art:

Wo iſt er? und der Kranz des Patrioten
ſoll ſein ehrwuͤrdig Haupt umziehn! — *

Noch eine Anwendung! Das Frauenzim-
mer gehoͤrt ohne Zweifel nicht in die Hoͤrſaͤle
und Studirzimmer der Gelehrten, wenn es
ſich bilden will zu ſeiner Beſtimmung, da-
mit es ſeine Seele verſchoͤnere, und das Ver-
gnuͤgen des maͤnnlichen Geſchlechts ſey: da-
mit es die Wuͤrde der Buͤrgerinnen, und Haus-
muͤtter, und Ehegatten, und Erzieherinnen er-
reiche: damit es alle die Talente ausbilde,
die ihm die Natur gab, und die Pflichten for-
dern, das ſchoͤne Geſchlecht zu werden.
Ohne allen Zweifel muß alſo ein Lehrbuch
zu ihrer Bildung nicht nach maͤnnlichem,
noch weniger nach gelehrtem Zuſchnitt ſeyn:
es muß ſtatt eines Skeletts von Schurweis-
heit ſich ihrem Verſtande bequemen: und weil

in
* Jch ſchaͤzze einige Schweizeriſche Stuͤcke, die
ſich dieſer Gattung naͤhern, hoch; ſie gehoͤren
aber eigentlich nicht hieher, weil ſie fuͤr den
Buͤrger geſchrieben ſind.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0070" n="62"/>
&#x017F;che geraubt: die recht ein <hi rendition="#fr">Buch fu&#x0364;r ihn<lb/>
i&#x017F;t!</hi> Wo i&#x017F;t ein Mann der Art:</p><lb/>
                <lg type="poem">
                  <l>Wo i&#x017F;t er? und der Kranz des Patrioten</l><lb/>
                  <l>&#x017F;oll &#x017F;ein ehrwu&#x0364;rdig Haupt umziehn! &#x2014; <note place="foot" n="*">Jch &#x017F;cha&#x0364;zze einige Schweizeri&#x017F;che Stu&#x0364;cke, die<lb/>
&#x017F;ich die&#x017F;er Gattung na&#x0364;hern, hoch; &#x017F;ie geho&#x0364;ren<lb/>
aber eigentlich nicht hieher, weil &#x017F;ie fu&#x0364;r den<lb/>
Bu&#x0364;rger ge&#x017F;chrieben &#x017F;ind.</note></l>
                </lg><lb/>
                <p>Noch eine Anwendung! Das Frauenzim-<lb/>
mer geho&#x0364;rt ohne Zweifel nicht in die Ho&#x0364;r&#x017F;a&#x0364;le<lb/>
und Studirzimmer der Gelehrten, wenn es<lb/>
&#x017F;ich bilden will zu <hi rendition="#fr">&#x017F;einer Be&#x017F;timmung,</hi> da-<lb/>
mit es &#x017F;eine Seele ver&#x017F;cho&#x0364;nere, und das Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gen des ma&#x0364;nnlichen Ge&#x017F;chlechts &#x017F;ey: da-<lb/>
mit es die Wu&#x0364;rde der Bu&#x0364;rgerinnen, und Haus-<lb/>
mu&#x0364;tter, und Ehegatten, und Erzieherinnen er-<lb/>
reiche: damit es alle die Talente ausbilde,<lb/>
die ihm die Natur gab, und die Pflichten for-<lb/>
dern, <hi rendition="#fr">das &#x017F;cho&#x0364;ne Ge&#x017F;chlecht</hi> zu werden.<lb/>
Ohne allen Zweifel muß al&#x017F;o ein <hi rendition="#fr">Lehrbuch</hi><lb/>
zu ihrer Bildung nicht nach <hi rendition="#fr">ma&#x0364;nnlichem,</hi><lb/>
noch weniger nach <hi rendition="#fr">gelehrtem</hi> Zu&#x017F;chnitt &#x017F;eyn:<lb/>
es muß &#x017F;tatt eines Skeletts von Schurweis-<lb/>
heit &#x017F;ich ihrem Ver&#x017F;tande bequemen: und weil<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">in</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0070] ſche geraubt: die recht ein Buch fuͤr ihn iſt! Wo iſt ein Mann der Art: Wo iſt er? und der Kranz des Patrioten ſoll ſein ehrwuͤrdig Haupt umziehn! — * Noch eine Anwendung! Das Frauenzim- mer gehoͤrt ohne Zweifel nicht in die Hoͤrſaͤle und Studirzimmer der Gelehrten, wenn es ſich bilden will zu ſeiner Beſtimmung, da- mit es ſeine Seele verſchoͤnere, und das Ver- gnuͤgen des maͤnnlichen Geſchlechts ſey: da- mit es die Wuͤrde der Buͤrgerinnen, und Haus- muͤtter, und Ehegatten, und Erzieherinnen er- reiche: damit es alle die Talente ausbilde, die ihm die Natur gab, und die Pflichten for- dern, das ſchoͤne Geſchlecht zu werden. Ohne allen Zweifel muß alſo ein Lehrbuch zu ihrer Bildung nicht nach maͤnnlichem, noch weniger nach gelehrtem Zuſchnitt ſeyn: es muß ſtatt eines Skeletts von Schurweis- heit ſich ihrem Verſtande bequemen: und weil in * Jch ſchaͤzze einige Schweizeriſche Stuͤcke, die ſich dieſer Gattung naͤhern, hoch; ſie gehoͤren aber eigentlich nicht hieher, weil ſie fuͤr den Buͤrger geſchrieben ſind.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/70
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/70>, abgerufen am 03.05.2024.